Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Metatarsalgie

Von Smillie wurden bereits 1957 4 Stadien der Erkrankung beschrieben (Abb. 4). Ohne Behandlung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer kontinuierlichen Progredienz vom Initialstadium über die Ausbildung einer Impressionsfraktur der subchondralen Spongiosa bis zum Bild einer sekundären Arthrose des Metatarsophalangealgelenks zu rechnen. Die operative Behandlung muss sich dabei nach dem Ausmaß der strukturellen Schädigung des Metatarsaleköpfchens richten. Bei noch weitgehend intakter Knorpelschicht sollte eine Rekonstruktion des knöchernen Widerlagers erfolgen. Ist dies nicht mehr möglich, ist ein Debridement des Gelenks mit Entfernung eventuell vorhandener freier Gelenkkörper durchzuführen. Welche Form der Gelenkrekonstruktion im Anschluss an das Debridement erforderlich ist, hängt letztendlich vom Ausmaß des Knorpeldefekts ab. Bei kleineren Defekten ist eine Arthroplastik ausreichend. Liegen größere Defekte vor, empfiehlt sich eine extendierende subkapitale Osteotomie. Dabei macht man sich das typische Lokalisationsmuster der Nekrose zunutze, die im steckseitigen distalen Anteil des Metatarsaleköpfchens liegt. Die plantaren Gelenkanteile sind in der Regel noch intakt und werden bei normaler Belastung des Fußes nicht belastet. Durch eine extendierende Keilosteotomie werden somit die noch intakten Knorpelareale in den apikalen Sektor des Metatarsaleköpfchens verschoben. Dieses Verfahren wurde bereits 1978 von Gauthier beschrieben und seitdem von zahlreichen Autoren als wirksam bestätigt. [5, 10, 18, 24, 27] Die extendierende subkapitale Osteotomie des distalen Os metatarsale verursacht eine deutliche Verkürzung des Metatarsale, was im Bereich von MFK2 häufig als positiver Nebeneffekt betrachtet wird, im Bereich von MFK3 selten zu erheblichen Problemen führt (Abb. 5).

Metatarsale Ermüdungsfraktur

Metatarsale Ermüdungsfrakturen fallen klinisch häufig durch akut einsetzende starke Schmerzen in Kombination mit einer Schwellung des zentralen Vorfußes auf. Bei klinischer Untersuchung kann das Punktum maximum der Druckempfindlichkeit im Bereich des distalen Os metatarsale lokalisiert werden. Radiologisch ist gelegentlich eine zarte Frakturlinie erkennbar. Ein initial unauffälliges Röntgenbild spricht aber keinesfalls gegen eine Ermüdungsfraktur, sondern ist eher die Regel. Im weiteren Verlauf lässt sich die Diagnose unschwer anhand der dann einsetzenden Kallusbildung stellen (Abb. 6). Gelegentlich kann die Kallusbildung, insbesondere wenn keine Frakturlinie erkennbar ist, mit einem periostalen Knochentumor verwechselt werden. Die Kombination aus Anamnese und rascher „Ausreifung“ der Kallusformation im Röntgenbild mit rückläufigen Beschwerden, lässt allerdings mit hinreichender Sicherheit auf den benignen Charakter der Ermüdungsfraktur schließen. Lassen Anamnese, klinischer Befund und Röntgenbild nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine Diagnose schließen, empfiehlt sich die Anfertigung einer Kernspintomografie. Bevorzugt betroffen sind das 2. und 3. Os metatarsale. Die Ermüdungsfraktur entwickelt sich meist in der distalen Diaphyse. Meistens kommt es zu einer stabilisierenden Kallusbildung und damit zur spontanen Ausheilung der Ermüdungsfraktur. Wesentlich ist die Modifikation respektive Reduktion der Belastung, die von einer schuhtechnischen Versorgung (Sohlenversteifung mit Abrollhilfe) und einer analgetischen Medikation begleitet werden kann [1]. Liegt dagegen eine Fraktur des proximalen Metatarsale vor, ist mit einem deutlichen Pseudarthroserisiko zu rechnen, sodass eine konsequente Entlastung ratsam ist. Dies gilt insbesondere für Ermüdungsfrakturen des proximalen MFK5 [9].

Biomechanische
Metatarsalgie

Pathoanatomie

Zehe und Zehengrundgelenk bilden eine Funktionseinheit. Bei der Betrachtung der Biomechanik der Zehe, einschließlich Grundgelenk, ist dem Funktionswandel des Fußes vom Greif- zum Standorgan zentrale Bedeutung beizumessen. Im plantigraden Stand führt die Anspannung der langen und kurzen Beugesehnen zu einer Flexion im distalen bzw. proximalen Interphalangealgelenk der Zehe. Da die Zehen, anders als die Finger der Hand, nicht nach plantar ihre Position im Raum verändern können, sondern im Boden ein stabiles Widerlager finden, kommt es zu einer Extensionsbewegung im Zehengrundgelenk. Funktionell sind die Zehenbeuger damit im Stand hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Zehengrundgelenk Extensoren. Die langen und kurzen Strecksehnen haben weiterhin und damit zusätzlich uneingeschränkt extendierende Wirkung auf das Zehengrundgelenk. Der Funktionswandel des Fußes vom Greif- zum Standorgan führt somit zu einer strukturellen Imbalance zwischen schwachen Flexoren und überaus kräftigen Extensoren des Zehengrundgelenks. Lediglich die intrinsische Fußmuskulatur übt ein Flexionsmoment auf das Zehengrundgelenk aus (Abb. 7a–b). Kommt es allerdings zu einer ausgeprägten Extensionsfehlstellung im Zehengrundgelenk, dislozieren die Sehnen der intrinsischen Fußmuskulatur nach streckseitig über das Drehzentrum des Zehengrundgelenks und verlieren dann ebenfalls ihre Beugewirkung [6, 7].

Neben den aktiven Kräften, die in Form von Muskulatur und Sehnen auf das Zehengrundgelenk wirken, sind die passiven Kräfte zu berücksichtigen. Hier ist vor allem die passive Dorsalextension durch die Abrollbewegung des Fußes über die metatarsophalangeale Gelenklinie zu nennen. Zu einer passiven Plantarflexion im Zehengrundgelenk führt der sogenannte inverse Windlass-Mechanismus (Abb 7). Zu dessen Verständnis sei zunächst der „normale“ Windlass-Mechanismus erläutert.

Unter dem „normalen“ Windlass-Mechanismus wird die Verspannung der Plantarfaszie/Plantaraponeurose von Ferse bis Zehe verstanden. Bei Dorsalextension im Zehengrundgelenk wird die Spannung im mittleren Anteil der Palantaraponeurose erhöht, was zu einer Verstärkung der medialen Fußwölbung führt. Im Übergang vom unbelasteten Fuß, z.B. in der Schwungphase des Beins, zum belasteten Fuß kommt es zu einer Abflachung der medialen Fußwölbung. Der Abstand zwischen Ursprung der Plantarfaszie am Tuber calcanei und Zehengrundgelenk nimmt zu, sodass dann durch die Plantaraponeurose eine Plantarflektion im Zehengrundgelenk bewirkt wird. Dieser Vorgang wird nach Stainsby und Hicks als „inverser Windlassmechansimus“ bezeichnet [28] (Abb. 8). Ist der inverse Windlass-Mechanismus z.B. durch eine Ruptur der plantaren Platte unterhalb des Zehengrundgelenks gestört und damit insuffizient, kommt es zu einer unzureichenden Plantarisierung der Zehe im Stand, was zum klinischen Bild einer schwebenden Zehe (lloating toe) führt.

Behandlung der biomechanischen Metatarsalgie

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