Wissenschaft - OUP 02/2020

Perspektive: Endoskopische Zugänge in der Beckenchirurgie

Zwar können zur Versorgung von Instabilitäten des vorderen Beckenringes minimal-invasiv auch Fixateure extern wie intern eingesetzt werden. Diese sind jedoch mit Komplikationen wie Pininfekten und reduzierter Adhärenz der Patienten verbunden [16, 33, 34]. Zudem ist in beiden Fällen mit einer biomechanisch schwächeren Wirkung als bei Plattenosteosynthesen zu rechnen. Daher sind Plattenosteosynthesen weiterhin als Goldstandard anzusehen [1, 8, 14, 22].

An diesen Punkten soll die endoskopisch gestützte Chirurgie ansetzen. Mögliche Perspektiven möchten wir in diesem Artikel aufzeichnen.

Beschreibung der Techniken

In Abhängigkeit der Verletzung entwickelten wir in den vergangen zwei Jahren drei endoskopisch gestützte Zugänge zum vorderen Beckenring und zum Acetabulum.

Als EASY (Endoscopic Approach to the Symphysis) bezeichnen wir den endoskopischen Zugang für die symphysenüberbrückende Plattenosteosynthese [23].

Die zugrundeliegende Symphysenruptur tritt in den meisten Fällen im Rahmen von Open-Book-Verletzungen auf, welche zeitnah im Sinne des Damage-control-Konzeptes mittels Fixateur externe stabilisiert werden sollten. Nach Rekompensation der Patienten planen wir die definitive Versorgung mittels Plattenosteosynthese.

Die Reposition selbst wird intraoperativ über einen modifiziert angelegten Fixateur externe gehalten. Hierbei werden drei Verbindungsstangen zur Überbrückung angebracht. Der Rahmen wird in Richtung der Oberschenkel ausgerichtet und in etwa 5–10 cm distal der Symphyse fixiert. Nun können die konventionell angebrachten Verbindungsstangen abgebaut werden. Diese temporäre Positionierung ermöglicht es, die Reposition nach Schluss des Beckenringes intraoperativ zu halten, das Arbeitsfeld für Trokare und Instrumente freizuhalten und gewährt eine freie Durchleuchtung (Abb. 1).

Für den EASY-Zugang wird zunächst eine subumbilikale Hautinzision angelegt. Über diese kann nach Eröffnen des vorderen Blattes der Rektusscheide mithilfe eines für die Hernienchirurgie entwickelten Ballondilatators der Bereich zwischen M. rectus abdominis und Fascia transversalis stumpf disseziert werden. Das Vorgehen ist analog jenem einer TEP-Hernioplastik (Total extraperitoneale (Hernio-)Plastik), da sich auch im Falle von Verletzungen der Symphyse das OP-Gebiet präperitoneal befindet. Nun werden zwei Arbeitstrokare ca. 2 cm proximal der Symphyse jeweils ca. 2 cm paramedian angelegt (Abb. 2). Mittels laparoskopischer Standardinstrumente wie Dissektoren oder elektrischer Scheren sowie einer Saug-Spül-Vorrichtung können sowohl der Situs weiterpräpariert und das unfallbedingte Hämatom abgesaugt werden. Danach bietet sich eine weite Übersicht über den gesamten vorderen Beckenring sowie die rupturierte Symphyse. Die Ausräumung dieser unterliegt weiterhin einer Kontroverse und verbleibt Entscheidung des Operateurs. Über die Arbeitstrokare kann bei Bedarf mit einer Fasszange oder alternativ mit einem perkutan eingebrachten scharfen Löffel eine suffiziente Ausräumung der Symphyse und dadurch eine verbesserte Repositionsmöglichkeit erreicht werden.

Die Platte wird perkutan durch eine der Inzisionen für die Arbeitstrokare eingeführt.

Im nächsten Schritt wird die Platte auf der Symphyse positioniert und mittels perkutaner Drähte temporär fixiert. Nun können die Lage der Platte sowie die Ausrichtung der Kirschner-Drähte (K-Drähte) mittels Bildwandler kontrolliert und ggf. adaptiert werden. Die Drähte dienen im Weiteren als Orientierung für die korrekte Neigung von Bohrung und Schrauben. Hierzu werden die Arbeitstrokare jeweils temporär entfernt und mittels einer konventionellen Bohrhülse die Löcher zum Besetzen der Schrauben vorgebohrt. Im Anschluss werden die mit Fäden gesicherten Schrauben durch die Trokare eingebracht. Nach Besetzen der ersten Schraube erfolgt die erneute Bildwandlerkontrolle. Im selben Prinzip werden nun sämtliche Löcher mit Schrauben, analog zu einem offenen Vorgehen, besetzt und schließlich die K-Drähte entfernt. Intraoperativ kann zu jeder Zeit über den zweiten Trokar mittels Saug-Spül-Vorrichtung das Hämatom abgesaugt werden. Hierdurch bleibt die Sicht stets erhalten (Abb. 3).

Zuletzt kann je nach Blutungsneigung eine Drainage eingelegt werden. Zum Wundverschluss sind für die Arbeitstrokare lediglich Hautnähte und im Bereich des subumbilikalen Zugangs noch zusätzlich der Faszienverschluss notwendig.

Aufgrund des neuen OP-Verfahrens beließen wir aus Sicherheitsgründen noch den Fixateur externe. Dieser wurde postoperativ nach 2–4 Wochen entfernt.

Für das Acetabulum entwickelten wir zwei Zugänge: zunächst EAQUAL (Endoscopic approach to the quadrilateral plate) und zuletzt LASY (Laparoscopic acetabular surgery) [36]. Sie unterscheiden sich primär durch die Schicht, in der die Präparation und Darstellung des Situs erfolgt.

Bei EAQUAL handelt es sich um eine Weiterentwicklung des EASY, wobei der Situs stets extraperitoneal präpariert wird. Äquivalent zum EASY wird der primäre Zugang zur Ballondilatation und Kamerapositionierung subumbilikal extraperitoneal angelegt. Nach Darstellung der Symphyse erfolgt jedoch die Erweiterung der Präparation entlang des oberen Schambeinastes nach lateral und dorsal, sodass die Linea terminalis mit der Beckeneingangsebene sowie die quadrilaterale Fläche dargestellt werden können. Der erste Arbeitstrokar wird hierfür noch analog eines suprapubischen EASY-Trokares angelegt. Der zweite Arbeitstrokar wird entlang der lateralen Begrenzung der Rektusscheide auf Höhe des Acetabulums angelegt (Abb. 4). Hierdurch ist das Setzen multipler Schrauben im kranialen wie dorsalen Abschnittes des Acetabulums möglich. Die Anlage des zweiten Trokares sollte aufgrund der Nähe zum iliakalen Gefäß-/Nervenbündel unter Sicht durchgeführt werden. Vorteil dieses extraperitonealen Vorgehens ist die rasche Präparation des Situs, da das Peritoneum intakt bleibt. Allerdings stellten wir in unseren Untersuchungen am Anatomischen Institut der Universität Tübingen fest, dass die Sicht aufgrund des schmalen extraperitonealen Raumes limitiert bleibt. Hinzukam, dass wir häufig kleine Verletzungen des Peritoneums beobachteten, wodurch es wiederum zu einem ungewollten Pneumoperitoneum mit weiterer Verlegung des Situs kam. Dieses Pneumoperitoneum ist zwar durch eine Punktion im rechten oberen Abdominalquadranten wieder entlastbar, jedoch ist das Vorgehen durch die reduzierte Sicht erschwert.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5