Übersichtsarbeiten - OUP 02/2017

Reduktion der Wirbelsäulenbelastung im Golfsport
Eine Bewegungsmethode nach anatomischen und biomechanisch natürlichen Prinzipien zur VerletzungspräventionMovement patterns based on physiologic anatomical and biomechanical principals of injury prevention

Die Ergebnisse unserer Druckplattenmessungen (Dysbalance-Messungen) zeigten im direkten Methodenvergleich, dass Beckenschiefstände, abgebildet über eine diagonale 8, sowohl laterale als auch diagonale Gewichtsdruckveränderungen ergaben und sich praktisch ausschließlich bei der Ben-Hogan-Methode fanden. Diese Dysbalancen gelten als pathologisch und können als mit ursächlich für „lower back pain“, Bandscheibenvorfälle, Gelenkknochenbrüche und Arthrose angenommen werden. Unsere oben dargestellten Untersuchungen zeigten, dass die Kernprinzipien, den COP und COM zu stabilisieren, mit der Core-Balance-Free-Release-Methode im Gegensatz zur Ben-Hogan-Methode gut umgesetzt werden können. Somit ist folgerichtig die Belastung der Lendenwirbelsäule und der dortigen Bandscheibe wie auch Facettengelenke durch die Core-Balance-Methode deutlich reduziert.

Laut Literatur ist eine der Hauptursachen von LWS-Beschwerden im Golfsport aber zusätzlich bereits in der Hüftgelenkebene, bzw. speziell in der Rotationsfähigkeit der Hüftgelenke zu finden. Eingeschränkte Hüftgelenk- und Beckenbeweglichkeit ist bei Golfern ein wichtiger biomechanischer und sportmedizinischer Einflussfaktor für den Bereich der Lendenwirbelgelenke und Bandscheiben.

Dies erkannten neben Vad und Mitarbeitern [4] 2014 auch andere Autoren wie Lejowski [16], und Murray [5]. Auch Kim et al. [1] nehmen in ihrer Arbeit über Lendenwirbelsäule-Beschwerden bei Golfsportlern u.a. auf eine eingeschränkte Hüftbeweglichkeit Bezug. Neben den Ursachen, die durch den Sportler vorgegeben sind, z.B. Coxarthrosen; Voroperationen der Hüftgelenke (Umstellungsosteotomien oder Hüftendoprothesen etc.), aber auch Hyperlordosen mit resultierendem Impingement des ventralen Azetabulums am Schenkelhals etc. ist auch die Standbreite des Sportlers von entscheidender Bedeutung.

Entsprechend der Hüftanatomie und nochmals belegt durch die o.g. Publikationen führt ein breiter Stand (im Vergleich zur Neutralposition vermehrte Hüftabduktion der Hüftgelenke und bei Sportlern häufig kombiniert mit Außenrotationsstellung der Hüfte und Füße) zu einer eingeschränkten Hüftrotation. Dieser breitere Stand erscheint bei der untersuchten alten Methode nach Ben Hogan aufgrund der Gewichtsverlagerung auf das zielferne Bein und den entstehenden lateralen Scherkräften durch Dysbalance (Abb. 8) während des gesamten Golfschwungs notwendig. Vorschläge, die in der Literatur geäußert werden [17]: „ Diese Wirbelsäulenbelastungen können Sie reduzieren, indem Sie im Rückschwung Ihr Gewicht mit einer geraden Wirbelsäule verschieben ...“ erscheinen unrealistisch, insbesondere wenn man die Abbildungen der Publikation analysiert. Es wird eine Seitneigung nach zielfern mit Beckenschiefstand als korrekte Technik dargestellt. Anatomisch kommt es aber bei dieser zunächst durch Auflegung von Grafikpfeilen vermeintlich geraden Lendenwirbelsäule zu einer Knickbildung mindestens L4 bis S1, also der meistbelasteten Etagen der Wirbelsäule. Anders ist die Beckenschiefstellung mit Becken zielnah hoch und zielfern tief nicht realisierbar. Daher ist die Technik anatomisch als optischer Trugschluss anzusehen.

Eine Entlastung der Wirbelsäule oder physiologische Belastung ohne Knickbildung der Lendenwirbelsäule ist daher nur durch Belastung beider Beine im Sinne 50 zu 50 denkbar. Eine Rotation im Schwungablauf kann dann nur im Sinne Lotrechter Direktrotation stattfinden und ohne seitliche Knickbildungen!

Neben der Einschränkung der Hüftrotation durch die oben beschriebene Standtechnik in der Schlagausgangsposition, entsteht in der Ausholbewegung eine endgültige Blockade der Hüftrotation durch/mit Beckenschiefstand, durch Gewichtsverlagerung auf das zielferne Bein. Der Ausgleich der fehlenden Rotation der Hüfte kann nur in der Wirbelsäule bewusst versucht werden, da in der Regel der Golfer mit dem klassischen Golfschwung in der Ausholbewegung das Knie streckt und/oder Gewichtsdruck lateral und/oder diagonal verlagert und/oder Rücklage einnimmt und/oder Becken oder Schulter überdreht. So wird jegliche Becken- und Hüftrotation, aber auch Beinarbeit temporär verriegelt und blockiert.

Das Sprunggelenk ist in der Knöchelgabel fixiert und lässt somit keine Rotation zu. Der Ausgleich über die Wirbelsäule muss als pathologisch gelten, da er in eine Skoliosehaltung hineinarbeitet. Daher führt die beschriebene Blockade zu hohen Achs-Winkeln und somit zu Torsionen gegen die Lendenwirbelsäule und die dortigen Facettengelenke, Bandscheiben und Gelenkknorpel. Diese ist in der Fachliteratur bereits mehrfach als Ursache von Lendenwirbelsäulen-Beschwerden des Golfers beschrieben worden [1, 5, 14, 16].

Verbessert man die Rotationsfähigkeit statisch durch einen engeren Stand, wird es erforderlich, das Prinzip der Schwungbiomechanik von Dysbalance der Ben-Hogan-Technik auf Core-Balance zu wechseln.

Ein möglichst hüftbreiter Stand, wie bei der Core-Balance-Free-Release-Methode definiert, entspricht der anatomischen Grundhaltung und ist somit erstrebenswert. Unsere Capri-Test-Ergebnisse zeigten, das beim methodischen Prinzipienwechsel der Core-Balance-Methode durch eine Direktrotation um die Körperlotachse auf den breiten Stand verzichtet werden kann. Die Beckenflexibilität, aber auch die Synchronisierung der Rotationsachsen zum Ballimpact, wie Fuß-, Knie- und Schulterachse, sorgen für eine signifikant bessere Beckenrotation.

Bezüglich der Hals- und Brustwirbelsäule hat Ben Hogan in seinem Buch „5 Lessons” keine Angaben für einen Becken-Oberkörper-Winkel vorgenommen. Die Folge war, dass der Lie-Angel von Golfschlägern 64° als Standard aufweist, unabhängig von Sportlergröße und Schlägerlänge.

Ein Absenken des Kopfs wird, aufgrund eines zu steilen Becken-Oberkörper-Winkels, häufig notwendig, um den Ball zu fixieren. Dies führt zu den gemessenen steilen Becken-Oberkörper-Winkeln, zwischen 25° und 32°, und einer geknickten Halswirbelsäule zwischen 40° und 54°.

Dieses Abknicken drückt statisch und unter Rotation auch mit den hohen Rotationsgeschwindigkeiten des Down-swings einseitig auf die Bandscheiben und Neuroforamina der Halswirbelsäule (HWS) und muss somit als pathologische Körperposition gelten.

Die Core-Balance-Methode hat in der kinematischen Kette eine schriftliche Definition für den Becken-Oberkörper-Winkel mit 40° im Verhältnis zur Senkrechten, wodurch die Belastung der Halswirbelsäule und der Nackenmuskulatur reduziert wird. Dies ist ärztlicherseits im Sinne der Kopfhaltung bereits aus Untersuchungen bekannt und ähnelt den Belastungen der „jugendlichen Smartphone-Haltung“ mit resultierender HWS-Belastung. So sind Veränderungen des Anteflexionswinkels der HWS von 10° auf 30° mit Belastungssteigerungen der HWS entsprechend der Literatur von 10 Pounds auf 40 Pounds nachgewiesen [18].

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