Übersichtsarbeiten - OUP 07/2019

Klassifikation von Knorpelschäden am Hüftgelenk
Therapieansätze zur arthroskopischen Versorgung

Sollte eine Mikrofrakturierung durchgeführt werden, ist unbedingt auf eine korrekte Angulation der Portale zu achten, um ein Ausbrechen der Perforationslöcher zu vermeiden. Weiterhin ist darauf zu achten, dass keine supraazetabuläre Zystenbildung besteht, da ansonsten ein Einbrechen der Ahle möglich ist. Aus technischer Sicht muss bei der Mikrofrakturierung im Bereich des Azetabulums immer portalnah begonnen werden. Damit wird verhindert, dass ein Ausbrechen eines durch die Mikrofrakturierung entstandenen Lochs zu einem bereits angelegten Perforationsloch erfolgt [28]. Um einem Abrutschen mit der Ahle im Bereich des Knorpelschadens vorzubeugen, sollte die Spitze des Instruments zunächst mit Seitbewegungen in den Knochen eingeführt werden bevor ein Hammer zum Einsatz kommt.

Das Prinzip der Mikrofrakturierung besteht in der Freisetzung von undifferenzierten mesenchymalen Zellen in den Knorpeldefekt (Abb. 2). In der Literatur sind in der Vergangenheit gute und sehr gute klinische Ergebnisse dokumentiert [3, 14]. Aus Second-look-Arthroskopien ist eine hohe Rate inspektorisch suffizienter Defektfüllungen mit faserknorpeligem Ersatzgewebe bekannt [16, 32]. Empfohlen werden ein Lochabstand von 3–4 mm, eine Tiefe von 4–5 mm sowie eine Perforation nah an den Defekträndern [6]. In manchen Fällen liegt eine ausgeprägte subchondrale Sklerose vor, die eine tiefere Perforation erforderlich macht. Um diesen technischen Schwierigkeiten zu begegnen, werden von Seiten der Industrie Systeme für Pridie-Bohrungen angeboten. Diese erfordern jedoch häufig eine zusätzliche Gelenkdistraktion, um die Instrumente ohne „Flurschaden“ am Femurkopf vorbei positionieren zu können.

In einem systematischen Review mit niedrigem Evidenzniveau (Level IV) von 12 Studien mit insgesamt 267 Patienten (durchschnittliches Follow-up von 29,5 Monaten) konnten nach arthroskopischer Behandlung von Patienten mit einem durch ein FAI verursachten azetabulären Knorpelschaden vornehmlich positive Ergebnisse bei niedrigen Komplikations- und Revisionsraten beschrieben werden [23].

Bei Nichtbeachtung der o.g. technischen und patientenindividuellen Einschränkungen kann es jedoch auch zu einer unerwünschten und nicht unerheblichen Schädigung der subchondralen Grenzlamelle kommen. In letzter Zeit konnten mehrere Arbeiten zeigen, dass es nach Mikrofrakturierung aus diesem Grund zu schlechteren radiologischen und klinischen Ergebnisse kommen kann (s.a. Beitrag Seite 378).

Autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC)

Die AMIC stellt eine Weiterentwicklung der klassischen knochenmarkstimulierenden Techniken dar (Abb. 3). Der im Rahmen der Abrasion oder Mikrofrakturierung entstehende superclot wird hierbei zusätzlich mit einer entsprechenden Membran abgedeckt und dadurch geschützt und stabilisiert. Die Indikation wird bei den Autoren bei einem vollschichtigen azetabulären Knorpelschaden > 2 cm2 gestellt. Entsprechende Membranen werden von verschiedenen Herstellern angeboten, in der Klinik der Autoren kommt das Produkt „Chondro-Gide“ der Firma Geistlich (Wolhusen, Schweiz) zum Einsatz. Es besteht aus Typ-I- und Typ-III-Kollagen und hat einen 2-schichtigen Aufbau mit einer porösen, dem Defekt zugewandten Unterseite und einer kompakten, dem Gelenk zugewandten Oberseite. Die Implantation dieser Membran muss im trockenen Milieu erfolgen. Die außerhalb des Situs durchzuführende Größenbestimmung der Membran erfordert einige Erfahrung. Für eine möglichst genaue Größenbestimmung eignet sich ein skalierter Tasthaken oder Pfriem. Dabei ist darauf zu achten, dass die Dimensionierung der Matrix um etwa 10 % kleiner als der zu füllende Defekt erfolgen muss, da durch den Kontakt mit intraartikulärer Flüssigkeit ein Quelleffekt eintritt [36]. Ein Überstand der Ränder ist unbedingt zu vermeiden, da durch die Bewegung des Femurkopfs ein Abscheren eintreten kann [8]. Vor dem Einbringen der Membran sollte diese punktuell mit einem Stift markiert werden, um Ober- und Unterseite intraartikulär unterscheiden zu können. Großflächige Markierungen sollten vermieden werden, da der Farbstoff potenziell chondrotoxisch ist. Um eine zirkumferente Stabilisierung der Matrix im Defekt zu erreichen, muss die Integrität des Labrums gegeben oder wiederhergestellt sein. Zusätzlich erfolgt eine Fixierung mittels Fibrinkleber und ein Anpressen der Membran mit einem in das Gelenk eingeführten Silikon-Blasenkatheter, der geblockt wird. Durch die „Blockungsblase“ kann üblicherweise mit der Optik hindurchgeschaut werden.

Im Vergleich zur ACT handelt es sich hierbei um ein einzeitiges Verfahren, welches vergleichsweise kostengünstig ist. Allerdings erfordert es in seiner Durchführung hohe operative Fertigkeiten. Die Anlage eines posterolateralen Portals, zumindest mit einer Punktionskanüle, muss regelhaft erfolgen. Eine Austrocknung des Gelenks mit Minitupfern ist ebenso erforderlich wie eine ausreichende Distraktion des Gelenks.

Autologe Chondrozytentransplantation (ACT)

Bei der ACT handelt es sich um ein 2-zeitiges Verfahren, bei dem im ersten Schritt aus einem wenig belasteten Gelenkbereich Knorpelzellen gewonnen werden. Im Fall der Hüfte bietet sich der Kopf-Schenkelhals-Übergang an, welcher beim Cam-FAI ohnehin anteilig reseziert wird. Die entnommenen Knorpelzellen werden angezüchtet und im Rahmen eines Zweiteingriffs in den Knorpeldefekt injiziert. Ein Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass körpereigener hyaliner Gelenkknorpel erzeugt wird, welcher hochwertigere biomechanische Eigenschaften als der fibrokartilaginäre Ersatzknorpel aufweist [11, 26, 37]. Es ist zu empfehlen, während des Ersteingriffs alle operativen Maßnahmen wie z.B. die Korrektur knöcherner Deformitäten und eine Labrumtherapie durchzuführen. Dieses Vorgehen senkt das Risiko für relevante Nachblutungen, welche u.a. aus dem spongiösen Knochen auftreten und den Erfolg der Knorpelzelltransplantation beeinträchtigen können.

Die Weiterentwicklung von Trägermaterialien, welche das Einbringen der Chondrozyten in den Defekt erleichtern, hat in den vergangenen Jahren zur Verbesserung der verfügbaren Techniken beigetragen [31]. In Deutschland stehen 2 verschiedene Therapieverfahren zur Verfügung: das Verfahren der Tetec-AG (Reutlingen, Deutschland) sowie der Codon-AG (Teltow, Deutschland).

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