Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Metatarsalgie

Jörn Dohle1

Zusammenfassung: Unter Metatarsalgie werden Erkrankungen und Verletzungen des Vorfußes zusammengefasst, die zu Schmerzen unter dem zentralen Vorfuß, insbesondere unter den Metatarsale 2–4 führen. Unter einer strukturellen Metatarsalgie werden Krankheitsbilder verstanden, bei denen eine Schädigung der Struktur im Vordergrund steht. Hier sind vor allem das Morton-Neurom, eine Ermüdungsfraktur, eine entzündliche Gelenkerkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis und eine avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose zu nennen. Bei einer biomechanischen Metatarsalgie stehen die Veränderungen der Biomechanik im Vordergrund. Strukturelle Schäden, wie z.B. eine kontrakte Hammerzehe oder eine Destruktion der plantaren Fibrocartilago des Kleinzehengrundgelenks (plantare Platte) treten erst in einem fortgeschrittenen Stadium auf. Neben Kenntnissen von Anatomie und Biomechanik ist die Identifikation der Ursachen für die Diagnostik und Therapie der Metatarsalgie von zentraler Bedeutung. Dabei sind Kleinzehe und Zehengrundgelenk immer als Funktionseinheit zu betrachten.

Schlüsselwörter: Metatarsalgie, Biomechanik, Hammerzehe, Morton-Neurom, Ermüdungsfraktur, M. Freiberg-Köhler

Zitierweise
Dohle J: Metatarsalgie.
OUP 2016; 12: 684–691 DOI 10.3238/oup.2016.0684–0691

Summary: Metatarsalgia is defined as pain under the metatarsal heads, especially the 2nd to 4th metatarsal. Metatarsalgia can further be classified into biomechanic or structural metatarsalgia. Different entities can result in structural changes causing Metatarsalgie: Morton-Neuroma, a fatigue fracture of a metatarsal bone, monarthritis of a Metatarsophalangeal joint, degenerative changes after avascular necrosis of the metatarsal head. Biomechanic metatarsalgia is caused by alterations in the biomechanics of the forefoot especially the metatarsophalangeal joint. Structural changes like a hammertoe deformity or a rupture of the plantar plate may develop in advanced stages. Treatment concepts have to take the specific deficit into account. It is important to understand that lesser toes and the metatarsophalangeal joint constitute a functional entity.

Keywords: metatarsalgia, biomechanics, hammer toe,
Morton Neuroma, fatigue fracture, Freibergs disease

Zitierweise
Dohle J: Metatarsalgia.
OUP 2016; 12: 684–691 DOI 10.3238/oup.2016.0684–0691

Begriffsbestimmung

Nach Wülker und Schulze, Fachlexikon für Orthopädie, wird unter Metatarsalgie „Schmerzen unter dem Vorfuß, insbesondere unter dem 2. bis 4. Metatarsale“ verstanden [30]. Die Metatarsalgie ist demnach durch die Kombination von Schmerzen als Symptom mit einer typischen Lokalisation, dem zentralen Vorfuß, definiert.

Je nach Ursache der Schmerzen kann weiter in 2 Hauptgruppen der Metatarsalgie differenziert werden (Abb. 1):

Strukturelle Metatarsalgie

Biomechanische Metatarsalgie

Bei der strukturellen Metatarsalgie steht eine strukturelle Erkrankung des Bewegungsapparats im Vordergrund. Typische Entitäten dieser Gruppe sind:

Eine rheumatische Erkrankung des Vorfußes

Ein Morton-Neurom

Morbus Freiberg-Köhler

Ermüdungsfraktur des Metatarsale

Anlagebedingte Malformationen des Skelettsystems

Bei der „biomechanischen Metatarsalgie“ stehen Störungen der Biomechanik im Vordergrund. Es handelt sich im Wesentlichen um Störungen der Funktionseinheit aus Kleinzehengrundgelenk und Kleinzehe.

Die Einteilung in strukturelle und biomechanische Metatarsalgie ist in gewisser Weise artifiziell. Bei einer strukturellen Metatarsalgie kommt es im Verlauf der Erkrankung naturgemäß auch zu einer Störung der Biomechanik. Ebenso führt die biomechanische Metatarsalgie mit der Zeit zu einer strukturellen Schädigung der skelettären Elemente. Exemplarisch seien für Letzteres die Ruptur der plantaren Platte und die Ausbildung einer kontrakten Hammerzehe genannt, die sich mit der Zeit auf einer flexiblen Hammerzehe entwickeln kann. In der Frühphase der Pathologie liegt u.U. nur eine beginnende flexible Hammerzehe vor, die noch keine nennenswerte Schädigung der Struktur erkennen lässt, wogegen es mit der Zeit zu einer zunehmenden Fehlstellung mit Schädigung der anatomischen Struktur kommen kann.

Klinische Symptomatik

Auch wenn per Definition bei der Metatarsalgie Schmerzen als Symptom vorliegen müssen, muss der Schmerz nicht unbedingt kardinales Symptom sein und für den Patienten subjektiv im Vordergrund stehen. Manchmal wird auch die Fehlstellung der Zehe als störend empfunden.

Diagnostik

Bei der klinischen Untersuchung sollte zunächst herausgearbeitet werden, welche Schädigung im Detail vorliegt. Dabei ist eine systematische Untersuchung des gesamten Fußes unverzichtbar, die mit Erhebung der Anamnese und einer orientierenden Betrachtung des Gangbilds am halb entkleideten Patienten beginnt. Besondere Bedeutung kommt der Analyse der Funktion der Kleinzehen zu. Liegt eine Zehendeformität vor und haben die Zehenkuppen im entspannten Stand einen Bodenkontakt? Ist eine Plantarflektion mit aktivem Bodenkontakt der Zehenkuppe möglich? Bei der weiteren Untersuchung muss zunächst die Frage beantwortet werden, ob es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Problem des Metatarsophalangealgelenks handelt oder eher ein Problem des intermetatarsalen Zwischenraums. Bei der Untersuchung des Metatarsophalangealgelenks sollte dem Stabilitätstest besondere Bedeutung beigemessen werden. Instabilitäten oder gar Luxationen des Zehengrundgelenks können bereits klinisch zuverlässig diagnostiziert werden (Abb. 2).

Nach der klinischen Untersuchung schließt sich eine radiologische Diagnostik an. Als Standard ist mittlerweile die Röntgenaufnahme des Fußes in 2 Ebenen im entspannten beidbeinigen Stand akzeptiert [25]. Während sich Fehlstellungen der Zehe in der Sagittalebene radiologisch nur sehr eingeschränkt erfassen lassen, sind strukturelle Veränderungen der Metatarsalia in aller Regel gut erkennbar. Eine eventuell vorhandene Luxation oder Subluxation der Zehe im Grundgelenk oder Fehlstellung der Zehe in der Transversalebene lassen sich radiologisch gut differenzieren. Sämtliche Veränderungen des zentralen Vorfußes sind immer im Kontext einer Pathologie des ersten Vorfußstrahls und auch des Rückfußes zu bewerten.

Jegliche Therapie muss gezielt auf die zugrunde liegende Pathologie abgestimmt sein. Dies gilt auch für nicht-operative Behandlungen, wie z.B. Injektionen oder eine Einlagenversorgung.

Strukturelle Metatarsalgie

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6