Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Revision der inversen Schulterprothese (RSA)

Erkennung der Risikofaktoren und Therapieoptionen bei der Instabilität

Bei frühzeitiger Erkennung der Instabilität innerhalb von 3 Monaten nach der Operation, einem BMI > 30 kg/m2 , bekannter Subscapularis-Insuffizienz und nach multiplen Voroperationen kann die geschlossene Reposition versucht werden. Eine Ruhigstellung für ca. 4–6 Wochen in der Abduktionsorthese kann als Erstbehandlung nach Luxation, wenn auch selten, erfolgreich sein [10]. Die geschlossene Reposition allein soll im Durchschnitt 28 Monate nach der Reposition eine Erfolgsquote von 62 % aufweisen [24]. Meist ist jedoch schon einige Wochen nach der Primärimplantation bereits eine offene Reposition erforderlich. Eine sorgfältige präoperative Analyse der Röntgenserien im Verlauf oder sogar eine bilaterale Darstellung im CT mit Seitenvergleich der Armlänge sowie der Beurteilung der Position und Größe der Komponenten in der reformierten Schnittebene der Scapula ist oft hilfreich, um einen technischen Fehler zu erkennen. Leider ist auch unter Verwendung von Artefaktreduktion in der „Dual Energie“-CT-Technik eine genaue Beurteilung nicht immer möglich. Nach mehrfachen Rezidiven sinken die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung, und es sollte eine Infektion ausgeschlossen werden [9]. Eine Erhöhung der Weichteilspannung kann durch Verlängerung des Arms durch höhere Inlays, metallische Aufbauten der Metaphyse oder einen Schaftwechsel erreicht werden.

Die Korrektion der glenoidalen Komponenten kann durch Wechsel auf eine größere, lateralisierte oder exzentrische Glenosphäre oder einen Wechsel der Basisplatte erreicht werden. Falls noch mobilisierbare Reste der Subscapularissehne vorhanden sind, sollten diese unbedingt refixiert werden. Edwards et al. [13] zeigten 0 % Luxation nach der Reparatur des Subscapularis, aber eine Instabilität von 9 % bei einem irreparablen Subscapularis.

Im Gegensatz haben Friedman et al. [14] retrospektiv 591 RSAs, allerdings mit lateralisiertem Design, überprüft und auch bei einer Gesamtinstabilitätsrate von 0,5 % keinen Unterschied zwischen Patienten festgestellt, die eine Refixation erhielten und solchen mit irreparablem Subscapularis. Hinsichtlich der Instabilitätsrate kann daher die Funktion des Subscapularis durch eine Veränderung des Designs (glenoidale Lateralisierung des Drehzentrums) kompensiert werden.

Infektion

Infektion ist die zweithäufigste Revisionsursache. Sie tritt am häufigsten nach mehrfach früheren Operationen auf (z.B. Osteosynthese, Instabilitätsoperationen, Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion oder Versagen der anatomischen Prothesen), wobei das Risiko mit der Anzahl der Voroperationen steigt [4]. Die Infektionsrate ist bei der RSA höher als bei der anatomischen Schulterprothese, 2,9 % vs. 0,51 % [2]. In der Wechseloperationen ist diese Rate mit 5,8 % signifikant höher [29]. Der häufigste nachweisbare Keim ist daher wohl immer noch außer Low-grade-Keimen (Propionibacterium acnes, Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus [18].

Die Faktoren, die zu einer erhöhten Infektionsrate beitragen, sind häufige Voroperationen und Weichteilschäden [11], weshalb bei Revisionen grundsätzlich immer mit einer Überlagerung durch eine Low-grade-Infektion zu rechnen ist.

Während akute Infektionen (innerhalb von 3 Monate postoperativ) noch mit Debridement und PE-Komponente/Glenosphären-Austausch neben einer systemischen Antibiose behandelt werden können, ist bei chronischen Infektionen (nach 3 Monaten) meist die Entfernung der Implantate möglich. Die Resektionsarthroplastik sollte als Rettungsoperation möglichst nur bei sehr hohem OP-Risiko, auf Wunsch des Patienten, bei therapieresistenten Infektionen und nach Versagen aller anderen chirurgischen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer angepassten Antibiotika-Therapie erfolgen. Das funktionelle Ergebnis bleibt in der Regel unbefriedigend [18].

Die Implantatentfernung bei der Wechseloperation birgt die Gefahr von periprothetischen Humerusfrakturen und Knochendefekten. Der einzeitige Wechsel führt zu besseren funktionellen Ergebnissen mit geringeren Morbiditätsraten, jedoch mit dem höheren Risiko einer erneuten Infektion. Jacquot et al. [18] kamen in einer multizentrischen Studie zu dem Schluss, dass ein einzeitiges Verfahren nur dann indiziert ist, wenn der Keim vorab bekannt ist. Der 2-zeitige Wechsel wird daher meistens bevorzugt, wobei nach der vollständigen Implantatentfernung und Debridement eine Keim-adaptierte antibiotikahaltige Interimsprothese, meist aus PMMA, eingebracht wird, um den resultierenden Totraum auszufüllen und eine lokale Antibiotikafreisetzung für 6–8 Wochen zu gewährleisten. Wir bevorzugen dieses Verfahren insbesondere bei Biofilm-bildenden Keimen oder wenn der Erreger unbekannt oder multiresistent ist [4].

Nervenschäden

Aktuelle Studien demonstrieren eine Gesamtquote von durchschnittlich 1,2 % nach RSA [2]. Diese Rate ist bei der inversen TEP höher als bei einer anatomischen Schulterendoprothese. Die meisten Läsionen des N. axillaris und des Plexus brachialis sind jedoch nur temporär, mit guter Rückbildungstendenz. Dauerhafte Läsionen entstehen meist durch eine brüske Überdehnung oder eine Design-bedingte, übermäßige Armverlängerung und Lateralisation, insbesondere bei Plattformsystemen, seltener bei dem klassischen Grammont-Design [22].

Ausgesprochen selten wird bei fehlender Rückbildungstendenz ein Wechsel der Implantate oder eine Nerventransplantation erwogen [7].

Intraoperative/postoperative periprothetische Frakturen

Frakturen können traumatisch (z.B. durch Sturz), als Folge einer Auslockerung des Schafts oder iatrogen bei versuchter Implantat-Extraktion auftreten. Die Behandlung hängt von assoziierten Komplikationen und dem Frakturtyp ab. Bei uns hat sich als Entscheidungshilfe die Verwendung der modifizierten Klassifikation von Wright und Cofield durch Worland (analog zur Vancouver-Klassifikation in der Hüftendoprothetik) bewährt. Es werden hier grundsätzlich 3 Haupttypen A, B und C entsprechend der Lokalisation bezogen auf den Schaft und dessen Festigkeit im Knochen berücksichtigt.

Bei ausgelockertem, instabilem Schaft stellen der Wechsel auf einen längeren Schaft mit distaler Verankerung und die gleichzeitige Osteosynthese mittels Kabeln und Cerclagen die Therapie der Wahl dar.

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