Übersichtsarbeiten - OUP 02/2022

Partielle und vollständige, kleine bis mittelgroße Rotatorenmanschettenrisse
Was ist wesentlich, um mit der arthroskopischen Chirurgie optimale Rekonstruktionen zu erzielen?

Bezgl. der mittelfristigen Ergebnisse einer konservativen Therapie ist zu bedenken, dass es sich meist um eine vorübergehende Symptombesserung handelt, bei der eine Restitutio ad integrum bzw. eine Spontanheilung als unwahrscheinlich anzusehen ist. Ebenso zeigen auch nicht adäquate Operationsverfahren wie bspw. subakromiale Dekompressionen u./o. Sehnendebridements, in bildgebenden und histologischen Verlaufsuntersuchungen keine Heilung. Hingegen sind experimentelle und auch klinisch-radiologische Verlaufsuntersuchungen, die eine hohe Chance für eine Befundverschlechterung von Sehnenschäden bis hin zu irreparablen Schäden und erheblichen Funktionseinschränkungen nachweisen, nicht von der Hand zu weisen [76, 86]. Dies trifft sowohl für vollständige als auch für partielle Rupturen zu [13, 20, 25, 30]. So ist bei einer prolongierten konservativen Therapie zu bedenken, dass sich symptomatische und sogar mittlerweile symptomfreie Partialrupturen häufig zu Komplettrupturen ausdehnen können. Zudem können sich Komplettrupturen im Verlauf signifikant vergrößern [31, 86].

Ziel und Nutzen
der operativen Therapie

Ziel operativer Maßnahmen ist die anatomische Rekonstruktion der gerissenen Sehnen. Damit ist die Ursache für die beschriebene Pathophysiologie behoben. Die Chancen, dass dies funktioniert, hängt von der Reparabilität der Sehnen, der Knochenqualität aber auch von der Expertise des Operateurs ab. So hängt der Erfolg einer arthroskopischen Rekonstruktion zum einem davon ab, wie weit Folgeschäden, wie bspw. eine Muskelatrophie u./o. Muskelverfettung und eine Sehnenretraktion fortgeschritten sind [68]. Zum anderen zeigte eine aktuelle Arbeit aus dem J Shoulder Elbow Surgery, dass sich mit zunehmender Erfahrung und Lernkurve mit der arthroskopischen Manschettenrekonstruktion gegenüber weniger erfahrenden Kollegen signifikant bessere klinische Outcomes und sogar signifikant niedrigere Reruptur-Raten finden [39]. Sind entsprechende Voraussetzungen gegeben, so zeigen prospektiv randomisierte Studien nach Rekonstruktionen der Rotatorenmanschette nach 12 Monaten weitaus bessere klinische Ergebnisse mit signifikant höheren Outcome Scorings als die konservativen Therapie [50]. Auch im Langzeit-Follow-up nach 10 Jahren zeigte die primäre Sehnenrekonstruktion kleiner und mittelgroßer Rupturen wiederum anhaltend bessere Ergebnisse und Outcomescorings als eine verzögerte, erst nach erfolgloser Physiotherapie stattgehabten Rekonstruktion [49]. Ebenso zeigt eine aktuelle Metaanalyse bei Partialrupturen unter Verwendung verschiedener Methoden zur arthroskopischen Naht exzellente Ergebnisse und niedrige Komplikationsraten [55]. Auch bei sehr großen, partiell irreparablen Manschettenschäden sind, egal ob es sich um posterosuperiore, anterosuperiore, oder gar um Schäden aller Sehnenanteile handelt, mit einer arthroskopischen Operation erfahrungsgemäß aber auch entsprechend der Studienlage noch vglw. gute Ergebnisse erzielbar. Hierbei handelt es sich um unvollständige arthroskopische Rekonstruktionen, sog. Partialrekonstruktion, die trotz der primär nur teilweise reparablen Situation durchaus noch gute klinische Ergebnisse aufweisen. Dies liegt daran, dass solche partiell rekonstruierenden Verfahren bei richtiger Indikation und Technik immerhin eine Rebalancierung und verbesserte Zentrierung des Gelenkes erlauben [23].

Eine unvollständige Defektdeckung, bspw. mit einem erweiterten Rotatorenintervall darf einen hierbei nicht stören. Darüber hinaus findet sich auch bei Sehnenrissen und dem Vorliegen einer Omarthrose nach einer arthroskopischen Manschettenrekonstruktion ein ebenso gutes Outcome wie bei Patienten nach einer Rekonstruktion, allerdings ohne entsprechende arthrotische Veränderungen. Hierzu erfolgten 2019 und 2020 zwei Studien bei kleinen und mittelgroßen Schäden der Rotatorenmanschette und gleichzeitigen Vorliegen arthrotischer Veränderungen. Sowohl hinsichtlich des Outcomes, v.a. aber hinsichtlich der Arthrose- und Rupturprogression, zeigten sich jeweils entsprechend gute Ergebnisse [26, 33]. Diese beiden Studien zeigen recht eindrucksvoll, wie effektiv eine arthroskopische Rekonstruktion der Rotatorenmanschette, bspw. auch bei Patienten mit arthrotischen Gelenkveränderungen ist. Hierbei scheint die Naht nicht nur zur Beseitigung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen, sondern auch zur Wiederherstellung eines zentrierten Gelenkes mit balancierten Kraftvektoren sowie hinsichtlich einer Progredienz der Gelenkschäden wertvoll zu sein.

Zusammenfassend ist die Prognose einer arthroskopischen Rekonstruktion bei partiellen, kleinen und mittelgroßen und sogar bei sehr ausgedehnten primär nur teilweise reparablen Rupturen gut. Dabei gilt, dass die Rekonstruktion nicht allzu verzögert erfolgen sollte. Zudem ist die praktische Erfahrung des Operateurs hinsichtlich Re-Ruptur-Raten und für das klinische Outcome von signifikanter Bedeutung. Wichtig ist, dass diese Verfahren auch bei älteren Patienten u./o. gleichzeitigen arthrotischen Gelenkveränderungen als erfolgreich einzustufen sind.

Welche Naht- und Ankertechniken führen zu
optimalen Ergebnissen?

Zuverlässige Rekonstruktionstechniken sind bei partiellen und vollständigen Rupturen der Rotatorenmanschette bei entsprechender Erfahrung im Prinzip immer auch in arthroskopischer Technik möglich und durchaus auch von Vorteil. Dabei kann je nach Befund sowohl ein- als auch zweireihig auf dem Footprint refixiert werden. Partialrupturen und sehr kleine Rupturen lassen sich unter Schonung der erhaltenen Sehnenanteile äußerst stabil mit 1 oder 2 Fadenankern in einreihiger Technik sicher und flächig rekonstruieren (Abb. 1 g–h). Für die Ankerplatzierung und die Naht sind dabei schonende transtendinöse Techniken, die allenfalls eine Sehnenschlitzung im Faserverlauf erfordern und noch stehende Sehnenschenkel erhalten, sinnvoll (Abb. 2). Für mittelgroße und größere Rupturen, v.a. bei einem großflächig freiliegenden Footprint, erlaubt v.a. die zweireihige Technik eine anatomische Abdeckung mit der Wiederherstellung einer physiologischen Kontakt?äche zwischen Footprint und Sehne (Abb. 1 i–n) [46].

Zwar zeigt sich entsprechend mehrerer Studien und Metaanalysen kein klinischer Unterschied zwischen einreihigen und doppelreihigen Nahttechniken [54, 67], allerdings zeigen experimentelle Untersuchungen bei großflächigen Rupturen biomechanisch etwas höhere Ausreißkräfte [43, 47, 69]. Ausgehend von diesen Daten, erfolgen v.a. bei größeren Rupturen zunehmend doppelreihige Rekonstruktionstechniken. Zur sicheren Anbindung an den Knochen sind v.a. Schraub- und Schlaganker, aber auch sog. All-suture-Anker verfügbar. Die All-Suture-Anker sind spannbar und damit knotenfrei, wobei sie sich direkt subkortikal verankern sollten. All-Suture-Anker zeigen gegenüber konventionellen Schraub- und Fadenankern v.a. bei einem dünnen, osteoporotischen Kortex u./o. einer ggf. etwas knochenabtragenden Footprintpräparation eine deutlich geringere maximale Ausrisskraft u./o. eine eher eintretende Ankerverlagerung [51, 63]. Daher präferieren wir bei den doppelreihigen Nahttechniken für die mediale Reihe die konventionellen Schraubankersysteme.

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