Übersichtsarbeiten - OUP 02/2017

Reduktion der Wirbelsäulenbelastung im Golfsport
Eine Bewegungsmethode nach anatomischen und biomechanisch natürlichen Prinzipien zur VerletzungspräventionMovement patterns based on physiologic anatomical and biomechanical principals of injury prevention

Dietmar Göbel1, Andrea Drollinger2, Frank Drollinger2

Zusammenfassung: In der vorliegenden prospektiven Studie wurden über den Zeitraum von 8 Jahren (2009–2016) 1050 Golfer aller Leistungsklassen bzgl. ihrer Bewegungsvorstellung und der Golfschwungparameter
Center of pressure (COP), Center of mass (COM), den
Bodenreaktionskräften sowie dem Beckenrotationsverhalten in Winkelgraden in Abhängigkeit von der individuellen Standbreite untersucht. Zusätzlich wurden die Position der Wirbelsäule und die Wirbelsäulenachsen frontal und seitlich in Ball-Ansprechposition und während des Schlagablaufens beurteilt. Es wurde die klassische Golf Schwungmethode nach Ben Hogan und nach einem 3-tägigen Schulungskurs der Teilnehmer die Core-Balance-Free-Release-Methode analysiert.

Keiner der Studienteilnehmer hatte bei der zunächst praktizierten Ben-Hogan-Technik eine exakte Bewegungsvorstellung oder war in der Lage, eine für Mentaltraining nötige Schwungbeschreibung abzugeben, während dies mit der Core-Balance-Technik möglich war. COP und COM sowie Winkelgradänderungen des Beckenrotationsverhaltens
zeigten bei der Ben-Hogan-Methode als pathologisch einzustufende Bewegungsmuster, während die Abläufe für die Core-Balance-Methode als im physiologischen Rahmen
eingestuft werden konnten. Daher sollte zur primären und sekundären Prävention von Golfschäden, insbesondere
Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die Ben-
Hogan-Methode mit den Kennzeichen lateraler Scherkräfte durch Gewichtsdruckverlagerungen, einem statischem und dynamischem Beckenschiefstand während der Rotation
gegen die Wirbelsäule inklusive hypermobilem COP und COM im Sinne eines Präventionsstandards ersetzt werden durch die Core-Balance-Methode.

Schlüsselwörter: Golfverletzungen, Rückenschmerzen, Schwung-Kinematik, Core Balance, Bewegungsmethode

Zitierweise
Göbel D, Drollinger A, Drollinger F: Reduktion der Wirbelsäulenbelastung im Golfsport. Eine Bewegungsmethode nach anatomischen und biomechanisch natürlichen Prinzipien zur Verletzungsprävention.
OUP 2017; 2: 100–107 DOI 10.3238/oup.2017.0100–0107

Summary: In this prospective 8 year (2009–2016) study 1050 golfers of all performing levels were examined regarding their individual golf swing visualization and their golf swing parameters center of pressure (COP), center of mass (COM), as well as pelvic movement in relationship to
different standing width. Position of the spine was evaluated in frontal and lateral plane during set-up posture and golf swing. Classical swing mechanics from Ben Hogan and – after 3 days of teaching – new Core Balance Free Release method were compared.

No golfer, playing the Ben Hogan technique, was able to
describe his swing parameters, which would be necessary for visualization and mental training, while –after learning the Core Balance technique all players had detail understanding of their swing parameters.

COP and COM showed pathological pelvic-rotations and swing mechanics for the Ben Hogan technique, while for the Core Balance method mechanics could be classified as physiological. It is concluded that for primary and secondary prevention of golf injuries, especially of the lumbar spine, the old Ben Hogan swinging technique, which is characterized by lateral shear forces, static and dynamic pelvic sidebending while rotating with high force against the spine, and an unbalanced COM and COP, has to be substituted by the Core Balance technique, the latter one as a new standard.

Keywords: golf injuries, low back pain, swing kinematics, core balance, method of movement

Citation
Göbel D, Drollinger A, Drollinger F: Stress reduction of the spine in golf sport. Movement patterns based on physiologic anatomical and biomechanical principals of injury prevention
OUP 2017; 2: 100–107 DOI 10.3238/oup.2017.0100–0107

Einleitung

Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten zeigen, dass bei bis zu 100 % der Golfsportler in ihrer Laufbahn Wirbelsäulen- und/oder Hüftbeschwerden auftreten, bzw. dass ca. 55 Millionen Golfer von Rückenproblemen betroffen sind [1].

Bereits 2007 publizierten die Arbeitsgruppen McHardy und Wadsworth [2, 3], dass vor allem die Wiederverletzungen bei Amateurgolfern häufig sind. Sie kamen bei ihrer 12 Monate dauernden Untersuchung zum Schluss, dass Schäden der Lendenwirbelsäule die am häufigsten auftretende Verletzung darstellt, verursacht durch die Biomechanik des klassischen Golfschwungs.

Beckenschiefstand, ein zu breiter Stand aufgrund von muskulären oder Gelenk-verursachten Dysbalancen, z.B. Arthrose oder Dysplasie, und die Gewichtsverlagerung im Rückschwung gelten nach Kim et al. [1] wie auch Wadsworth [3] und Vad et al. [4] und der Arbeitsgruppe Murray [5] als die Hauptursache für Lendenwirbelbeschwerden und -schmerzen.

Eine eingeschränkte Hüftgelenk- und Beckenbeweglichkeit, ebenso wie Wirbelsäulenvorschäden und -fehlformen (u.a. Skoliose, Spondylolisthesis, etc.) sind bei Golfern daher ein wichtiger biomechanischer und sportmedizinischer Einflussfaktor für den Bereich der Lendenwirbelgelenke und Bandscheiben und bezüglich der Schlagtechnik. Dies ist sowohl in der Primär- aber auch Sekundär- und Tertiärprävention von akuten Verletzungen sowie chronischen Überlastungsschäden im Golfsport von entscheidender Bedeutung.

Die klassische Golf-Bewegungs-Methode wurde 1957 im Buch “5 Lessons”, durch Ben Hogan [6] veröffentlicht und zeichnet sich durch folgende Bewegungs-Kernprinzipien aus:

Dysbalance

Beckenschiefstand

laterale Scherkräfte

eingeschränkte Becken- und Hüftrotation durch breiten Stand

keine 3-D Beschreibung der kinematischen Kette.

Dieser “alten” Golf-Bewegungs-Methode steht die Core-Balance-Free-Release-Methode gegenüber, die 2013 durch Frank Drollinger [7] veröffentlicht wurde. Diese beschreibt als Bewegungs-Prinzipien:

reale, physikalische Balance

Beckenbalance

Direktrotation um die Körperlotachse

keine lateralen Scherkräfte durch Direktrotation um die Körperlotachse

Beschleunigung des Beckens durch Bauchmuskel- und Beinarbeit

Synchronisierung der Rotationsachsen von Schulter, Becken, Hüfte, Knie und Füßen zum Ballimpact

eine präzise 3-D-Beschreibung der kinematischen Bewegungskette

eine präzise Beschreibung eines Bewegungs-Vektoren- und -Timing-Plans.

Ziel der vorliegenden Studie war die Frage, ob die Core-Balance-Methode diesen selbst gestellten Anforderungen gerecht wird und daher als Leitlinien-Standard zur Reduktion bzw. Vermeidung der in der Literatur beschriebenen Verletzungsrisiken empfohlen werden sollte.

Methode

Die Untersuchung wurde als prospektive standardisierte Driving-Range Studie angelegt. Es wurden insgesamt 1050 Golfer im Alter von 18–85 Jahren mit unterschiedlichen Leistungsqualitäten in die Studie aufgenommen. Über den Zeitraum von 8 Jahren (2009–2016) wurden Golfschüler und Ärzte in Deutschland, England, Schweiz, Spanien und den USA in die Studie aufgenommen und analysiert. Alle Teilnehmer mussten einen schriftlichen Fragebogen zur Evaluierung ihrer biomechanischen Methodenkenntnisse ausfüllen sowie Angaben zu Vorverletzungen einschließlich Erkrankungen des Bewegungsapparats und Medikamenteneinnahmen ausfüllen.

Nachfolgend wurden die Probanden auf der Driving Range bzgl. ihrer aktuell bestehenden Schlagtechnik von der Seite und frontal mittels High Speed Camera Casio EX-F1 und der Videosoftware-App Swing Atem und der App Hudl Technique Golf Version 5.3.0 sowie Radar (Flight Scope Software Version FS 2.4 Version 2009 bis Version FS X2 10.0. (2015)) analysiert.

Zusätzlich wurden der Becken-Oberkörper-Winkel für die Methode nach Ben Hogan und nach Schulung (s.u.) für die neue Core-Balance-Methode bestimmt. Anschließend erfolgte in einer 3-tägigen Intensiv-Schulung die Core-Balance Free-Release-Methode.

Es wurde mit allen 1050 Golfern der Core-Balance-Becken-Rotations-Check mittels Capri-Messplatte DIN A0 mit unterschiedlichen Standbreiten vorgenommen (Abb. 1). Die Winkelunterschiede wurden standardisiert erhoben und die Beckenposition vor- und nachher festgehalten.

Der Capri-Test ist ein Koordinatensystem auf einer 84,1 × 118,9 cm (DIN A0) großen Boden-Platte, mit der die Becken-Rotationsmöglichkeit bei unterschiedlichen Standbreiten durch Winkeldifferenzen von Becken-, Schulter-, Knie- und Fußachse, gemessen werden kann. Der Test wurde auf der Insel Capri entwickelt und hat somit den Namen Capri-Test.

Alle 1050 Golfer mussten den Capri-Test zuerst mit einen breiten Stand von 47–52 cm (Ben-Hogan-Golf-Methode) und im Anschluss einen engeren Stand von 25–30 cm (Core-Balance-Methode) einnehmen.

Die Winkelpositionen des Becken-Rotations-Checks (Capri-Test) wurden wie folgt in Grad definiert:

A = 11,25°

B = 22,5°

C = 33,75°

D = 45°

E = 56,25°

F = 67,5°

G = 78,75°

H = 90°

I = 101,25°

J = 112,5°

K = 123,75°

Definition der Fußpositionen

  • Linke Range für Rechtshandspieler abzulesen von vorne und von hinten – Fußposition fixiert auf dem roten Punkt, rechter Fuß Standbreitenvariabel positioniert
  • Rechte Range für Linkshandspieler abzulesen von vorne und von hinten – Fußposition fixiert auf dem roten Punkt, linker Fuß Standbreiten variabel positioniert

Zusätzlich wurde bei allen 1050 Golfern die Gewichtsverteilung im Set-up, zum Ende des Rückschwungs und im Down-swing untersucht sowie die Gewichtsverteilung in Form des COP und des COM im seitlichen und diagonalen Bewegungsweg bestimmt.

Bei 60 Golfern wurden die Druckpunktveränderungen mit Bodenreaktionsmessplatten der Fa. Mega-Scan (Göttingen) gemessen. Verwendet wurde eine Messplatte mit 2288 Messpunkten, Plattengröße 61 x 64 cm; Messfrequenz 40 Hz.

Ergebnisse

100 % der Golfer konnten bei der schriftlichen Ist-Aufnahme zu Studienbeginn ihren kinematischen Bewegungsablauf nicht beschreiben. Der Name der Golf-Methode, die sie ausüben, konnte von keinem Golfer angegeben werden, unabhängig von der Anzahl der Unterrichtsstunden. Alle Probanden hatten nie eine schriftliche Schwungbeschreibung erhalten. Ein mentales Schwungprogrammieren war bei den Teilnehmern, auf Grund der fehlenden Schwungvorstellung, nicht gegeben.

100 % der Probanden hatten während aller Musterschwünge laterale Gewichtsverlagerungen, seitliche Scherkräfte, Dysbalance, Becken-Schiefstände und aufgrund des zu breiten Dysbalance-Stands und einer Gewichts-Druck-Verlagerung im Rück- und Down-swing eine eingeschränkte Beckenrotation.

Nach der Umstellung auf die Core-Balance-Methode konnten die Becken-Schiefstände und Becken-Blockaden in einer Bandbreite von 80–100 % minimiert werden.

Becken-Oberkörper-Winkel: Bei der Ben-Hogan-Methode fand sich ein Becken-Oberkörper-Winkel zwischen 25° und 32°, der, um den Ball in der Ansprechposition erkennen zu können, zu einer geknickten Wirbelsäule zwischen 40° und 54° führt (Abb. 2a–b, Tab. 1).

Halswirbelsäulen-Oberkörperwinkel: Die Halswirbelsäulen-„Knick“-Bildung, d.h. der Winkel zwischen Halswirbelsäulenachse und der Oberkörperhaltung, gemessen im dorsalen Wirbelsäulenverlauf in der Sagittalebene, ist in Abbildung 3 dargestellt. Bei der Core-Balance-Methode finden sich deutlich geringere Anteflexionswinkel und somit eine deutlich geringere Belastung der Nackenmuskulatur.

Capri-Test

Die Messungen haben deutliche Winkelunterschiede in der Becken- und Hüftrotation ergeben. Nach der Umstellung von einem breiten Stand (alte Methode) zu einem deutlich engeren Stand (neue Methode) konnte man eine auffällig bessere Beckenrotation erkennen. Selbst bei 85-jährigen Golfern mit altersgemäß eingeschränkter Beckenrotation konnten die dargestellten positiven Ergebnisse durch die neue Core-Methode erzielt werden. Die Ergebnisse des Becken-Rotations-Checks sind in Tabelle 2 dargestellt, Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse der Core-Balance-Probanden am 3. Tage der Schulung.

Hüftrotationswinkel in Abhängigkeit von Standbreite und Methode: Die Tabellen 4 und 5 zeigen die verschiedenen Hüft-Rotationsgrade unterschieden in die beiden Methoden: Breiter Stand von 47–52 cm (Ben-Hogan-Methode) und engerer Stand 25–30 cm (Core-Balance-Methode).

Analyse Beckenstand

Alle 1050 Teilnehmer hatten mit der klassischen Ben-Hogan-Bewegungstechnik zu keiner Zeit des Golfschwungs eine reale Balance und hieraus resultierend einen durch Biomechanik ausgelösten Beckenschiefstand. Die Gewichtsverteilung COP ergab eine diagonale “8”. Im Rückschwung und Down-Swing verzeichnen der COP und der COM einen seitlichen und diagonalen Bewegungsweg. Nach dem Methodenwechsel (nach 3-tägiger Schulung) konnte bei allen 1050 Probanden der Beckenschiefstand vermieden werden.

Dysbalance-Messungen

Die Druckpunktabzeichnung ergab wiederum eine diagonale “8”. Eine Plausibiliätsprüfung/-anfrage bei der Fa. Swingcatalyst, bestätigte, dass bei Messungen mit Bodenreaktionsmessplatten mit 2000 Messpunkten Dysbalance-Bilder (diagonale “8”) mit einem hypermobilen COP und COM immer zur Abbildung einer diagonalen „8“ führen.

Abbildung 4 stellt die Lotachsenwinkel-Veränderung differenziert für beide Methode im Rückschwung-Finish des Golfschwungs dar. Hier fanden sich für die Core-Balance-Methode deutliche geringere Winkelveränderungen und somit ein geringer bis gar kein Beckenschiefstand am Ende des Rückschwungs.

Diskussion

Golfsport gilt auf Grund seiner milden kardiologischen Ausdauerbelastung, intermittierenden Konzentrations-„Belastung“, komplexen Bewegungs-/Koordinationsanforderung und sozialen Kontaktmöglichkeit als eine der idealen Ausgleichs- und Gesellschafts-Sportarten und ist nicht umsonst in vielen Ländern wie Irland, England, etc. eine der Volkssportarten [8].

Die Walker-Studie über Gesundheits- und Wellness-Benefits durch Golf kommt zu dem Resultat, dass sich der Metabolic-balance und Herz-Kreislaufeffekt durch Golf positiv auf die Gesundheit von Golfern auswirkt: „The studies included in this report show that walking on the golf course can yield a number of positive health and fitness effects for the participant.” [9].

Spätestens aber seit Golfsport nun olympisch geworden ist, und immer mehr Schüler und Jugendliche bereits mit ambitionierten oder sogar Leistungssportansprüchen an den Golfsport herangehen, ist eine Statusanalyse auch von orthopädisch-sportmedizinischer Seite nötig. Die vorliegende Studie tut dies mit über 1050 Probanden erstmals in großem, prospektivem Ausmaß über alle Alters- und Leistungsklassen hinaus.

Es zeigte sich, dass trotz des komplexen Bewegungsablaufs gerade bei langen Schlägen alle Studienteilnehmer letztlich keine Bewegungsbeschreibung und -Vorstellung hatten. Somit war keinem Sportler eine Visualisierung der Schlag- und Bewegungsabläufe möglich. Ein mentales Training, wie es in anderen komplexen Sportarten Standard ist, um die Bewegungsabläufe schneller zu erlernen, war somit für den Golfsport nach der alten Methode nach Ben Hogan ausgeschlossen. Für Schüler und Jugendliche, aber auch für den Sportler mit z.B. Wirbelsäulenvorschäden ist somit eine Reduktion der absoluten Schlagzahl und folgerichtig der physischen Belastung des Bewegungsapparats nicht möglich. Erst nach 3-tägigem Schulungskurs nach der Core-Balance-Methode waren die Schüler in der Lage, ihre Schlagtechnik zu beschreiben und ein entsprechendes mentales Training durchzuführen. Somit können auch bei zunächst primärer Annahme einer gesunden Bewegungsform beider Methoden (Ben-Hogan und Core Balance), nur durch die Core-Balance-Methode die physische Belastung des Bewegungsapparats und die Gefahr von Überlastungsschäden durch bessere Trainingsperiodisierung reduziert werden. Durch die in der Sportwissenschaft bekannten Vorteile des mentalen Bewegungstrainings kann – wie für andere Sportarten – erwartet werden, dass die Gefahr und Häufigkeit von Fehlschlägen – u.a. sogenannte fette Schläge in den Boden – reduziert wird und die Methode auch als Prävention von Akutverletzungen anzusehen ist.

Entsprechend den anatomischen Vorgaben der Lendenwirbelsäule mit in Sagittalrichtung positionierten Facettengelenken und somit nur begrenzter Fähigkeit der Seitneigung muss der Golfschlag in klassischer Technik als pathologisch angesehen werden, d.h. bei entsprechend häufiger Ausführung als schädlich. Beachtet man die zusätzlich hyperlordosierende Bewegungsausführung in der klassischen Ben-Hogan-Methode, muss bei repetitiver Ausführung langer Golfschläge, entsprechend unserem orthopädisch-sportmedizinischen Basiswissen um die Gefahr von Spondylolysen und -listhesen bei hyperlordosierenden Sportarten ein Folgeschaden für die Wirbelsäule erwartet werden – u.a. bei Ballett, Kunstturnen, Speerwerfen, Delphinschwimmen etc. [10].

Dieses Wissen findet sich letztlich heute sogar in guten Patientenratgebern [11], sodass es zumindest auch für Sportwissenschaftler, Fitnesstrainer etc. vorausgesetzt werden muss. Transferiert man das Wissen der Manualmedizin [12, 13], welche selbst zur sanften Mobilisierung einzelner Facettengelenke der Lendenwirbelsäule die nicht zu mobilisierenden Nachbargelenke durch Hyperlordose und Rotation verriegelt, wird klar, das eine Golfschwungbewegung, welche genau in solche Positionen hineingeführt wird (Abb. 5, 6 und 7), schädigend für die Wirbelsäule sein muss bzw. als schädigend erwartet werden kann. Daher war es den Autoren auch nicht möglich, ihre prospektive Studie als randomisierte Gruppenstudie anzulegen, da in Folge der vorgenannten Darlegungen bereits vorab in der Gruppe der Ben-Hogan-Methode eine höhere Zahl von Verletzungen zu erwarten wäre.

Unsere repräsentative Untersuchung zeigt auf, dass der klassische Golfschwung – im Gegensatz zu Core-Balance-Methode – statische und während der Rotation auch dynamische Becken-Schiefstände mit resultierenden Gelenkblockaden erzeugt. Diese werden in die Lendenwirbelsäule (LWS) fortgesetzt mit resultierenden pathologischen Torsions- und seitlichen Knickbelastungen. Heuberer [14] stellte fest, dass Körper-Gewichtsverlagerungen zu Druckverlagerungen bei der Ben-Hogan-Methode im Rückschwung-Finish die Beinmuskulatur und Hüftgelenke durch Kompressionsdruck temporär blockieren. Folglich rotiert die Schulter schnell und zieht das Becken schleppend nach. Ein großer X-Faktor-2 nach Drollinger von Fuß-, Becken- aber auch Schulterrotationsachsen entsteht. Das Becken hat nur die Chance, lateral auszuweichen. Somit entstehen laterale Scherkräfte des Beckens gegen die Lendenwirbel. Hierfür sind die Facettengelenke der Wirbelsäule und die Bandscheiben nicht konstruiert.

Daher kommt Heuberer zu der Schlussfolgerung, dass sich diese lateralen Scherkräfte schädigend auf die Wirbelsäule auswirken. Diese Bewertung von Heuberer deckt sich tendenziell mit den Beobachtungen von Kim et. al. [1]. Auch Fischer kommt, ebenso wie andere Autoren [2, 3], zu dem Schluss, dass die klassische Methode hohe Belastungen auf die Bandscheiben beim Golfschwung bewirken und hierdurch Verletzungen der Lendenwirbelsäule durch die Golfschwungbiomechanik verursacht werden. Diese Untersuchungen decken sich mit der Bewertung der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin, welche den herkömmlichen Golfschwung als „rückenschädlich” bewertet [8].

Die Ergebnisse unserer Druckplattenmessungen (Dysbalance-Messungen) zeigten im direkten Methodenvergleich, dass Beckenschiefstände, abgebildet über eine diagonale 8, sowohl laterale als auch diagonale Gewichtsdruckveränderungen ergaben und sich praktisch ausschließlich bei der Ben-Hogan-Methode fanden. Diese Dysbalancen gelten als pathologisch und können als mit ursächlich für „lower back pain“, Bandscheibenvorfälle, Gelenkknochenbrüche und Arthrose angenommen werden. Unsere oben dargestellten Untersuchungen zeigten, dass die Kernprinzipien, den COP und COM zu stabilisieren, mit der Core-Balance-Free-Release-Methode im Gegensatz zur Ben-Hogan-Methode gut umgesetzt werden können. Somit ist folgerichtig die Belastung der Lendenwirbelsäule und der dortigen Bandscheibe wie auch Facettengelenke durch die Core-Balance-Methode deutlich reduziert.

Laut Literatur ist eine der Hauptursachen von LWS-Beschwerden im Golfsport aber zusätzlich bereits in der Hüftgelenkebene, bzw. speziell in der Rotationsfähigkeit der Hüftgelenke zu finden. Eingeschränkte Hüftgelenk- und Beckenbeweglichkeit ist bei Golfern ein wichtiger biomechanischer und sportmedizinischer Einflussfaktor für den Bereich der Lendenwirbelgelenke und Bandscheiben.

Dies erkannten neben Vad und Mitarbeitern [4] 2014 auch andere Autoren wie Lejowski [16], und Murray [5]. Auch Kim et al. [1] nehmen in ihrer Arbeit über Lendenwirbelsäule-Beschwerden bei Golfsportlern u.a. auf eine eingeschränkte Hüftbeweglichkeit Bezug. Neben den Ursachen, die durch den Sportler vorgegeben sind, z.B. Coxarthrosen; Voroperationen der Hüftgelenke (Umstellungsosteotomien oder Hüftendoprothesen etc.), aber auch Hyperlordosen mit resultierendem Impingement des ventralen Azetabulums am Schenkelhals etc. ist auch die Standbreite des Sportlers von entscheidender Bedeutung.

Entsprechend der Hüftanatomie und nochmals belegt durch die o.g. Publikationen führt ein breiter Stand (im Vergleich zur Neutralposition vermehrte Hüftabduktion der Hüftgelenke und bei Sportlern häufig kombiniert mit Außenrotationsstellung der Hüfte und Füße) zu einer eingeschränkten Hüftrotation. Dieser breitere Stand erscheint bei der untersuchten alten Methode nach Ben Hogan aufgrund der Gewichtsverlagerung auf das zielferne Bein und den entstehenden lateralen Scherkräften durch Dysbalance (Abb. 8) während des gesamten Golfschwungs notwendig. Vorschläge, die in der Literatur geäußert werden [17]: „ Diese Wirbelsäulenbelastungen können Sie reduzieren, indem Sie im Rückschwung Ihr Gewicht mit einer geraden Wirbelsäule verschieben ...“ erscheinen unrealistisch, insbesondere wenn man die Abbildungen der Publikation analysiert. Es wird eine Seitneigung nach zielfern mit Beckenschiefstand als korrekte Technik dargestellt. Anatomisch kommt es aber bei dieser zunächst durch Auflegung von Grafikpfeilen vermeintlich geraden Lendenwirbelsäule zu einer Knickbildung mindestens L4 bis S1, also der meistbelasteten Etagen der Wirbelsäule. Anders ist die Beckenschiefstellung mit Becken zielnah hoch und zielfern tief nicht realisierbar. Daher ist die Technik anatomisch als optischer Trugschluss anzusehen.

Eine Entlastung der Wirbelsäule oder physiologische Belastung ohne Knickbildung der Lendenwirbelsäule ist daher nur durch Belastung beider Beine im Sinne 50 zu 50 denkbar. Eine Rotation im Schwungablauf kann dann nur im Sinne Lotrechter Direktrotation stattfinden und ohne seitliche Knickbildungen!

Neben der Einschränkung der Hüftrotation durch die oben beschriebene Standtechnik in der Schlagausgangsposition, entsteht in der Ausholbewegung eine endgültige Blockade der Hüftrotation durch/mit Beckenschiefstand, durch Gewichtsverlagerung auf das zielferne Bein. Der Ausgleich der fehlenden Rotation der Hüfte kann nur in der Wirbelsäule bewusst versucht werden, da in der Regel der Golfer mit dem klassischen Golfschwung in der Ausholbewegung das Knie streckt und/oder Gewichtsdruck lateral und/oder diagonal verlagert und/oder Rücklage einnimmt und/oder Becken oder Schulter überdreht. So wird jegliche Becken- und Hüftrotation, aber auch Beinarbeit temporär verriegelt und blockiert.

Das Sprunggelenk ist in der Knöchelgabel fixiert und lässt somit keine Rotation zu. Der Ausgleich über die Wirbelsäule muss als pathologisch gelten, da er in eine Skoliosehaltung hineinarbeitet. Daher führt die beschriebene Blockade zu hohen Achs-Winkeln und somit zu Torsionen gegen die Lendenwirbelsäule und die dortigen Facettengelenke, Bandscheiben und Gelenkknorpel. Diese ist in der Fachliteratur bereits mehrfach als Ursache von Lendenwirbelsäulen-Beschwerden des Golfers beschrieben worden [1, 5, 14, 16].

Verbessert man die Rotationsfähigkeit statisch durch einen engeren Stand, wird es erforderlich, das Prinzip der Schwungbiomechanik von Dysbalance der Ben-Hogan-Technik auf Core-Balance zu wechseln.

Ein möglichst hüftbreiter Stand, wie bei der Core-Balance-Free-Release-Methode definiert, entspricht der anatomischen Grundhaltung und ist somit erstrebenswert. Unsere Capri-Test-Ergebnisse zeigten, das beim methodischen Prinzipienwechsel der Core-Balance-Methode durch eine Direktrotation um die Körperlotachse auf den breiten Stand verzichtet werden kann. Die Beckenflexibilität, aber auch die Synchronisierung der Rotationsachsen zum Ballimpact, wie Fuß-, Knie- und Schulterachse, sorgen für eine signifikant bessere Beckenrotation.

Bezüglich der Hals- und Brustwirbelsäule hat Ben Hogan in seinem Buch „5 Lessons” keine Angaben für einen Becken-Oberkörper-Winkel vorgenommen. Die Folge war, dass der Lie-Angel von Golfschlägern 64° als Standard aufweist, unabhängig von Sportlergröße und Schlägerlänge.

Ein Absenken des Kopfs wird, aufgrund eines zu steilen Becken-Oberkörper-Winkels, häufig notwendig, um den Ball zu fixieren. Dies führt zu den gemessenen steilen Becken-Oberkörper-Winkeln, zwischen 25° und 32°, und einer geknickten Halswirbelsäule zwischen 40° und 54°.

Dieses Abknicken drückt statisch und unter Rotation auch mit den hohen Rotationsgeschwindigkeiten des Down-swings einseitig auf die Bandscheiben und Neuroforamina der Halswirbelsäule (HWS) und muss somit als pathologische Körperposition gelten.

Die Core-Balance-Methode hat in der kinematischen Kette eine schriftliche Definition für den Becken-Oberkörper-Winkel mit 40° im Verhältnis zur Senkrechten, wodurch die Belastung der Halswirbelsäule und der Nackenmuskulatur reduziert wird. Dies ist ärztlicherseits im Sinne der Kopfhaltung bereits aus Untersuchungen bekannt und ähnelt den Belastungen der „jugendlichen Smartphone-Haltung“ mit resultierender HWS-Belastung. So sind Veränderungen des Anteflexionswinkels der HWS von 10° auf 30° mit Belastungssteigerungen der HWS entsprechend der Literatur von 10 Pounds auf 40 Pounds nachgewiesen [18].

Die vorliegende Untersuchung ergab bei allen Probanden ein Vorbeugen in der oberen Brustwirbelsäule. Nach Umstellung auf die Core-Balance-Methode mit der detaillierten schriftlichen Anweisung für den Becken-Oberkörper-Winkel von 40°, trat dieses Vorbeugen in der oberen Wirbelsäule nicht mehr auf, wodurch o.g. Schädigungsmechanismen vermieden werden konnten.

Zusammenfassend muss auf Grund unserer Studienergebnisse und unter Berücksichtigung der natürlichen Anatomie, der klassische Golfschwung nach Ben Hogan als pathologisch angesehen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der bekannten Zivilisationsschäden unseres Bewegungsapparats mit Fehlhaltungen im HWS- und LWS- Bereich, Haltungsschwächen und Imbalancen durch einseitige berufliche Tätigkeiten und Bewegungsmangel schon bei jungen Leuten, aber auch Arthrose und Operationsfolgen.

Dagegen erscheint die Core-Balance-Methode mit bewusstem Synchronisieren der Rotationsachsen von Fuß-, Knie- Becken-, Hüft- und Schulterachsen für ein Nicht-Auftreten von Torsionen gegen die Lendenwirbel sowie die Vermeidung eines schädigenden Beckenschiefstands frei von Kontraindikationen zu sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass schädigende Kräfte in der Lendenwirbelsäule auftreten, scheint minimiert bzw. bei korrekter Methodenanwendung vernachlässigbar niedrig zu sein. Sowohl Breiten- und Amateursportler, Kinder und ältere Golfer als auch Leistungssportler könnten daher von einer neuen biomechanisch und sportmedizinisch unbedenklichen Ausführung des Golfschwungs profitieren.

Da ein Golfspiel über 9 oder 18 Loch gespielt wird, zwischen 1,5 und 4 Stunden dauert und die Herzfrequenz niedrig ist, wird es dem positiven Stoffwechsel- und Herzkreislauftraining zugerechnet. Durch die Core-Balance-Methode fehlen nunmehr Kontraindikationen aus dem Bereich des Bewegungsapparats und der Golfsport kann somit auch insgesamt als „Förderung der Gesundheit“ entsprechend jeder olympischen Sportart neu definiert werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Dietmar Göbel

Praxisklinik Donaueschingen

Karlstraße 10

78166 Donaueschingen

info@orthopaedie-donaueschingen.de

Literatur

1. Kim SB, You MSJH, Kwon OY, Yi CH: Lumbopelvic Kinematic Characteristics of Golfers With Limited Hip Rotation. Am J Sports Med, 2014;
DOI: 10.1177/0363546514555698

2. McHardy A, Pollard H, Luo K: One-year follow-up study on golf injuries in Australian amateur golfers. Am Journal Sports Med 2007; 35: 1354–1360

3. Wadsworth L, Tyler MD: When golf hurts: Musculoskeletal problems common to golfers. Currant Sports Medicine Reports 2007; 6: 362–365

4. Vad VB, Bhat AL, Basrai D, Gebeh A,
Aspergreen D, Andrews JR: Low
Back Pain in Professional Golfers.
Am J Sports Med 2004; DOI: 1177/
0363546503261729

5. Murray E, Birley E, Twycross-Lewis R, Morrissey D: The relationship between hip rotation range of movement and low back pain prevalence in amateur golfers: An observational study. Physical Therapy in Sport 2009; 10: 131–135

6. Ben Hogan´s “Five Lessons”. The modern fundamentals of golf. Simon und Schuster 2006

7. Drollinger F: Golf – Das neue Testament. Birkenfeld: Novus Plus Verlagsgesellschaft, 2013

8. Boldt F, Ferrauti A, Wolff R: Sportmedizinische Aspekte des Golfsports. Deut Zeit f Sportmed 2000; 51: 67–70

9. Mathew Walker M: The Health & Wellness Benefits of Golf Participation & Involvement; 2011

10. Wirth CJ, Mutschler W: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Stuttgart: Thieme Verlag, 2009

11. Grifka J: Der große Ratgeber gesunder Rücken. München: Zuckschwerdt Verlag, 2014

12. Lewit K: Manuelle Medizin. 6. Aufl. 1992, Leipzig: J Ambrosius Barth Verlag

13. Sachse J, Schildt-Rudloff K: Manuelle Untersuchung und Mobilisationsbehandlung der Wirbelsäule. Berlin: Ullstein Mosby Verlag, 1992

14. Heuberer I: Expertise zum Thema: Lateralverschiebung des Beckens und Rotation der Wirbelsäule beim Golfen; 2015

15. Fischer S: Biomechanische Belastungsaspekte der Wirbelsäule beim Golfschwung; Sport Orthop. Traumatol. 2013, 29: 89–95

16. Lejkowski PM, Poulsen E: Elimination of intermittent chronic low back pain in a recreational golfer following improvement of hip range of motion impairments. J Bodyw Mov Ther. 2013; 17: 448–452

17. Lauterburg M: Der Golfschwung der ihren Rücken schont. Drive 2003: 54–55

18. Hansra KK: Assessment of stresses in the cervical spione caused by posture and position of the head. Surgical technology International 2014; 25: 1–3

Fussnoten

1 Praxisklinik Donaueschingen, Facharzt für Orthopädie, Arzt für Sportmedizin, Chirotherapie und Physikalische Medizin, Golf Medical Coach

2 United Golfers GmbH, Engelsbrand

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