Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Klassifikation von Knorpelschäden am Hüftgelenk
Therapieansätze zur arthroskopischen Versorgung

Gregor Möckel, Jannis Löchel, Georgi Wassilew

Zusammenfassung:

Die präoperative Diagnostik azetabulärer Knorpel- und Labrumläsionen umfasst konventionell radiologische und MR-morphologische Bildgebung. Die morphologische chondrolabrale
Defektklassifikation erfolgt anhand der Kriterien von Haddad, die Defektlokalisation anhand der Methode von Griffin. Verschiedene arthroskopische Verfahren stehen zur Verfügung. Die Abrasionsarthroplastik und die Mikrofrakturierung stellen gegenwärtig die Standardverfahren zur
Behandlung von vollschichtigen, klein- bis mittelflächigen Knorpelläsionen dar. Beide Verfahren sind kostengünstig durchführbar, können jedoch technisch anspruchsvoll in ihrer Durchführung sein. Die höherwertigen Knorpeltherapien wie AMIC und ACT sind bei Defekten von > 2 cm²
indiziert. Sie stellen anspruchsvolle Operationstechniken dar, die dem erfahrenen Operateur
vorbehalten bleiben sollten. Nach der gegenwärtigen Datenlage scheint sich eine Überlegenheit der AMIC und der ACT gegenüber den klassischen knochenmarkstimulierenden Techniken zu
zeigen. Zu berücksichtigen ist, dass diese kostenintensiver sind und die ACT ein zweizeitiges
Vorgehen erforderlich macht. Essenziell ist bei allen Knorpeltherapien am Hüftgelenk die
Mitbehandlung der zugrunde liegenden Pathologie, ohne die eine Knorpelregeneration nicht
dauerhaft erfolgreich sein kann.

Schlüsselwörter:
Hüftgelenk, Hüftarthroskopie, Knorpelschaden, Knorpeltherapie

Zitierweise:
Möckel G, Löchel J, Wassilew G: Klassifikation von Knorpelschäden am Hüftgelenk.
Therapieansätze zur arthroskopischen Versorgung. OUP 2019; 8: 396–402
DOI 10.3238/oup.2019.0396–0402

Summary: The preoperative diagnostic algorithm in case of articular cartilage defects of the acetabulum should include radiographic and MR-imaging. Lesions of the chondrolabral complex are classified using the criteria of Haddad, the defect localisation should be performed using the Griffin method.
Several arthroscopic techniques are among the available treatment options. Arthroscopic chondroplasty and microfracture can be seen as gold standard for small- to medium-sized, full-thickness cartilage defects. Both
procedures are economical but can be technically demanding. AMIC and ACT should be performed in case of
a defect surface > 2 cm². Both are challenging procedures and should only be performed by experienced
arthroscopic surgeons. The current literature suggests superiority of AMIC and ACT to conventional
marrow-stimulating techniques. One should consider the higher costs for ACT and AMIC as well as the
inevitable two-stage procedure for ACT.
Arthroscopic cartilage regeneration can only be successful when surgical treatment includes the correction of the damage cause and addresses concomitant pathologies.

Keywords: hip joint, hip arthroscopy, cartilage damage, cartilage therapy, cartilage regeneration

Citation: Möckel G, Löchel J, Wassilew G: Classification of chondral lesions of the hip and corresponding
arthroscopic repair strategies OUP 2019; 8: 396–402 DOI 10.3238/oup.2019.0396–0402

Gregor Möckel: Orthopädie Karlshorst, Berlin

Jannis Löchel, Georgi Wassilew: Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Universitätsmedizin Greifswald

Einleitung

Hüftdysplasie und femoroazetabuläres Impingement als wichtige Vertreter symptomatischer präarthrotischer Deformitäten führen regelhaft zu lokalisierten Knorpeldefekten des Azetabulums [30].

Im Falle der Hüftdysplasie treten Knorpelschäden zumeist im Bereich des anterolateralen Azetabulums auf, welches der Region zwischen 3 und 12 Uhr nach Griffin entspricht [2, 13]. Bei bestehender Hüftdysplasie muss die Indikationsstellung zur Arthroskopie ausgesprochen kritisch gestellt werden [28]. Eine Indikation besteht bei Vorliegen einer sog. Borderline-Hüftdysplasie. Neben der Behandlung von Knorpel- und Labrumschäden kann ein so durchgeführtes Knorpelstaging zur Indikationsstellung einer Korrekturosteotomie beitragen [15, 18]. Eine diagnostische und intraoperative Besonderheit stellt das in diesen Fällen regelhaft kompensatorisch hypertrophe Labrum acetabulare dar. Die Hypertrophie ist auf die durch die Biomechanik bedingte Überbelastung des chondrolabralen Komplexes zurückzuführen. Durch die fortwährende Überbeanspruchung der lasttragenden Knorpelfläche kann es im Verlauf zu einer Ablösung des hyalinen Knorpels vom subchondralen Knochen kommen. Als arthroskopisch sichtbares Zeichen findet sich ein sog. Teppichphänomen oder wave sign. Dieses ist als erste Stufe der Knorpelschädigung im anterolateralen Pfannenbereich anzusehen. Im Falle einer weiter fortgeschrittenen Pathologie findet sich häufig eine chondrolabrale Separation. Intraoperativ kann mithilfe eines Tasthäkchens ein chondrolabraler Defekt palpiert, das Labrum eleviert und der Knorpel hinterfahren werden.

Beim femoroazetabulären Impingement vom Cam-Typ ist der Knorpelschaden typischerweise in identischer Lokalisation des Gelenks anzutreffen. Aufgrund der Asphärizität des Kopf-Schenkelhals-Übergangs und der daraus resultierenden Inkongruenz der Gelenkpartner kommt es zu einer verstärkten Druckbelastung im Bereich des azetabulären Knorpels. Eine sukzessive Ausdünnung, Auffaserung bis hin zu vollschichtigen Knorpeldefekten kann so beobachtet werden. Der chondrolabrale Komplex ist häufig aufgebrochen, sodass das Labrum acetabulare keine feste Verbindung zum azetabulären Knorpel mehr aufweist.

Im Falle einer verstärkten azetabulären Überdachung, welche bei einer Pincer-Deformität vorliegt, kommt es regelhaft erst spät zu chondralen Defekten im Bereich des Azetabulums [1]. Aufgrund der knöchernen Konfiguration wird der Pincer-Deformität gar ein protektiver Effekt im Hinblick auf die Entwicklung von Knorpelschäden zugeschrieben [5]. Häufiger anzutreffen sind hier symptomatische Labrumläsionen, welche häufig als intralabrale Pathologien wie Kalzifikationen, Ossifikationen und Ganglien vorzufinden sind. Sofern ein Knorpelschaden eintritt, besteht dieser häufig zirkumferent und in einem schmalen Bereich nah des chondrolabralen Übergangs. Durch Subluxationsphänomene des Hüftkopfs bei endgradiger Bewegung kann ebenso ein posteroinferiorer Knorpelschaden im Sinne eines sog. Contre-coup-Effekts eintreten.

Insbesondere im Bereich des Azetabulums existieren Normvarianten der Ausprägung des hyalinen Gelenkknorpels, die bei der arthroskopischen Therapie berücksichtigt werden müssen. Im Bereich des Vorder- und Hinterhorns der Facies lunata können durch den Zusammenschluss der 3 Beckenknochen im Bereich der Y-Fuge Knorpelaufbaustörungen bestehen [6]. Hier finden sich inkonstant dünnere und teils auch fehlende Knorpelbeläge, die keinem Knorpelschaden entsprechen, sondern als Normvariante anzusehen sind. Des Weiteren kann die Fossa acetabuli sehr variabel ausgeprägt sein. Bei 12 Uhr findet sich gelegentlich eine stärkere Ausziehung nach lateral, die als sog. supraazetabuläre Fossa bezeichnet wird. Sie stellt ebenso eine Normvariante dar und wird im MRT mitunter als falsch positiver Knorpelbefund beschrieben. Als Ausdünnung des hyalinen Gelenkknorpels in gleicher Lokalisation ist die sogenannte stellate crease als weitere Normvariante bekannt [4, 7, 17].

Nachweis von Knorpelschäden am Hüftgelenk

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