Übersichtsarbeiten - OUP 02/2022

Partielle und vollständige, kleine bis mittelgroße Rotatorenmanschettenrisse
Was ist wesentlich, um mit der arthroskopischen Chirurgie optimale Rekonstruktionen zu erzielen?

Wir bevorzugen die etwas schonenderen transtendinösen Techniken, v.a. weil wir bspw. bei den Möglichkeiten den Footprint anzufrischen, der Ankerplatzierung und der Naht letztlich keine Nachteile gegenüber den komplettierenden Techniken erkennen. Ein weiterer Vorteil der arthroskopischen Nahttechniken mit der zusätzlichen Sicht von intraartikulär ist, dass wichtige Kapselbandstrukturen, die Bizepssehne usw., die explizit nicht verzogen oder gar eingenäht werden sollten, während der Naht unter intra-artikulärer Sicht sicher geschont werden können (Abb. 2). Gelegentlich werden auch Verwachsungen zu angrenzenden Kapselbandstrukturen erkennbar, welche dann einfach gelöst werden können. Dies reduziert biomechanische Probleme wie bspw. eine Überspannung der Naht, das Auftreten einer Schultersteife etc. In unserer klinischen Routine sehen wir bei Revisionen von postoperativ anhaltend symptomatischen oder steifen Schultern gelegentlich entsprechende Fehlplatzierungen einzelner Nähte, die sich dann in diversen Kapselbandstrukturen bspw. im Bereich des Pulley, der Bicepssehne oder vglw. lose am muskulotendinösen Übergang befinden. Solche Probleme sind mit den schonenden Techniken unter Sicht von intraartikulär äußerst ungewöhnlich.

An der Tuberositas finden sich im Bereich des Footprint bei Rotatorenmanschettenrissen signifikant häufig Knochenveränderungen wie Zysten und Sklerosen sowie Irregularitäten der Oberflächenkontur [9]. Knochenzysten unter dem Footprint werden bei partiellen Rissen in ca. einem Drittel und bei vollständigen Rupturen in immerhin über der Hälfte der Fälle beschrieben (Abb. 3b) [53]. Weitere Untersuchungen zeigen, dass hierbei nur die Zysten im vorderen Bereich des Tuberculum majus, also unter dem Ansatz des M. supraspinatus, mit entsprechenden Sehnenrupturen assoziiert waren [72, 83]. Ebenso werden entsprechende zystische Osteolysen auch nicht allzu selten bei der Verwendung von bioabsorbierbaren Knochenankern gesehen. Weitere Studien zeigen, dass die Häufigkeit für das Auftreten solcher Veränderungen stark von der chemischen Zusammensetzung des gewählten bioabsorbierbaren Ankers abhängen [34, 48]. Nachdem sich die entsprechend nachteiligen bioabsorbierbaren Anker unverändert auf dem Markt befinden, sollte die Auswahl der Nahtanker ausschließlich unter Kenntnis der entsprechenden Literatur erfolgen.

Letztlich gehen all diese Zysten mit einer schlechten Knochenqualität, einer erhöhten Porosität und reduzierten Vitalität des Knochens einher [1, 27]. Diese Voraussetzungen können nicht nur den stabilen Halt von Nahtankern, sondern auch die Einheilung der Sehne in den Knochen stören bzw. verhindern [21, 62, 75]. Um die Schwierigkeiten einer stabilen Ankereinbringung und reduzierten Einheilung sinnvoll zu adressieren, ist die arthroskopische, transossäre Manschettenrekonstruktion eine wertvolle Hilfe. Hier fixieren wir die Fäden nicht über ein- oder zweireihige Nahtanker, sondern über transossäre Bohrkanäle. Die transossären Bohrungen erfolgen hierbei sowohl im Bereich des medialen Footprint als auch außen am Tuberculum majus mit einem arthroskopischen Zielgerät. Dabei findet das Fadenmaterial in den Bohrkanälen im spongiösen und im kortikalen Knochen Halt. Die transossären Bohrungen erhöhen Studien zufolge den Blutfluss und die Vitalität des Knochens am Footprint [77]. Ein weiterer Vorteil der arthroskopischen transossären Nahttechniken ist, dass durch die weniger voluminösen Bohrungen, im Vergleich zu den meist 4,0–6,5 mm dicken Anker, die Kontakt- und Heilfläche zwischen knöchernem Footprint und der aufgepressten Sehne weniger verkleinern. Letztlich entsteht ja oberhalb des Knochenankers eine zunächst nicht vitale Knochenzone, die die Einheilungsfläche für die Sehne verkleinert. Betrachtet man die durchschnittliche maximale Länge und Breite der jeweiligen Sehnenansätze, die für den M. subscapularis 40 x 20 mm, den M. infraspinatus 29 x 19 mm, den M. supraspinatus ca. 23 x 16 mm und den M. teres minor 29 x 21 mm misst, dann ist bei einer Revision das Einbringen mehrerer weiterer Nahtanker durchaus relevant [14]. Daher haben transossäre Nahttechniken, insbesondere bei Revisionen, im Vergleich zu den ein- oder doppelreihigen Nahttechniken einen positiven Einfluss auf die Heil- bzw. Insertionsfläche der aufgepressten Sehne. Auch bei den transossären Nahttechniken lassen sich, ähnlich wie bei den Ankertechniken, unterschiedliche bspw. eher bandförmige Nahtmaterialien sowie unterschiedliche, flächige Nahtkonfigurationen je nach Ausgangsbefund problemlos kombinieren (Abb. 1 l–n) [15]. Nachteil der transossären Nahttechniken ist die Gefahr eines Herausschneidens bzw. Cut-Out des Fadens am kortikalen Knochen v.a. außen am Tuberculum majus. Hat man bspw. während der Knochenbohrung das Gefühl, dass der Knochen hier sehr weich und dünn ist, so kann die laterale Kortikalis und der Bohrkanal zusätzlich mit einem Dübel verstärkt werden. Dies kann helfen, einen Cut-Out des Fadenmaterials zu vermeiden [22].

Aktuell werden biologische Augmentationstechniken zur Besserung der Heilungsprozesse wie bspw. PRP, mesenchymale Stammzellen, Zytokine, Wachstumsfaktoren etc. diskutiert. Positive biologische Effekte finden sich dabei bzgl. Angiogenese, Matrixproduktion, Zellmigration, Zellproliferation usw. Bspw. zeigt eine prospektiv-randomisierte Studie nach Rekonstruktion von Manschettenrupturen nach der Verabreichung von PRP nach 3 Monaten gegenüber der Kontrollgruppe eine verbesserte Durchblutung an der Rekonstruktionszone und eine niedrigere Re-Ruptur-Rate als die Kontrollgruppe [57]. Ebenso zeigen mehrere Metaanalysen zu einer Vielzahl randomisierter Studien, dass das PRP im Kurzzeit- und auch im Langzeit-Follow-up das Outcome hinsichtlich Schulterfunktion und Schmerz und v.a. die Re-Ruptur-Raten im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verbessert [64, 80, 84, 87]. Andererseits sind auch andere randomisierte Kurzeit- und Langzeit-Follow-up-Studien zu nennen, die entsprechende klinische bzw. funktionelle Vorteile nach PRP-Gabe nicht nachweisen konnten [19, 61, 79]. Letztlich ist die Augmentation der Sehneneinheilung in den Knochen mittels PRP nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette in Anbetracht weiterhin relevanter Re-Ruptur-Raten von Interesse. Nachdem sich bisher viele gemischte Daten fanden, scheint sich die Evidenz für den Nutzen von PRP zur Augmentation einer Manschettenrekonstruktion anhand einiger aktueller Metaanalysen zunehmend zu erhärten.

Fazit

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