Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Metatarsalgie

Aus dem Bereich der strukturellen Metatarsalgie seien aufgrund der Häufigkeit und der Relevanz für den klinischen Alltag 4 Entitäten hervorgehoben:

  • 1. Das Morton-Neurom,
  • 2. die rheumatische Vorfußdeformität,
  • 3. die avaskuläre Knorpel-Knochennekrose des Metatarsalköpfchens (M. Freiberg-Köhler) und
  • 4. die Ermüdungsfraktur.

Morton-Neurom

Als Morton-Neurom wird eine Verdickung des plantaren Interdigitalnerven unter dem Ligamentum transversum profundum bezeichnet. Die Verdickung ist dabei Folge einer reaktiven Fibrose des endoneuralen Bindegewebes. (Abb. 3) Im Gegensatz zum Neurinom, einem gutartigen Neoplasma des Nervs, hat das Morton-Neurom keine autonomen Wachstumstendenzen. Thomas Morton gilt im deutschen und angloamerikanischen Sprachraum als Erstbeschreiber, auch wenn in der Originalarbeit von 1876 von einer „neuralgic affection of the 4th metatatsophalangeal joint“ die Rede ist und die Pathologie eines Neuroms damit nur unscharf beschrieben wird [22]. Beim Morton-Neurom handelt es sich dezidiert um eine Veränderung des Nervs, die von einer Pathologie des Metatarsophalangealgelenks abgegrenzt werden muss. Nach einer Statistik von Mann und Reynolds liegt als typische Symptomatik ein plantarer Schmerz (95 %) mit Ausstrahlung in eine oder zwei benachbarte Zehen (46 %) vor. Eine Sensibilitätsstörung im Zehenzwischenraum entwickelt sich dagegen nur äußerst selten (3 %). Hinsichtlich der Lokalisation ist vor allem der 3. plantare Interdigitalnerv, in geringerem Ausmaß auch der 2. plantare Interdigitalnerv betroffen. Ob überhaupt Morton-Neurome der 1. und 4. plantaren Interdigitalnerven existieren, ist nicht abschließend geklärt, sie sind in jedem Fall als extreme Raritäten zu bezeichnen [29, 20].

Wird ein Morton-Neurom als Ursache für die Beschwerden des Patienten vermutet, besteht die konservative Behandlung zunächst aus einer mechanischen Entlastung, durch eine Einlage. Ergänzend kann eine lokale Infiltration eines Lokalanästhetikums mit Zusatz eines Depot-Kortikoids durchgeführt werden. Der Effekt der Lokalanästhesie hat, bei nachfolgender Belastung des Fußes, eine zusätzliche diagnostische Aussagekraft. Im negativen Falle, wenn nach Infiltration mit einem Lokalanästhetikum nicht einmal kurzfristig eine deutliche Reduktion der Beschwerden erzielt werden kann, wird die Diagnose eines Morton-Neuroms dadurch unwahrscheinlich. Leider ist nur eine geringe Anzahl der Patienten mit Morton-Neurom dauerhaft durch nicht-operative Maßnahmen erfolgreich zu behandeln. In fußchirurgischen Kreisen wird davon ausgegangen, dass ca. 70–80 % der Morton-Neurome operativ entfernt werden müssen um eine befriedigende schmerzfreie Belastbarkeit des Fußes zu erreichen.

In der Regel wird das Morton-Neurom reseziert. Die daraus resultierende Gefühlsminderung im Bereich des Zehenzwischenraums verursacht selten nennenswerte Probleme, zumal im Bereich der Zehenkuppe eine überlappende nervale Versorgung vorliegt, sodass im Bereich der Zehenkuppe ausreichend Sensibilität verbleibt. Die Resektion des Morton-Neuroms kann dabei über einen plantaren oder einen dorsalen Zugang erfolgen [13, 17].

Sind 2 benachbarte plantare Interdigitalnerven betroffen, ist eine Resektion beider Nerven wegen der daraus resultierenden Taubheit der Zehenkuppe zu vermeiden. Nach Exploration beider Nerven sollte nur der stärker veränderte Nerv reseziert werden, wogegen beim weniger ausprägt veränderten Nerven lediglich eine Neurolyse durchgeführt wird. Hier ist die Durchtrennung des Ligamentum transversum profundum mit Verlagerung des Nervs nach dorsal das entscheidende Manöver.

Rheumatische Vorfußdeformität

Entzündlich rheumatische Erkrankungen können sämtliche Regionen des Skelettsystems befallen. Während bei einer fortgeschrittenen Erkrankung mit Affektion multipler Gelenke die rheumatische Erkrankung als Ursache unzweifelhaft feststeht, kann dies in der Frühphase unklar sein. Prodromalphasen mit temporärem Befall eines Gelenks, im Sinne einer Monarthritis, sind nicht unüblich. Dass es sich dabei um das erste Symptom einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis handelt, ist oft erst retrospektiv bei Voranschreiten der Erkrankung mit hinlänglicher Sicherheit zuzuordnen. Umgekehrt formuliert kann eine Metatarsalgie durchaus durch eine Monarthritis eines Metatarsolphalangealgelenks verursacht werden, die Erstmanifestation einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis ist. Die diagnostische Problematik besteht häufig darin eine Monarthritis ätiologisch zuzuordnen. Hinsichtlich der Therapie wäre bei einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung zunächst eine intraartikuläre Kortikoidinjektion mit einer Verlaufsbeobachtung möglich. Wird die Monarthritis aber mechanisch durch eine Überlastung oder Instabilität verursacht, wäre eine Kortikoidinjektion kontraproduktiv, da sie den Schmerz als Schutzreflex unterbinden würde und somit den Weg für eine weitere Schädigung des Gelenks bereiten würde. Im klinischen Alltag sollte die Anzahl der Kortikoidinjektionen deshalb streng limitiert werden, bis die Ursache der Monarthritis festgestellt ist.

Arthrose Zehengrundgelenk

Während idiopathische Arthrosen des Großzehengrundgelenks häufig anzutreffen sind, ist unklar, ob idiopathische Arthrosen des Kleinzehengrundgelenks überhaupt existieren. Von einigen Autoren wird unterstellt, dass es sich bei Arthrosen eines Kleinzehengrundgelenks in der Regel um eine sekundäre Arthrose handelt, die Folge eines Traumas, einer rheumatischen Erkrankung oder Spätfolge einer avaskulären-Knorpel-Knochen-Nekrose sind.

Morbus Freiberg-Köhler

Die avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose eines distalen Os metatarsale wird auch als Morbus Freiberg-Köhler bezeichnet. Freiberg beschrieb 1914 6 Fälle einer Infraktion des zweiten Os metatarsale und hielt dies für eine Unfallfolge. Die größte in der Literatur beschriebene Fallserie wurde 1979 von Gauthier veröffentlich (n = 88). In ca. zwei Drittel der Fälle war das 2. Metatarsale, in ca. einem Drittel der Fälle das 3. Metatarsale betroffen. Nur vereinzelt wurden Osteonekrosen des 4. oder 5. Metatarsale beobachtet, die somit als Raritäten bezeichnet werden müssen. Gauthier fand unter 88 Fällen nur 5 bilaterale und keinen Fall mit mehr als einer „Freiberg‘s infraction“ pro Fuß. Zu 92 % waren Frauen betroffen. Erst mit Einführung der Kernspintomografie wurde eine Osteonekrose als Ursache für den Einbruch des dorsalen Metatarsaleköpfchens identifiziert, deren Ursache und Genese selbst aber weiterhin unklar bleiben.

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