Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Metatarsalgie

Bei der Behandlung einer biomechanischen Metatarsalgie, insbesondere bei operativen Korrekturen, sind Zehengrundgelenk und Zehe immer als Funktionseinheit zu verstehen. Bedingt durch den Funktionswandel des Fußes vom Greif- zum Standorgan kommt es zu einem inhärenten Defizit der aktiven Beuger im Zehengrundgelenk. Weiterhin ist das Zehengrundgelenk, insbesondere dessen plantare Gelenkanteile, bei der Abrollbewegung des Fußes starken Belastungen ausgesetzt. Durch repetitive Überlastung kann es schließlich zu einer Schädigung der „plantaren Platte“ kommen, was sich klinisch in einer Instabilität des Zehengrundgelenks äußert.

Eine kausale Therapie besteht zunächst in einer Reduktion der Belastung durch eine schuhtechnische Versorgung. Patientinnen sind hinsichtlich der Absatzhöhe des Schuhwerks zu beraten. Wann immer möglich, sollte ein bequemer Schuh mit einer Einlage zum Einsatz kommen.

Bei persistierenden Beschwerden, trotz optimierter schuhtechnischer Versorgung, ist eine operative Rekonstruktion in Erwägung zu ziehen.

Diese besteht in der Regel aus folgenden Elementen:

Korrektur der Kleinzehendeformität

Stabilisierung des Kleinzehengrundgelenks

Beide Elemente bedingen sich gegenseitig, d.h. eine Korrektur einer Hammerzehe, z.B. durch eine PIP-Arthrodese oder durch einen Beugesehnentransfer, hat auch eine stabilisierende Wirkung auf das Zehengrundgelenk. Ebenso hat eine Rekonstruktion der plantaren Platte des Kleinzehengrundgelenks korrigierende Wirkung auf eine Fehlstellung der Zehe.

Korrektur von Kleinzehendeformitäten

Die Behandlungsoptionen bei Kleinzehendeformitäten wurden bereits im vorausgehenden Artikel detailliert beschrieben (S. 679 ff). Die operative Strategie wird danach ausgerichtet, ob es sich um eine flexible oder kontrakte Deformität handelt und ob eine Verkürzung der Zehen zur Anpassung des Zehenalignments gewünscht wird.

Pathologie des
Metatarsophalangealgelenks

Verliert die Zehenkuppe den Bodenkontakt lässt dies auf eine gravierende Pathologie im Zehengrundgelenk schließen.

Anhand der klinischen Untersuchung können meistens schon Art und Ausmaß der Schädigung des Kleinzehengrundgelenks bestimmt werden. Die Schädigung der Stabilisatoren folgt einer typischen Sequenz. Initial kommt es meist zu einer Extensionsfehlstellung im Kleinzehengrundgelenk mit repetitiver Überlastung und Schädigung der plantaren Gelenkkapsel/plantaren Platte. Bei zunehmender Destruktion der plantaren Platte resultiert eine Instabilität, die zumindest initial von einer Synovitis des Kleinzehengrundgelenks begleitet wird. Aus der Instabilität kann sich im weiteren Verlauf eine Subluxation und schlussendlich eine Luxation des Kleinzehengrundgelenks entwickeln. Ursächlich sind ein anhaltenden Zug mit Wirkung auf die Basis der Kleinzehe über die Streckaponeurose bei unzureichenden plantarflektierenden Kräften. Kommt es zum Vollbild der Luxation, „reitet“ die Basis des Zehengrundglieds auf dem Metatarsaleköpfchen und übt Druck aus. Man könnte auch von einem in Extension fixierten Windlass-Mechanismus sprechen. Diese schmerzhafte Überlastung kann nur selten durch Einlagen adäquat abgefangen werden und erfordert in der Regel eine operative Reposition. Eine Luxation einer Kleinzehe im Grundgelenk ist in der Regel mit einer erheblichen Verkürzung der periartikulären Weichteile verbunden, weshalb eine Reposition fast immer mit einer Verkürzung der knöchernen Strukturen, z.B. durch eine Weil-Osteotomie kombiniert werden muss. Dies wurde von Barouk auch als „longitudinale Dekompression“ bezeichnet [2].

Die Instabilität des Kleinzehengrundgelenks kann in 3 Stadien eingeteilt werden:

  • Der Normalzustand wird als Stadium 0 bezeichnet.
  • Stadium I entspricht einer Instabilität bei noch zentriertem Gelenk im belasteten und unbelasteten Zustand.
  • Im Stadium II kommt es zu einer Subluxation der Zehe, wobei eine manuelle Reposition möglich ist.
  • Im Stadium III liegt eine Luxation der Zehe im Grundgelenk vor. Eine weitere Unterteilung des Stadium III in 3 Untergruppen ist sinnvoll (Tab. 1):

IIIa Luxation, aber Gelenk manuell reponierbar,

IIIb Luxation, Gelenk manuell nicht reponierbar,

IIIc Luxation mit sekundärem Knochendefekt.

Die Therapie einer Instabilität muss sich nach dem Ausmaß der Pathologie richten! Im Sinne einer rekonstruktiven Fußchirurgie muss zunächst die Luxation des Kleinzehengrundgelenks reponiert werden. Dazu ist nicht selten ein erhebliches Weichteilrelease erforderlich. Nach der Reposition ist eine dauerhafte Stabilisierung des Kleinzehengrundgelenks erforderlich. Ein alleiniges Weichteilrelease ist mit einem hohen Risiko einer frühzeitigen Reluxation verbunden. In diesem Kontext ist der Naht der plantaren Gelenkkapsel, im klinischen Jargon auch „plantare Platte“ genannt, zunehmende Bedeutung beizumessen (Plantar Plate Repair). Die Naht der plantaren Platte, im angloamerikanischen Schrifttum als „Plantar Plate Repair“ bezeichnet, kann entweder über einen direkten plantaren Zugang erfolgen [3, 4, 8, 14] oder über einen dorsalen Zugang durchgeführt werden [26, 12, 23]. Der dorsale Zugang wird typischerweise mit einer Weil-Osteotomie kombiniert. Nach der Reposition und anschließender Weil-Osteotomie, wird das Metatarsaleköpfchen nach proximal verschoben und dort temporär mit einem K-Draht fixiert. Ein weiterer K-Draht wird in das Grundglied eingebracht, sodass mit einem Drahtspreizer eine Distraktion zur Darstellung der plantaren Platte von dorsal ausgeübt werden kann.

Im nächsten Schritt muss Art, Ausdehnung und Form der Schädigung der plantaren Platte beurteilt werden (Abb. 9a-c). Neuere MRT-Untersuchungen haben bestätigt, dass sich Rupturen der plantaren Platte vorzugsweise ansatznah im Übergang zur plantaren Basis des Grundgliedes entwickeln [15, 31, 16, 21].

Liegt eine derartige Ruptur vor, ist eine transossäre Refixation der plantaren Platte möglich (Abb. 10 a und b) Insgesamt handelt es sich um ein technisch sehr aufwändiges Verfahren mit einer entsprechenden „Lernkurve“. Klinische Ergebnisse liegen, z.B. allenfalls als Frühergebnisse vor.

Als Vorteile des Verfahrens können hervorgehoben werden, dass …

eine Kombination mit einer Korrektur des Metatarsalen Alignments möglich ist,

den Patienten eine rasche Belastung des operierten Fußes erlaubt werden kann, da die Fußsohle intakt bleibt,

die direkte Naht der plantaren Platte dagegen mehr dem Konzept einer Restitutio ad integrum entspricht.

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