Wissenschaft - OUP 02/2020

Perspektive: Endoskopische Zugänge in der Beckenchirurgie

Alexander Trulson, Markus Beck, Markus A. Küper, Ulrich Stöckle, Fabian M. Stuby

Zusammenfassung:

Die operativen Therapieoptionen von Extremitäten- und Stammverletzungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt. Neben einer verbesserten Exposition des Situs, ging es nicht zuletzt auch um die Auswahl schonender anatomischer Zugänge, ohne Kompromisse hinsichtlich Repositionsmöglichkeiten und mit dem Ziel der Reduktion von
Komplikationen. Der Optimierung der Zugangswege hin zu wenig invasiven bzw. minimalinvasiven Verfahren kommt ein besonderes Augenmerk zu. Nach der Etablierung von Arthro-, Laparo- und Thorakoskopien könnte die Beckenchirurgie das nächste Gebiet werden, welches hierdurch nachhaltig verändert wird. In den vergangenen zwei Jahren explorierten wir die Machbarkeit endoskopischer Zugänge zum vorderen Beckenring und Acetabulum. Angefangen mit der endoskopischen operativen Stabilisierung von Open-book-Verletzungen konnten auf diese Weise bisher 8 Patienten an 2 Maximalversorgern operiert werden. Die Ergebnisse sind ermutigend dahingehend, die endoskopischen Zugänge weiterzuentwickeln und frakturbedingte Herausforderungen schrittweise zu lösen.

Schlüsselwörter:
endoskopischer Zugang, Beckenring, Acetabulum, minimal-invasiv, Symphysiodese, open-book, Plattenosteosynthese

Zitierweise:
Trulson A, Beck M, Küper MA, Stöckle U, Stuby FM: Perspektive: Endoskopische Zugänge in der Beckenchirurgie. OUP 2020; 9: 100–106
DOI 10.3238/oup.2019.0100–0106

Summary: Surgical methods to stabilize extremity and torsal injuries have continuously evolved in the past decades. Besides a better visualization of the situs, in no regards less important was the development of biomechanically optimized approaches for better reposition and with the goal of reducing perioperative complications. Minimizing surgical approaches is a main interest in all surgical fields. After establishing arthro-, laparo- and thoracoscopy, the pelvic surgery could be the next major area which is profoundly changed by this development. During the past two years, we have been exploring endoscopic approaches and surgical options to the symphysis and acetabulum. Starting with the pelvic stabilization after open book injuries, we were able to demonstrate that 8 patients at 2 level 1 trauma centers in Germany could be treated with the technique. The results are encouraging to thrive the development and face fracture related challenges.

Keywords: endoscopic approach, pelvic ring, acetabulum, open-book, symphyseal plating, minimal-invasive

Citation: Trulson A, Beck M, Küper MA, Stöckle U, Stuby FM: Outlook: Endoscopic approaches in pelvic ring surgery. OUP 2020; 9: 100–106 DOI 10.3238/oup.2019.0100–0106

Alexander Trulson, Markus Beck, Fabian M. Stuby: BG Unfallklinik Murnau, Allgemeine- und Traumachirurgie

Markus A. Küper: BG Unfallklinik Tübingen, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Ulrich Stöckle: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie

Einleitung

Verletzungen des vorderen Beckenringes stellen die größte Gruppe unter den Beckenringverletzungen dar. In den meisten Fällen werden diese heutzutage als Kombinationsverletzung mit Beteiligung des hinteren Beckenringes oder mit simultanen acetabulären Verletzungen nachgewiesen [6]. Eine weitere häufige Entität von Beckenverletzungen stellen isolierte Acetabulumfrakturen dar. Beide Verletzungsmuster treten mit zwei Häufigkeitsgipfeln auf: Der erste Gipfel liegt im mittleren Alter und ist assoziiert mit Hochrasanztraumata, der zweite Gipfel liegt im höheren Alter (> 70 Jahre). Die Verletzungen im höheren Alter treten eher im Rahmen von Niedrigenergietraumata auf.

Mit Blick auf den vorderen Beckenring zeigen biomechanische Analysen, dass es vor allem durch anterior-posteriore Kompression zu sog. Open-Book-Verletzungen, also Rupturen der Symphysis pubis kommt. Häufig besteht dabei auch eine begleitende Verletzung des hinteren Beckenringes im Sinne von Verletzungen der Iliosakralgelenke (ISG) [2, 28, 29, 35]. In diesem Fall handelt es sich um ein potentiell lebensbedrohliches Verletzungsmuster: Durch einen Abfall des intrapelvinen Druckes bei gleichzeitiger Vergrößerung des intrapelvinen Volumens kann es durch eine Abnahme der selbstlimitierenden Tamponade zu einer größeren, unter Umständen vital bedrohlichen Einblutung kommen [13, 15]. Sowohl eine rasche Primärstabilisierung als auch eine suffiziente definitive Osteosynthese sind wichtige Faktoren für das Outcome der Patienten [3, 6, 25, 27].

Acetabulumverletzungen unterscheiden sich in ihrem Frakturmuster vor allem abhängig der Verletzungsursache. So beobachten wir im Rahmen von Hochenergietraumata häufiger Frakturen der hinteren Acetabulumwand sowie vordere Pfeiler- und Zwei-Pfeiler-Frakturen. Im Rahmen von Niedrigenergietraumata treten hingegen vordere Pfeiler/hintere Hemiquer-Frakturen mit teils deutlichen Dislokationen der quadrilateralen Fläche, sowie Zwei-Pfeiler-Frakturen, gehäuft auf [21].

Insgesamt ist bei Beckenfrakturen, wie in den meisten Bereichen der Unfallchirurgie, eine Altersverschiebung hin zu geriatrischen Patienten zu beobachten, weshalb sich auch das Anforderungsprofil an unsere Versorgung verändert [6, 7, 13, 15, 17, 30]. Konservative Therapieoptionen gewinnen mehr an Bedeutung und operative Verfahren sollten im Sinne der Vermeidung eines sogenannten „second hits“ in möglichst kurzer Zeit mit einem möglichst geringen zusätzlichen Trauma durchführbar sein [16, 24].

In diesem Kontext wurden die operativen Zugänge in der Becken- und Acetabulumchirurgie in den vergangenen Jahrzehnten modifiziert, z.B. durch die Entwicklung limitiert-invasiver Zugänge wie der Kombination aus modifiziertem Stoppa-Zugang mit dem ersten Fenster des ilioinguinalen Zuganges nach Letournel. Aber auch Neuentwicklungen wie der Pararectus-Zugang spielen in den letzten Jahren eine wichtige Rolle [4, 5, 12, 18, 19, 20, 26, 32].

Doch auch wenn es sich dabei um deutliche Fortschritte im Vergleich zum etablierten ilioinguinalen Zugang handelt, besteht weiterhin ein nicht unerhebliches Weichteiltrauma durch den Zugang. Hinzu kommt, dass die Minimierung des Zugangstraumas oftmals zu einer reduzierten Übersicht führt.

Zwar können zur Versorgung von Instabilitäten des vorderen Beckenringes minimal-invasiv auch Fixateure extern wie intern eingesetzt werden. Diese sind jedoch mit Komplikationen wie Pininfekten und reduzierter Adhärenz der Patienten verbunden [16, 33, 34]. Zudem ist in beiden Fällen mit einer biomechanisch schwächeren Wirkung als bei Plattenosteosynthesen zu rechnen. Daher sind Plattenosteosynthesen weiterhin als Goldstandard anzusehen [1, 8, 14, 22].

An diesen Punkten soll die endoskopisch gestützte Chirurgie ansetzen. Mögliche Perspektiven möchten wir in diesem Artikel aufzeichnen.

Beschreibung der Techniken

In Abhängigkeit der Verletzung entwickelten wir in den vergangen zwei Jahren drei endoskopisch gestützte Zugänge zum vorderen Beckenring und zum Acetabulum.

Als EASY (Endoscopic Approach to the Symphysis) bezeichnen wir den endoskopischen Zugang für die symphysenüberbrückende Plattenosteosynthese [23].

Die zugrundeliegende Symphysenruptur tritt in den meisten Fällen im Rahmen von Open-Book-Verletzungen auf, welche zeitnah im Sinne des Damage-control-Konzeptes mittels Fixateur externe stabilisiert werden sollten. Nach Rekompensation der Patienten planen wir die definitive Versorgung mittels Plattenosteosynthese.

Die Reposition selbst wird intraoperativ über einen modifiziert angelegten Fixateur externe gehalten. Hierbei werden drei Verbindungsstangen zur Überbrückung angebracht. Der Rahmen wird in Richtung der Oberschenkel ausgerichtet und in etwa 5–10 cm distal der Symphyse fixiert. Nun können die konventionell angebrachten Verbindungsstangen abgebaut werden. Diese temporäre Positionierung ermöglicht es, die Reposition nach Schluss des Beckenringes intraoperativ zu halten, das Arbeitsfeld für Trokare und Instrumente freizuhalten und gewährt eine freie Durchleuchtung (Abb. 1).

Für den EASY-Zugang wird zunächst eine subumbilikale Hautinzision angelegt. Über diese kann nach Eröffnen des vorderen Blattes der Rektusscheide mithilfe eines für die Hernienchirurgie entwickelten Ballondilatators der Bereich zwischen M. rectus abdominis und Fascia transversalis stumpf disseziert werden. Das Vorgehen ist analog jenem einer TEP-Hernioplastik (Total extraperitoneale (Hernio-)Plastik), da sich auch im Falle von Verletzungen der Symphyse das OP-Gebiet präperitoneal befindet. Nun werden zwei Arbeitstrokare ca. 2 cm proximal der Symphyse jeweils ca. 2 cm paramedian angelegt (Abb. 2). Mittels laparoskopischer Standardinstrumente wie Dissektoren oder elektrischer Scheren sowie einer Saug-Spül-Vorrichtung können sowohl der Situs weiterpräpariert und das unfallbedingte Hämatom abgesaugt werden. Danach bietet sich eine weite Übersicht über den gesamten vorderen Beckenring sowie die rupturierte Symphyse. Die Ausräumung dieser unterliegt weiterhin einer Kontroverse und verbleibt Entscheidung des Operateurs. Über die Arbeitstrokare kann bei Bedarf mit einer Fasszange oder alternativ mit einem perkutan eingebrachten scharfen Löffel eine suffiziente Ausräumung der Symphyse und dadurch eine verbesserte Repositionsmöglichkeit erreicht werden.

Die Platte wird perkutan durch eine der Inzisionen für die Arbeitstrokare eingeführt.

Im nächsten Schritt wird die Platte auf der Symphyse positioniert und mittels perkutaner Drähte temporär fixiert. Nun können die Lage der Platte sowie die Ausrichtung der Kirschner-Drähte (K-Drähte) mittels Bildwandler kontrolliert und ggf. adaptiert werden. Die Drähte dienen im Weiteren als Orientierung für die korrekte Neigung von Bohrung und Schrauben. Hierzu werden die Arbeitstrokare jeweils temporär entfernt und mittels einer konventionellen Bohrhülse die Löcher zum Besetzen der Schrauben vorgebohrt. Im Anschluss werden die mit Fäden gesicherten Schrauben durch die Trokare eingebracht. Nach Besetzen der ersten Schraube erfolgt die erneute Bildwandlerkontrolle. Im selben Prinzip werden nun sämtliche Löcher mit Schrauben, analog zu einem offenen Vorgehen, besetzt und schließlich die K-Drähte entfernt. Intraoperativ kann zu jeder Zeit über den zweiten Trokar mittels Saug-Spül-Vorrichtung das Hämatom abgesaugt werden. Hierdurch bleibt die Sicht stets erhalten (Abb. 3).

Zuletzt kann je nach Blutungsneigung eine Drainage eingelegt werden. Zum Wundverschluss sind für die Arbeitstrokare lediglich Hautnähte und im Bereich des subumbilikalen Zugangs noch zusätzlich der Faszienverschluss notwendig.

Aufgrund des neuen OP-Verfahrens beließen wir aus Sicherheitsgründen noch den Fixateur externe. Dieser wurde postoperativ nach 2–4 Wochen entfernt.

Für das Acetabulum entwickelten wir zwei Zugänge: zunächst EAQUAL (Endoscopic approach to the quadrilateral plate) und zuletzt LASY (Laparoscopic acetabular surgery) [36]. Sie unterscheiden sich primär durch die Schicht, in der die Präparation und Darstellung des Situs erfolgt.

Bei EAQUAL handelt es sich um eine Weiterentwicklung des EASY, wobei der Situs stets extraperitoneal präpariert wird. Äquivalent zum EASY wird der primäre Zugang zur Ballondilatation und Kamerapositionierung subumbilikal extraperitoneal angelegt. Nach Darstellung der Symphyse erfolgt jedoch die Erweiterung der Präparation entlang des oberen Schambeinastes nach lateral und dorsal, sodass die Linea terminalis mit der Beckeneingangsebene sowie die quadrilaterale Fläche dargestellt werden können. Der erste Arbeitstrokar wird hierfür noch analog eines suprapubischen EASY-Trokares angelegt. Der zweite Arbeitstrokar wird entlang der lateralen Begrenzung der Rektusscheide auf Höhe des Acetabulums angelegt (Abb. 4). Hierdurch ist das Setzen multipler Schrauben im kranialen wie dorsalen Abschnittes des Acetabulums möglich. Die Anlage des zweiten Trokares sollte aufgrund der Nähe zum iliakalen Gefäß-/Nervenbündel unter Sicht durchgeführt werden. Vorteil dieses extraperitonealen Vorgehens ist die rasche Präparation des Situs, da das Peritoneum intakt bleibt. Allerdings stellten wir in unseren Untersuchungen am Anatomischen Institut der Universität Tübingen fest, dass die Sicht aufgrund des schmalen extraperitonealen Raumes limitiert bleibt. Hinzukam, dass wir häufig kleine Verletzungen des Peritoneums beobachteten, wodurch es wiederum zu einem ungewollten Pneumoperitoneum mit weiterer Verlegung des Situs kam. Dieses Pneumoperitoneum ist zwar durch eine Punktion im rechten oberen Abdominalquadranten wieder entlastbar, jedoch ist das Vorgehen durch die reduzierte Sicht erschwert.

Aufgrund dieser Limitationen von EAQUAL entwickelten wir LASY. Hierbei handelt es sich um einen transabdominellen Zugang, der einer Standard-Laparoskopie entspricht. Die Positionen der Trokare entsprechen dabei denjenigen des EAQUAL, wobei über den subumbilikalen Hautschnitt zunächst ein Pneumoperitoneum anlegt wird. Dies erfolgt entweder über eine Verress-Kanüle oder mini-open. Es erfolgt nun analog zur transabdominellen Leistenhernienversorgung (TAPP) zunächst die Eröffnung des Peritoneums von der entsprechenden Spina iliaca anterior superior entlang des Oberrandes des inneren Leistenringes bis zur Mittellinie. Nach Sektion des Peritoneums kann analog zum EAQUAL der obere Schambeinast von der Symphyse nach lateral und dorsal präpariert werden. Das iliakale Nerven-Gefäßbündel kann aufgrund der größeren Freiheitsgrade durch das Pneumoperitoneum nun sicher dargestellt werden. Die quadrilaterale Fläche kann nach Umsetzen der Kamera auf den suprasymphysären Trokar nun in ihrer gesamten Ausdehnung problemlos dargestellt werden (Abb. 5). Zu beachten ist dabei der direkt davor liegende N. obturatorius. Diese Präparation ist etabliert bei laparoskopischen iliakalen Lymphadenektomien oder Sentinel-Lymphknoten-Entnahmen im Rahmen gynäkologischer oder urologischer onkologischer Eingriffe. Die Präparation kann mithilfe von Ultraschallscheren erleichtert werden, das Risiko von neurovaskulären Verletzungen wird aufgrund der hervorragenden Darstellung deutlich reduziert.

Um das Periost in Vorbereitung auf eine Osteosynthese abzulösen, kann dieses zunächst anterior entlang des oberen Schambeinastes inzidiert und unterminiert werden. Das straffe iliopubische Ligament erfordert unter Umständen hier eine kleine zusätzliche Inzision. Weiterhin kann über eine 2 cm messende Inzision auf Höhe der Crista iliaca (entsprechend einer Teilinzision für das 1. Fenster ilioinguinal) ein laparoskopischer Wechselstab entlang der Fossa iliaca und den M. iliacus unterminierend eingeführt werden, bis dieser als Rendezvous-Manöver unter Sicht durch das Laparoskop über dem Acetabulum hervortritt. Durch ein Fächern des Wechselstabes lässt sich der M. iliacus je nach Bedarf ablösen. Die Platte wird wie bei der EASY-Technik eingeführt, mittels Fasszange in die gewünschte Position gebracht und durch perkutane K-Drähte temporär fixiert (Abb. 6, 7). Auch diese Drähte dienen wiederum zusätzlich zur Fixierung der Orientierung und Lagekontrolle. Das Platzieren der Schrauben geschieht ebenfalls analog zum oben beschrieben EASY-Vorgehen. Sollte eine anatomische Platte zur Abstützung der quadrilateralen Fläche erforderlich sein, kann auch diese über den Zugang an der Crista iliaca entlang der Fossa iliaca eingebracht werden.

Ergebnisse

Im Zeitraum zwischen April 2017 und Dezember 2019 konnten wir 8 Patienten endoskopisch assistiert mittels EASY operieren. In 5 Fällen war die vollständige plattenosteosynthetische Versorgung möglich. In 2 Fällen konvertierten wir auf das offene Vorgehen. Der erste dieser beiden Patienten mit Konversion war der erste überhaupt, für den die Versorgung in Frage gekommen wäre. Der Patient wurde ausführlich über das neue Verfahren aufgeklärt und gab sein Einverständnis, dass primär die Präparation endoskopisch durchgeführt werden würde, wünschte jedoch die Plattenosteosynthese standardmäßig über einen offenen Zugang. Im 2. Fall wurden im Laufe der OP sehr hohe endexpiratorische CO2-Werte gemessen, sodass aus anästhesiologischen Gründen auf ein offenes Vorgehen gewechselt wurde. Die hohen endexspiratorischen CO2-Werte wurden in einem weiteren Fall ebenfalls intraoperativ gemessen. Diese traten mit einem Hautemphysem auf, welches häufig bei TEP-Hernioplastik beobachtet wird. In diesem Fall konnte die endoskopische Plattenosteosynthese jedoch vollständig durchgeführt werden. Postoperativ kam es zu einer raschen Rekompensation. Eine intensivmedizinische Überwachung war jeweils nicht notwendig.

Der 3. Patient ohne endoskopische Plattenosteosynthese hatte zwar nach radiologischen Kriterien instabile obere Schambeinastfrakturen beidseits. Intraoperativ zeigten sich jedoch das Periost und umliegende Bänder intakt, sodass von der Osteosynthese abgesehen wurde und lediglich das ausgedehnte Hämatom endoskopisch entfernt wurde.

Es wurden bei allen Patienten radiologische Kontrollen durchgeführt. Dabei beobachteten wir eine Schraubenlockerung, welche asymptomatisch war, weshalb keine Revision durchgeführt wurde.

Alle 5 Patienten mit kompletter endoskopischer plattenosteosynthetischer Versorgung waren sehr zufrieden mit dem kosmetischen Ergebnis. Auch das postoperative Schmerzniveau war sehr niedrig.

Diskussion

Die Minimalisierung von operativen Zugängen stellt seit Jahrzehnten einen wichtigen Aspekt der unfallchirurgischen Forschung dar. In der Vergangenheit wurden bereits vereinzelt Beispiele für endoskopische Operationen der Symphyse beschrieben. Allerdings handelte es sich dabei um anteriore Zugänge mit deutlich eingeschränkter Sicht [9–11]. Erste Versuche der endoskopischen Plattenosteosynthese erfolgten durch Rubel et al. 2002 [31]. Die Machbarkeit wurde schon damals eruiert und begleitende anatomische Untersuchungen durchgeführt. Allerdings ist keine größere Fallserie bekannt.

Wir konnten anhand unserer Patienten zeigen, dass die endoskopische Versorgung eine sichere Alternative zum offenen Vorgehen darstellt. Das Zugangswegetrauma wurde deutlich reduziert, das postoperative Schmerzniveau aller Patienten war sehr niedrig und das kosmetische Ergebnis sehr zufriedenstellend. Durch das Einbringen der Arbeitstrokare unter Sicht wird auch das Risiko für Verletzungen der Harnblase minimiert. Zuletzt sehen wir eine steile Lernkurve bei allen involvierten Chirurgen. Zwischen den Eingriffen 1 und 2 konnte die OP-Zeit jeweils um 1 Stunde reduziert werden. Eine weitere Verbesserung ist mit dem Einsatz spezieller Instrumente zu erwarten.

Aktuelle intraoperative Herausforderungen stellen vor allem für das Bohren und Schrauben ungeeignete Trokare dar, die für das Besetzen der Schrauben mitunter auch entfernt werden müssen und so zu einer Leckage mit Einschränkung der Sicht bei der Bohrerplatzierung führen. Auch die Schrauben müssen beim Einsatz von 5 mm Arbeitstrokaren direkt über die Hautinzision eingebracht werden. Abhilfe brachte der Einsatz von 10 mm Arbeitstrokaren. In Zukunft sollen spezielle Bohr- & Schraubhülsen den Prozess erleichtern. Ziel ist die Reduktion der Leckage und ein reduzierter Kraftaufwand zur korrekten Schraubenausrichtung bei flacher Symphysengeometrie oder adipösen Weichteilverhältnissen.

Ein weiterer zu erwähnender Faktor ist das Einbeziehen aller im OP beteiligten Personen in das Prozedere und zu erwartende Herausforderungen.

So sollte bereits präoperativ, bei stattgefundener Primärstabilisierung der Fixateur externe speziell umgebaut werden, um das Sicht- und Arbeitsfeld nicht einzuschränken. Dies führten wir in der Regel nach dem Lagern und vor dem Abwaschen durch. Aber auch bettseitig war der Umbau, nach sorgfältiger Planung und unter Vermeidung eines Repositionsverlustes, schmerzfrei möglich. Des Weiteren sollten aufgrund der flachen Kameraführung beide Arme zur Seite ausgelagert werden. Hilfreich ist zudem eine leichte Kopf-Tieflagerung des Patienten während der Operation, da durch die Schwerkraft die abdominellen Organe samt Peritoneum so kopfwärts rutschen und der Situs besser einsehbar wird. Der Laparoskopieturm ist am geeignetsten am Fußende des Patienten positioniert, der Bildwandler bei rechts-dominanten Chirurgen rechts des Patienten. Bei der Versorgung von Acetabulumfrakturen ist es empfehlenswert, den Laparoskopieturm auf der gegenüberliegenden Seite der Fraktur zu platzieren. Die Anästhesie sollte informiert werden, dass mit erhöhten Beatmungsdrücken und endexpiratorischen CO2-Werten zu rechnen ist. Die intraoperative Verträglichkeitsabwägung obliegt natürlich den jeweiligen Kollegen. Für die postoperative Betreuung muss beachtet werden, dass es bei einem Hautemphysem zu einer Phase der Hyperventilation kommen kann. Außerdem können bei einem Pneumoperitoneum Schmerzen in beiden Schultern, analog den Head’schen Zonen, auftreten. Dieses ist mit einer adäquaten Schmerztherapie gut zu behandeln, die Patienten müssen jedoch explizit darüber aufgeklärt werden. Die Schmerzen sind nach Resorption des Pneumoperitoneums jeweils spontan rückläufig.

Schlussfolgerung
und Perspektiven

Die endoskopisch unterstütze Stabilisierung von Symphysenrupturen stellte sich sowohl in unseren anatomischen Versuchen wie auch im klinischen Einsatz als veritable Alternative zu offenen Zugängen dar. Zusätzlich konnten wir in Untersuchungen am Leichenpräparat die Visualisierung der quadrilateralen Fläche demonstrieren.

Aufgrund der steilen Lernkurve ist von einem baldigen Angleichen der OP-Zeiten im Vergleich zum offenen Vorgehen bei der Symphysenplatte auszugehen. Insbesondere die Entwicklung neuer Instrumente und Osteosynthesematerialien soll die sichere Reposition, Platzierung und Verschraubung ermöglichen und könnte das Verfahren signifikant beschleunigen. Aber auch mit den bisher verfügbaren Instrumenten ist die OP sicher durchzuführen. Langfristig ist es unser Ziel, die Technik weiterzuentwickeln und zu einer anerkannten Alternative zum offenen Vorgehen zu etablieren. Unser aktuelles Augenmerk liegt hier vor allem auf der Behandlung von Acetabulumfrakturen. Hierzu sind zeitnah erste Darstellungen der Fraktursituation und endoskopisch unterstützte Präparationen des Situs bei Patienten mit einer Acetabulumfraktur geplant.

Am Ende verbleibt die optimierte Darstellung des Sakroiliakalgelenkes sowie des Sakrums selber, um letztlich den gesamten Beckenring endoskopisch darzustellen und ggf. auch osteosynthetisch versorgen zu können.

Danksagung: Besonderer Dank gilt Prof. Bernhard Hirt und Diana Hagen vom Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik der Eberhard Karls Universität Tübingen für ihre Unterstützung dieses Projektes.

Interessenkonflikt:

Keine angegeben

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Korrespondenzadresse

Dr. med. univ. Alexander Trulson

BG Unfallklinik Murnau

Klinik für Allgemeine und Traumachirurgie

Prof.-Küntscher-Str. 8, 82418 Murnau

alexander.trulson@bgu-murnau.de

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