Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Klassifikation von Knorpelschäden am Hüftgelenk
Therapieansätze zur arthroskopischen Versorgung

Gregor Möckel, Jannis Löchel, Georgi Wassilew

Zusammenfassung:

Die präoperative Diagnostik azetabulärer Knorpel- und Labrumläsionen umfasst konventionell radiologische und MR-morphologische Bildgebung. Die morphologische chondrolabrale
Defektklassifikation erfolgt anhand der Kriterien von Haddad, die Defektlokalisation anhand der Methode von Griffin. Verschiedene arthroskopische Verfahren stehen zur Verfügung. Die Abrasionsarthroplastik und die Mikrofrakturierung stellen gegenwärtig die Standardverfahren zur
Behandlung von vollschichtigen, klein- bis mittelflächigen Knorpelläsionen dar. Beide Verfahren sind kostengünstig durchführbar, können jedoch technisch anspruchsvoll in ihrer Durchführung sein. Die höherwertigen Knorpeltherapien wie AMIC und ACT sind bei Defekten von > 2 cm²
indiziert. Sie stellen anspruchsvolle Operationstechniken dar, die dem erfahrenen Operateur
vorbehalten bleiben sollten. Nach der gegenwärtigen Datenlage scheint sich eine Überlegenheit der AMIC und der ACT gegenüber den klassischen knochenmarkstimulierenden Techniken zu
zeigen. Zu berücksichtigen ist, dass diese kostenintensiver sind und die ACT ein zweizeitiges
Vorgehen erforderlich macht. Essenziell ist bei allen Knorpeltherapien am Hüftgelenk die
Mitbehandlung der zugrunde liegenden Pathologie, ohne die eine Knorpelregeneration nicht
dauerhaft erfolgreich sein kann.

Schlüsselwörter:
Hüftgelenk, Hüftarthroskopie, Knorpelschaden, Knorpeltherapie

Zitierweise:
Möckel G, Löchel J, Wassilew G: Klassifikation von Knorpelschäden am Hüftgelenk.
Therapieansätze zur arthroskopischen Versorgung. OUP 2019; 8: 396–402
DOI 10.3238/oup.2019.0396–0402

Summary: The preoperative diagnostic algorithm in case of articular cartilage defects of the acetabulum should include radiographic and MR-imaging. Lesions of the chondrolabral complex are classified using the criteria of Haddad, the defect localisation should be performed using the Griffin method.
Several arthroscopic techniques are among the available treatment options. Arthroscopic chondroplasty and microfracture can be seen as gold standard for small- to medium-sized, full-thickness cartilage defects. Both
procedures are economical but can be technically demanding. AMIC and ACT should be performed in case of
a defect surface > 2 cm². Both are challenging procedures and should only be performed by experienced
arthroscopic surgeons. The current literature suggests superiority of AMIC and ACT to conventional
marrow-stimulating techniques. One should consider the higher costs for ACT and AMIC as well as the
inevitable two-stage procedure for ACT.
Arthroscopic cartilage regeneration can only be successful when surgical treatment includes the correction of the damage cause and addresses concomitant pathologies.

Keywords: hip joint, hip arthroscopy, cartilage damage, cartilage therapy, cartilage regeneration

Citation: Möckel G, Löchel J, Wassilew G: Classification of chondral lesions of the hip and corresponding
arthroscopic repair strategies OUP 2019; 8: 396–402 DOI 10.3238/oup.2019.0396–0402

Gregor Möckel: Orthopädie Karlshorst, Berlin

Jannis Löchel, Georgi Wassilew: Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Universitätsmedizin Greifswald

Einleitung

Hüftdysplasie und femoroazetabuläres Impingement als wichtige Vertreter symptomatischer präarthrotischer Deformitäten führen regelhaft zu lokalisierten Knorpeldefekten des Azetabulums [30].

Im Falle der Hüftdysplasie treten Knorpelschäden zumeist im Bereich des anterolateralen Azetabulums auf, welches der Region zwischen 3 und 12 Uhr nach Griffin entspricht [2, 13]. Bei bestehender Hüftdysplasie muss die Indikationsstellung zur Arthroskopie ausgesprochen kritisch gestellt werden [28]. Eine Indikation besteht bei Vorliegen einer sog. Borderline-Hüftdysplasie. Neben der Behandlung von Knorpel- und Labrumschäden kann ein so durchgeführtes Knorpelstaging zur Indikationsstellung einer Korrekturosteotomie beitragen [15, 18]. Eine diagnostische und intraoperative Besonderheit stellt das in diesen Fällen regelhaft kompensatorisch hypertrophe Labrum acetabulare dar. Die Hypertrophie ist auf die durch die Biomechanik bedingte Überbelastung des chondrolabralen Komplexes zurückzuführen. Durch die fortwährende Überbeanspruchung der lasttragenden Knorpelfläche kann es im Verlauf zu einer Ablösung des hyalinen Knorpels vom subchondralen Knochen kommen. Als arthroskopisch sichtbares Zeichen findet sich ein sog. Teppichphänomen oder wave sign. Dieses ist als erste Stufe der Knorpelschädigung im anterolateralen Pfannenbereich anzusehen. Im Falle einer weiter fortgeschrittenen Pathologie findet sich häufig eine chondrolabrale Separation. Intraoperativ kann mithilfe eines Tasthäkchens ein chondrolabraler Defekt palpiert, das Labrum eleviert und der Knorpel hinterfahren werden.

Beim femoroazetabulären Impingement vom Cam-Typ ist der Knorpelschaden typischerweise in identischer Lokalisation des Gelenks anzutreffen. Aufgrund der Asphärizität des Kopf-Schenkelhals-Übergangs und der daraus resultierenden Inkongruenz der Gelenkpartner kommt es zu einer verstärkten Druckbelastung im Bereich des azetabulären Knorpels. Eine sukzessive Ausdünnung, Auffaserung bis hin zu vollschichtigen Knorpeldefekten kann so beobachtet werden. Der chondrolabrale Komplex ist häufig aufgebrochen, sodass das Labrum acetabulare keine feste Verbindung zum azetabulären Knorpel mehr aufweist.

Im Falle einer verstärkten azetabulären Überdachung, welche bei einer Pincer-Deformität vorliegt, kommt es regelhaft erst spät zu chondralen Defekten im Bereich des Azetabulums [1]. Aufgrund der knöchernen Konfiguration wird der Pincer-Deformität gar ein protektiver Effekt im Hinblick auf die Entwicklung von Knorpelschäden zugeschrieben [5]. Häufiger anzutreffen sind hier symptomatische Labrumläsionen, welche häufig als intralabrale Pathologien wie Kalzifikationen, Ossifikationen und Ganglien vorzufinden sind. Sofern ein Knorpelschaden eintritt, besteht dieser häufig zirkumferent und in einem schmalen Bereich nah des chondrolabralen Übergangs. Durch Subluxationsphänomene des Hüftkopfs bei endgradiger Bewegung kann ebenso ein posteroinferiorer Knorpelschaden im Sinne eines sog. Contre-coup-Effekts eintreten.

Insbesondere im Bereich des Azetabulums existieren Normvarianten der Ausprägung des hyalinen Gelenkknorpels, die bei der arthroskopischen Therapie berücksichtigt werden müssen. Im Bereich des Vorder- und Hinterhorns der Facies lunata können durch den Zusammenschluss der 3 Beckenknochen im Bereich der Y-Fuge Knorpelaufbaustörungen bestehen [6]. Hier finden sich inkonstant dünnere und teils auch fehlende Knorpelbeläge, die keinem Knorpelschaden entsprechen, sondern als Normvariante anzusehen sind. Des Weiteren kann die Fossa acetabuli sehr variabel ausgeprägt sein. Bei 12 Uhr findet sich gelegentlich eine stärkere Ausziehung nach lateral, die als sog. supraazetabuläre Fossa bezeichnet wird. Sie stellt ebenso eine Normvariante dar und wird im MRT mitunter als falsch positiver Knorpelbefund beschrieben. Als Ausdünnung des hyalinen Gelenkknorpels in gleicher Lokalisation ist die sogenannte stellate crease als weitere Normvariante bekannt [4, 7, 17].

Nachweis von Knorpelschäden am Hüftgelenk

Die MRT-Untersuchung ist der Goldstandard zur Detektion azetabulärer Knorpelschäden. Bevor auf Vorzüge einzelner Sequenzen und Schichten eingegangen wird, ist hervorzuheben, dass vor jeder geplanten arthroskopischen Intervention am Hüftgelenk eine standardisierte konventionell radiologische Bildgebung durchgeführt werden sollte. Diese beinhaltet eine normalzentrierte Beckenübersichtsaufnahme, welche um eine zweite Ebene der entsprechenden Seite ergänzt wird. Unter Umständen ist die Anfertigung weiterer Röntgenaufnahmen erforderlich. Die Bedeutung der Röntgenaufnahmen für die arthroskopische Therapie des Hüftgelenks wurde vor kurzem in der Leitlinie „Koxarthrose“ niedergeschrieben. Dies hat insofern Relevanz, als dass in der Vergangenheit häufig aus Strahlenschutzgründen auf die Anfertigung einer Beckenübersichtsaufnahme verzichtet wurde. Zur Planung einer arthroskopischen Therapie am Hüftgelenk ist sie jedoch essenziell [34, 35]. Wie eingangs anhand der beschriebenen ossären Deformitäten dargelegt, kann so bereits die Abschätzung eines möglicherweise vorliegenden Knorpelschadens getroffen werden. Das MRT erlaubt die morphologische Darstellung eines vorliegenden Knorpelschadens, aber auch eine Einschätzung des gesamten chondrolabralen Komplexes inklusive der Defekttiefe und der Beurteilung des Umgebungsknorpels. Auch Sekundärphänomene wie eine Synovialitis oder ein Gelenkerguss können detektiert werden. Für eine entsprechend hohe Auflösung sind am Hüftgelenk Geräte mit einer Feldstärke von mindestens 1,5 Tesla sowie knorpelsensitive Sequenzen wie z.B. die Protonendichte (PD) und PD/T2-gewichtete fettunterdrückte TSE-Sequenzen zu empfehlen [22].

Defektlokalisation und
Klassifizierung

Die Bestimmung von Lokalisation und Ausmaß des Knorpelschadens ist sowohl für die Therapieentscheidung als auch für die Abschätzung des postoperativen Verlaufs unbedingt erforderlich. Dabei müssen die Defektlokalisation, die -größe und die -tiefe sowie der Zustand des subchondralen Knochens beurteilt werden. Weiterhin beurteilt werden die Qualität des Umgebungsknorpels, des chondrolabralen Komplexes und der Synovialis.

Vom Hüftkomitee der AGA (Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie) wird die morphologische Klassifikation der chondrolabralen Läsionen nach Haddad empfohlen [19]. In Bezug auf die Lokalisation wird die sog. Uhrzeigermethode nach Griffin empfohlen [13]. Hierbei ist zu beachten, dass festgelegt wurde, dass alle Hüftgelenke anhand eines rechten Hüftgelenks klassifiziert werden. Im Sinne einer spiegelbildlichen Ausrichtung befindet sich daher auch in einem linken Hüftgelenk 3 Uhr anterior und 9 Uhr posterior (Abb. 1, Tab. 1).

Eingriffe zur knöchernen Korrektur zur Beseitigung eines biomechanischen
Konflikts

Grundsätzlich ist zu postulieren, dass ein knorpelregenerierender Eingriff am Hüftgelenk nur erfolgreich sein kann, wenn die zugrunde liegende biomechanische Pathologie ebenfalls behandelt wird. Eine konservative Therapie oder eine alleinige Knorpeltherapie ohne Behandlung der knöchernen Deformität ist meist wenig erfolgreich [24, 25, 29]. Dabei kann die Korrektur eines femoroazetabulären Impingements durch Beseitigung der knöchernen Deformität im Bereich des Kopf-Hals-Übergangs bzw. des knöchernen Pfannenrands erfolgen. Ob diese Eingriffe beim FAI arthroskopisch oder offen erfolgen, ist vom Ausmaß der Deformität und der Erfahrung des jeweiligen Operateurs abhängig [38]. Eine residuelle Dysplasie kann ursächlich nur durch eine mehrdimensionale Achskorrektur wie z.B. durch eine periazetabuläre Umstellungsosteotomie behandelt werden [8].

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Knorpelschäden am Hüftgelenk ohne knöcherne Pathologie nur bei der primären Arthrose zu finden sind.

Neben der Behandlung der knöchernen Deformität muss auch eine entsprechende Therapie des Labrum acetabulare erfolgen. Dieses kann entweder (partiell) reseziert oder in situ refixiert werden. In Studien wurde eine Überlegenheit anhand klinischer Outcome-Parameter für die Refixation gegenüber der Resektion beschrieben [21, 33]. In Einzelfällen kann ein Labrumersatz mit autologem oder allogenem Material erforderlich sein und zu guten klinischen Ergebnissen führen.

Arthroskopisches Set-up

Für die arthroskopische Therapie von Knorpelschäden am Hüftgelenk ist die Anlage von mindestens 2 Standardportalen erforderlich. Die Autoren verwenden dabei das klassische anterolaterale Portal. Das anteriore Portal wird insofern etwas angepasst, als dass dessen Positionierung distaler und lateraler erfolgt. Hieraus ergibt sich eine optimale Angulation, um azetabuläre Knorpelschäden adressieren zu können. Um mittels Luftarthroskopie höherwertige Knorpeltherapien wie die autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC) oder die autologe Chondrozytentransplantation (ACT) durchzuführen, kann die Anlage eines posterolateralen Portals erforderlich sein.

Knorpeltherapien am Hüftgelenk sind anspruchsvolle Operationen. Aufgrund der begrenzten Zugangsmöglichkeiten sind Maßnahmen wie Abrasion, Mikrofrakturierung, aber auch AMIC und ACT technisch deutlich aufwendiger und erfordern eine entsprechende Erfahrung des Operateurs. Häufig ist eine Adressierung des Labrums im Sinne einer Refixation erforderlich.

Knochenmarkstimulierende Techniken

Knochenmarkstimulierende Techniken gehören nach wie vor zu den am häufigsten verwendeten Methoden zur operativen Behandlung von Knorpelschäden größerer Gelenke, so auch der Hüfte.

Eine Voraussetzung zur Durchführung einer Abrasionsarthroplastik und Mikrofrakturierung ist ein vorangegangenes Débridement des geschädigten Knorpelareals mit Freilegung des subchondralen Knochens. Dieser sollte so weit abradiert werden, bis feinste punktuelle Blutungen aus dem Knochen auftreten. Häufig ist der Nachweis dieser Blutungen angesichts der in Hypotension durchgeführten Operationen erst durch ein Absenken des Spüldrucks oder gar Einsaugen von Luft in das Gelenk zu erreichen [8]. Die Autoren verwenden zum Ansaugen von Luft in das Gelenk einen Shaver. Ist mittels Abrasion ein adäquates Ausmaß flächiger Blutungen zu erreichen, wird bewusst auf die Mikrofrakturierung verzichtet. Nur wenn sich die Abrasion als nicht suffizient herausstellt und sich der Knochen palpatorisch sklerotisch und sehr hart zeigt, wird eine Mikrofrakturierung vorsichtig durchgeführt. Dass eine sorgfältige Abrasion für die Bildung eines Knorpelregenerats häufig ausreichend ist, ist mit vielen beobachteten Fällen bei der ACT zu begründen. Bei der initialen Operation erfolgte in diesen Fällen ein entsprechendes Débridement. Im Rahmen der 6 Wochen später durchgeführten Knorpelzelltransplantation fand sich im abradierten Bereich häufig ein suffizient wirkendes Knorpelregeneratgewebe [16, 32].

Sollte eine Mikrofrakturierung durchgeführt werden, ist unbedingt auf eine korrekte Angulation der Portale zu achten, um ein Ausbrechen der Perforationslöcher zu vermeiden. Weiterhin ist darauf zu achten, dass keine supraazetabuläre Zystenbildung besteht, da ansonsten ein Einbrechen der Ahle möglich ist. Aus technischer Sicht muss bei der Mikrofrakturierung im Bereich des Azetabulums immer portalnah begonnen werden. Damit wird verhindert, dass ein Ausbrechen eines durch die Mikrofrakturierung entstandenen Lochs zu einem bereits angelegten Perforationsloch erfolgt [28]. Um einem Abrutschen mit der Ahle im Bereich des Knorpelschadens vorzubeugen, sollte die Spitze des Instruments zunächst mit Seitbewegungen in den Knochen eingeführt werden bevor ein Hammer zum Einsatz kommt.

Das Prinzip der Mikrofrakturierung besteht in der Freisetzung von undifferenzierten mesenchymalen Zellen in den Knorpeldefekt (Abb. 2). In der Literatur sind in der Vergangenheit gute und sehr gute klinische Ergebnisse dokumentiert [3, 14]. Aus Second-look-Arthroskopien ist eine hohe Rate inspektorisch suffizienter Defektfüllungen mit faserknorpeligem Ersatzgewebe bekannt [16, 32]. Empfohlen werden ein Lochabstand von 3–4 mm, eine Tiefe von 4–5 mm sowie eine Perforation nah an den Defekträndern [6]. In manchen Fällen liegt eine ausgeprägte subchondrale Sklerose vor, die eine tiefere Perforation erforderlich macht. Um diesen technischen Schwierigkeiten zu begegnen, werden von Seiten der Industrie Systeme für Pridie-Bohrungen angeboten. Diese erfordern jedoch häufig eine zusätzliche Gelenkdistraktion, um die Instrumente ohne „Flurschaden“ am Femurkopf vorbei positionieren zu können.

In einem systematischen Review mit niedrigem Evidenzniveau (Level IV) von 12 Studien mit insgesamt 267 Patienten (durchschnittliches Follow-up von 29,5 Monaten) konnten nach arthroskopischer Behandlung von Patienten mit einem durch ein FAI verursachten azetabulären Knorpelschaden vornehmlich positive Ergebnisse bei niedrigen Komplikations- und Revisionsraten beschrieben werden [23].

Bei Nichtbeachtung der o.g. technischen und patientenindividuellen Einschränkungen kann es jedoch auch zu einer unerwünschten und nicht unerheblichen Schädigung der subchondralen Grenzlamelle kommen. In letzter Zeit konnten mehrere Arbeiten zeigen, dass es nach Mikrofrakturierung aus diesem Grund zu schlechteren radiologischen und klinischen Ergebnisse kommen kann (s.a. Beitrag Seite 378).

Autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC)

Die AMIC stellt eine Weiterentwicklung der klassischen knochenmarkstimulierenden Techniken dar (Abb. 3). Der im Rahmen der Abrasion oder Mikrofrakturierung entstehende superclot wird hierbei zusätzlich mit einer entsprechenden Membran abgedeckt und dadurch geschützt und stabilisiert. Die Indikation wird bei den Autoren bei einem vollschichtigen azetabulären Knorpelschaden > 2 cm2 gestellt. Entsprechende Membranen werden von verschiedenen Herstellern angeboten, in der Klinik der Autoren kommt das Produkt „Chondro-Gide“ der Firma Geistlich (Wolhusen, Schweiz) zum Einsatz. Es besteht aus Typ-I- und Typ-III-Kollagen und hat einen 2-schichtigen Aufbau mit einer porösen, dem Defekt zugewandten Unterseite und einer kompakten, dem Gelenk zugewandten Oberseite. Die Implantation dieser Membran muss im trockenen Milieu erfolgen. Die außerhalb des Situs durchzuführende Größenbestimmung der Membran erfordert einige Erfahrung. Für eine möglichst genaue Größenbestimmung eignet sich ein skalierter Tasthaken oder Pfriem. Dabei ist darauf zu achten, dass die Dimensionierung der Matrix um etwa 10 % kleiner als der zu füllende Defekt erfolgen muss, da durch den Kontakt mit intraartikulärer Flüssigkeit ein Quelleffekt eintritt [36]. Ein Überstand der Ränder ist unbedingt zu vermeiden, da durch die Bewegung des Femurkopfs ein Abscheren eintreten kann [8]. Vor dem Einbringen der Membran sollte diese punktuell mit einem Stift markiert werden, um Ober- und Unterseite intraartikulär unterscheiden zu können. Großflächige Markierungen sollten vermieden werden, da der Farbstoff potenziell chondrotoxisch ist. Um eine zirkumferente Stabilisierung der Matrix im Defekt zu erreichen, muss die Integrität des Labrums gegeben oder wiederhergestellt sein. Zusätzlich erfolgt eine Fixierung mittels Fibrinkleber und ein Anpressen der Membran mit einem in das Gelenk eingeführten Silikon-Blasenkatheter, der geblockt wird. Durch die „Blockungsblase“ kann üblicherweise mit der Optik hindurchgeschaut werden.

Im Vergleich zur ACT handelt es sich hierbei um ein einzeitiges Verfahren, welches vergleichsweise kostengünstig ist. Allerdings erfordert es in seiner Durchführung hohe operative Fertigkeiten. Die Anlage eines posterolateralen Portals, zumindest mit einer Punktionskanüle, muss regelhaft erfolgen. Eine Austrocknung des Gelenks mit Minitupfern ist ebenso erforderlich wie eine ausreichende Distraktion des Gelenks.

Autologe Chondrozytentransplantation (ACT)

Bei der ACT handelt es sich um ein 2-zeitiges Verfahren, bei dem im ersten Schritt aus einem wenig belasteten Gelenkbereich Knorpelzellen gewonnen werden. Im Fall der Hüfte bietet sich der Kopf-Schenkelhals-Übergang an, welcher beim Cam-FAI ohnehin anteilig reseziert wird. Die entnommenen Knorpelzellen werden angezüchtet und im Rahmen eines Zweiteingriffs in den Knorpeldefekt injiziert. Ein Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass körpereigener hyaliner Gelenkknorpel erzeugt wird, welcher hochwertigere biomechanische Eigenschaften als der fibrokartilaginäre Ersatzknorpel aufweist [11, 26, 37]. Es ist zu empfehlen, während des Ersteingriffs alle operativen Maßnahmen wie z.B. die Korrektur knöcherner Deformitäten und eine Labrumtherapie durchzuführen. Dieses Vorgehen senkt das Risiko für relevante Nachblutungen, welche u.a. aus dem spongiösen Knochen auftreten und den Erfolg der Knorpelzelltransplantation beeinträchtigen können.

Die Weiterentwicklung von Trägermaterialien, welche das Einbringen der Chondrozyten in den Defekt erleichtern, hat in den vergangenen Jahren zur Verbesserung der verfügbaren Techniken beigetragen [31]. In Deutschland stehen 2 verschiedene Therapieverfahren zur Verfügung: das Verfahren der Tetec-AG (Reutlingen, Deutschland) sowie der Codon-AG (Teltow, Deutschland).

Technisch kommt zur Erreichung eines trockenen Milieus die gleiche Technik wie bei der AMIC zur Anwendung. Da der Knorpeldefekt häufig im anterolateralen Bereich lokalisiert ist, müssen die Knorpelzellen so gesehen „an die Decke“ transplantiert werden. Hierbei ist der Knochenkontakt mit der Kanülenspitze besonders wichtig. Bei fehlendem Kontakt oder zu rascher Injektion kann sich die Suspension andernfalls wirkungslos im Gelenk verlieren. Es hat sich als günstig herausgestellt, hierzu die offene Halbkanüle (halfpipe) im Portal zu belassen, um diese als Hebel für die Kunststoffkanüle zu benutzen. Die Kunststoffkanüle wird an ihrer Spitze mithilfe des in ihr befindlichen Drahts leicht vorgebogen. Nach der Injektion können die Sphäroide mit einem Tasthaken im Defekt verteilt werden. Aufgrund der Selbstadhäsion ist ein Zuwarten von 15–20 Minuten ausreichend. Dies verhindert ein Abscheren bzw. eine Dislokation beim Nachlassen der Traktion [10].

Die bisherigen klinischen Ergebnisse nach ACT zeigen insgesamt ein gutes Outcome. In einer prospektiven Studie mit 16 Patienten, welche vergleichbare Defekte aufwiesen, wurden im mittleren Follow-up von 16,9 Monaten gute Ergebnisse berichtet [20]. Insgesamt erzielen die geeigneten injizierbaren ACT-Formen bisher die geringsten Komplikationsraten und überwiegend gute klinische Ergebnisse. Limitierend in diesen Studien sind jedoch das noch kurze Follow-up, die geringen Fallzahlen und die fehlenden Kontrollgruppen [12].

In einer prospektiven Studie wurden 37 Patienten mit azetabulären Knorpeldefekten als Folge eines FAI nach Ursachenkorrektur entweder mit Mikrofrakturierung oder mit injizierbarer MACT behandelt. Kernspintomografisch konnten in einem entsprechenden Mocart-Score nach einem Jahr signifikant bessere Ergebnisse für die Patienten mit ACT festgestellt werden. Somit scheinen sich am Hüftgelenk die vor einigen Jahren für das Kniegelenk diesbezüglich gewonnenen Ergebnisse zu bestätigen.

Nachbehandlung

Das postoperative Behandlungskonzept beeinflusst das Operationsergebnis maßgeblich. Als wesentliche Faktoren sind der Zeitraum der Belastungseinschränkung, das Belastungsregime sowie die aktive und passive postoperative Beübung mit dem entsprechenden Bewegungsausmaß zu nennen.

Eine Motorschiene oder eine aktive Bewegungsschiene ist unbedingt bereits ab dem ersten postoperativen Tag zu empfehlen. Sie bewirken eine verbesserte Defektfüllung, eine Unterstützung der Resorption des Hämarthros sowie eine verbesserte Knorpelernährung durch die dadurch erreichte Pumpfunktion im Gelenk. Eine Ruhigstellung wäre am Hüftgelenk effektiv nur über aufwendige Orthesen zu erreichen. Unabhängig von der zu berücksichtigenden Compliance der Patienten ist deren Sinnhaftigkeit zur Etablierung einer Bewegungseinschränkung zweifelhaft. Angesichts seiner großen Kongruenz hat das Hüftgelenk ein vernachlässigbares Potenzial, Bereiche bei endgradigen Bewegungen in die Belastungszone zu bringen, in denen eine Knorpeltherapie durchgeführt wurde. Wegweisend hierfür ist, dass die ursächliche Pathologie adäquat mitbehandelt wurde.

Die Teilbelastung bzw. Entlastung mit Sohlenkontakt an 2 Unterarmgehstützen wird nach erfolgter Mikrofrakturierung sowie nach AMIC und ACT für 4–6 Wochen empfohlen [9, 20]. Eine Abweichung hiervon kann bei Läsionen unter 1,5 cm2 erwogen werden. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass der Defekt von suffizientem Knorpelgewebe mit stabiler Knorpelschulter umgeben ist und somit aufgrund der oben angesprochenen Gelenkkongruenz eine geringe Belastung anzunehmen ist. Das Einlegen einer Redondrainage ist nach Ansicht der Autoren nicht regelhaft erforderlich [27]. Eine Prophylaxe gegen heterotope Ossifikationen ist essenziell.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

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Korrespondenzadresse

Jannis Löchel

Universitätsmedizin Greifswald

Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie

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