Wissenschaft - OUP 02/2020
Perspektive: Endoskopische Zugänge in der Beckenchirurgie
Aufgrund dieser Limitationen von EAQUAL entwickelten wir LASY. Hierbei handelt es sich um einen transabdominellen Zugang, der einer Standard-Laparoskopie entspricht. Die Positionen der Trokare entsprechen dabei denjenigen des EAQUAL, wobei über den subumbilikalen Hautschnitt zunächst ein Pneumoperitoneum anlegt wird. Dies erfolgt entweder über eine Verress-Kanüle oder mini-open. Es erfolgt nun analog zur transabdominellen Leistenhernienversorgung (TAPP) zunächst die Eröffnung des Peritoneums von der entsprechenden Spina iliaca anterior superior entlang des Oberrandes des inneren Leistenringes bis zur Mittellinie. Nach Sektion des Peritoneums kann analog zum EAQUAL der obere Schambeinast von der Symphyse nach lateral und dorsal präpariert werden. Das iliakale Nerven-Gefäßbündel kann aufgrund der größeren Freiheitsgrade durch das Pneumoperitoneum nun sicher dargestellt werden. Die quadrilaterale Fläche kann nach Umsetzen der Kamera auf den suprasymphysären Trokar nun in ihrer gesamten Ausdehnung problemlos dargestellt werden (Abb. 5). Zu beachten ist dabei der direkt davor liegende N. obturatorius. Diese Präparation ist etabliert bei laparoskopischen iliakalen Lymphadenektomien oder Sentinel-Lymphknoten-Entnahmen im Rahmen gynäkologischer oder urologischer onkologischer Eingriffe. Die Präparation kann mithilfe von Ultraschallscheren erleichtert werden, das Risiko von neurovaskulären Verletzungen wird aufgrund der hervorragenden Darstellung deutlich reduziert.
Um das Periost in Vorbereitung auf eine Osteosynthese abzulösen, kann dieses zunächst anterior entlang des oberen Schambeinastes inzidiert und unterminiert werden. Das straffe iliopubische Ligament erfordert unter Umständen hier eine kleine zusätzliche Inzision. Weiterhin kann über eine 2 cm messende Inzision auf Höhe der Crista iliaca (entsprechend einer Teilinzision für das 1. Fenster ilioinguinal) ein laparoskopischer Wechselstab entlang der Fossa iliaca und den M. iliacus unterminierend eingeführt werden, bis dieser als Rendezvous-Manöver unter Sicht durch das Laparoskop über dem Acetabulum hervortritt. Durch ein Fächern des Wechselstabes lässt sich der M. iliacus je nach Bedarf ablösen. Die Platte wird wie bei der EASY-Technik eingeführt, mittels Fasszange in die gewünschte Position gebracht und durch perkutane K-Drähte temporär fixiert (Abb. 6, 7). Auch diese Drähte dienen wiederum zusätzlich zur Fixierung der Orientierung und Lagekontrolle. Das Platzieren der Schrauben geschieht ebenfalls analog zum oben beschrieben EASY-Vorgehen. Sollte eine anatomische Platte zur Abstützung der quadrilateralen Fläche erforderlich sein, kann auch diese über den Zugang an der Crista iliaca entlang der Fossa iliaca eingebracht werden.
Ergebnisse
Im Zeitraum zwischen April 2017 und Dezember 2019 konnten wir 8 Patienten endoskopisch assistiert mittels EASY operieren. In 5 Fällen war die vollständige plattenosteosynthetische Versorgung möglich. In 2 Fällen konvertierten wir auf das offene Vorgehen. Der erste dieser beiden Patienten mit Konversion war der erste überhaupt, für den die Versorgung in Frage gekommen wäre. Der Patient wurde ausführlich über das neue Verfahren aufgeklärt und gab sein Einverständnis, dass primär die Präparation endoskopisch durchgeführt werden würde, wünschte jedoch die Plattenosteosynthese standardmäßig über einen offenen Zugang. Im 2. Fall wurden im Laufe der OP sehr hohe endexpiratorische CO2-Werte gemessen, sodass aus anästhesiologischen Gründen auf ein offenes Vorgehen gewechselt wurde. Die hohen endexspiratorischen CO2-Werte wurden in einem weiteren Fall ebenfalls intraoperativ gemessen. Diese traten mit einem Hautemphysem auf, welches häufig bei TEP-Hernioplastik beobachtet wird. In diesem Fall konnte die endoskopische Plattenosteosynthese jedoch vollständig durchgeführt werden. Postoperativ kam es zu einer raschen Rekompensation. Eine intensivmedizinische Überwachung war jeweils nicht notwendig.
Der 3. Patient ohne endoskopische Plattenosteosynthese hatte zwar nach radiologischen Kriterien instabile obere Schambeinastfrakturen beidseits. Intraoperativ zeigten sich jedoch das Periost und umliegende Bänder intakt, sodass von der Osteosynthese abgesehen wurde und lediglich das ausgedehnte Hämatom endoskopisch entfernt wurde.
Es wurden bei allen Patienten radiologische Kontrollen durchgeführt. Dabei beobachteten wir eine Schraubenlockerung, welche asymptomatisch war, weshalb keine Revision durchgeführt wurde.
Alle 5 Patienten mit kompletter endoskopischer plattenosteosynthetischer Versorgung waren sehr zufrieden mit dem kosmetischen Ergebnis. Auch das postoperative Schmerzniveau war sehr niedrig.
Diskussion
Die Minimalisierung von operativen Zugängen stellt seit Jahrzehnten einen wichtigen Aspekt der unfallchirurgischen Forschung dar. In der Vergangenheit wurden bereits vereinzelt Beispiele für endoskopische Operationen der Symphyse beschrieben. Allerdings handelte es sich dabei um anteriore Zugänge mit deutlich eingeschränkter Sicht [9–11]. Erste Versuche der endoskopischen Plattenosteosynthese erfolgten durch Rubel et al. 2002 [31]. Die Machbarkeit wurde schon damals eruiert und begleitende anatomische Untersuchungen durchgeführt. Allerdings ist keine größere Fallserie bekannt.
Wir konnten anhand unserer Patienten zeigen, dass die endoskopische Versorgung eine sichere Alternative zum offenen Vorgehen darstellt. Das Zugangswegetrauma wurde deutlich reduziert, das postoperative Schmerzniveau aller Patienten war sehr niedrig und das kosmetische Ergebnis sehr zufriedenstellend. Durch das Einbringen der Arbeitstrokare unter Sicht wird auch das Risiko für Verletzungen der Harnblase minimiert. Zuletzt sehen wir eine steile Lernkurve bei allen involvierten Chirurgen. Zwischen den Eingriffen 1 und 2 konnte die OP-Zeit jeweils um 1 Stunde reduziert werden. Eine weitere Verbesserung ist mit dem Einsatz spezieller Instrumente zu erwarten.
Aktuelle intraoperative Herausforderungen stellen vor allem für das Bohren und Schrauben ungeeignete Trokare dar, die für das Besetzen der Schrauben mitunter auch entfernt werden müssen und so zu einer Leckage mit Einschränkung der Sicht bei der Bohrerplatzierung führen. Auch die Schrauben müssen beim Einsatz von 5 mm Arbeitstrokaren direkt über die Hautinzision eingebracht werden. Abhilfe brachte der Einsatz von 10 mm Arbeitstrokaren. In Zukunft sollen spezielle Bohr- & Schraubhülsen den Prozess erleichtern. Ziel ist die Reduktion der Leckage und ein reduzierter Kraftaufwand zur korrekten Schraubenausrichtung bei flacher Symphysengeometrie oder adipösen Weichteilverhältnissen.