Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Medikamentöse Therapie der Gonarthrose – besondere Aspekte der neuen Leitlinie

Inwiefern Glucosamin und Chondroitinsulfat zur Gruppe der DMOADs (Disease Modifying OsteoArthritis Drugs) zählen und daher strukurmodifizierend bzw. chondroprotektiv wirken, wird kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse sind teilweise widersprüchlich, und der sichere klinische Nachweis fehlt. Während einige Studien und Metaanalysen für Glucosamin und/oder Chondroitinsulfat alleine oder kombiniert angewendet eine strukturmodifizierende Wirkung feststellten [50, 51, 52, 53], konnten andere dies nicht bestätigen [54, 55].

Ausblick

Eine Arthrose wird heute nicht mehr als Tribut an das Altern und als Schicksal hingenommen, vielmehr will der alternde Mensch bis ins hohe Alter körperlich voll leistungsfähig und mobil bleiben. Dieser verständliche Wunsch bedeutet für die Arzneimitteltherapie der Arthrose die Erfüllung hoher Anforderungen: So soll unter der Vielzahl der Arzneimittel das zu dem einzelnen Patienten optimal passende Arzneimittel verordnet werden, wobei dieses möglichst kausal wirkt und nur geringe oder am besten keine Nebenwirkungen hervorruft.

Zwar wurden in den letzten Jahrzehnten bereits erhebliche universitäre, aber vor allem industrielle Forschungsanstrengungen unternommen, um besser verträgliche Antiphlogistika sowie neue antiarthrotisch wirksame Basistherapeutika zu entwickeln. Jedoch hat bis heute weder in Europa noch in den USA ein chondroprotektiv wirksamer Arzneistoff eine entsprechende Zulassung erhalten. Eine mögliche Ursache ist hierbei die zu späte Diagnose der Arthrose, wobei aufgrund der bereits vorliegenden Knorpelschädigung rein mechanisch mögliche chondroprotektive Effekte eines Arzneistoffs umgehend zunichte gemacht werden. Derzeit bereitet die Diagnose des Arthrosebeginns, der frühen symptomlosen Phasen des Degenerationsprozesses sowie der Intensität und Progression der Arthrose noch erhebliche Schwierigkeiten. Zudem ist auch noch die quantitative objektive Bewertung von arthrotischen Knorpelschäden problematisch. Diese drängenden Forschungsprobleme müssen jedoch noch gelöst werden, bevor eine kausale Therapie der Arthrose möglich ist.

Um die heute möglichen Therapieoptionen zu optimieren, sind weitere Studien notwendig. Studien, in denen ältere Patienten bewusst mit untersucht werden, sollten angesichts des hohen Arzneimittelverbrauchs im Alter die Regel werden. Auch fehlen Studien, in denen die Salze Glucosaminsulfat direkt mit Glucosaminhydrochlorid verglichen werden. Ebenso ist es für die praktische Verordnung sehr hilfreich zu wissen, welche intraartikuläre Injektionshäufigkeit von HA bei welchem Patienten tatsächlich notwendig ist. Für die Verordnungspraxis ist ebenfalls äußerst interessant zu erforschen, wie stark und wie lange verschiedene HA-Präparate bei direktem Vergleich innerhalb einer Studie wirken. Die Durchführung direkt vergleichender Studien sollte jedoch nur durch öffentliche Gelder finanziert werden ähnlich wie z.B. die GAIT-Studie durch das NIH [56], wodurch vor allem die Akzeptanz der Ergebnisse erhöht wird.

Zur Therapie der Arthrose werden Präparate angeboten, die Teufelskralle, Brennesselkrautextrakt oder Weihrauch [57] enthalten. Die bis heute vorliegenden, zum Teil offenen und/oder kleinen Studien und Anwendungsbeobachtungen können aufgrund methodischer Mängel nicht als Nachweis für eine Wirksamkeit angesehen werden [57]. Hier besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Die neue AWMF-Gonarthrose-Leitlinie [5] konnte nur für Beinwellextrakt-Gel eine ausreichende Evidenzlage finden für eine schmerzlindernde Wirkung. Angesichts der großen Beliebtheit von Phytopharmaka sowie ihres Potenzials, den Verbrauch an NSAR zu senken, sind weiterführende, hochwertig durchgeführte, durch öffentliche Gelder finanzierte, klinische Studien dringend notwendig. Hierdurch werden Phytopharmaka erst objektiv klinisch pharmakologisch bewertet und können dann solide evidenzbasiert in den pharmakotherapeutischen Algorithmus der Arthrose eingeordnet werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Jürgen Steinmeyer

Labor für Experimentelle Orthopädie Orthopädische Universitätsklinik

Justus-Liebig-Universität Gießen

Paul-Meimberg-Str. 3

35392 Giessen

Juergen.Steinmeyer@ortho.med.uni-giessen.de

Literatur

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2. Steinmeyer J, Konttinen YT: Oral treatment options for degenerative joint disease--presence and future. Adv Drug Deliv Rev 2006; 58: 168–211

3. Grandt D, Schubert I: Arzneimittelreport 2016. Analysen zur Arzneimitteltherapie und Arzneimitteltherapiesicherheit. In: Barmer GEK (Hrsg.): Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse. Berlin: Asgard Verlagsservice GmbH, 2016, Bd. 39

4. Beglinger C: Ethics related to drug therapy in the elderly. Dig Dis 2008; 41: 1411–1426

5. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): S2k-Leitlinie Gonarthrose. Registernummer 033–004, Stand 18.01.2018, unter: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/033–004.html (abgerufen am 20.03.2018)

6. NICE National Institute for Health and Care Excellence: Osteoarthritis: care and management. Clinical guideline. Publiziert am 12.02.2014, unter: http://www.nice.org.uk/guidance/cg177/resources/osteoarthritis-care-and-management-35
109757272517 (abgerufen am 20.03.2018)

7. McAlindon TE, Bannuru RR, Sullivan MC et al.: OARSI guidelines for the non-surgical management of knee osteoarthritis. Osteoarthritis Cartilage 2014; 22: 363–88

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9. da Costa BR, Reichenbach S, Keller N et al.: Effectiveness of non-steroidal anti-inflammatory drugs for the treatment of pain in knee and hip osteoarthritis: a network meta-analysis. Lancet 2016; 387: 2093–105

10. Machado GC, Maher CG, Ferreira PH et al.: Efficacy and safety of paracetamol for spinal pain and osteoarthritis: systematic review and meta-analysis of randomised placebo controlled trials. BMJ 2014; 350: h1225

11. Stamer, UM, Gundert-Remy U, Biermann E et al.: Metamizol – Überlegungen zum Monitoring zur frühzeitigen Diagnose einer Agranulozytose. Schmerz 2017; 31: 5–13

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