Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Revision der inversen Schulterprothese (RSA)

Bei stabilem Schaft hängt das Vorgehen von der Höhe (metaphysär/Mitte der Diaphyse/distales Drittel des Schaftes), dem Frakturtyp (ein oder mehrere Fragmente, quere oder lange Spiralfraktur) und dem vorliegenden Implantattyp ab. Grundsätzlich ist die intramedulläre Verankerung durch einen Revisionsschaft stabiler und leichter funktionell zu behandeln als eine Plattenosteosynthese. Letztere sollte daher bevorzugt nur bei Frakturen unterhalb der Prothesenspitze insbesondere im distalen Drittel des Humerus zum Einsatz kommen. Wenig verschobene Schräg- oder Spiralfrakturen können bei stabilem Implantat auch konservativ behandelt werden, wobei die Ruhigstellung meistens schwer durchführbar, für den Patienten belastend ist und lange dauert (in der Regel mindestens 3–4 Monate).

Ermüdungsbruch der
Spina scapulae

Die Prävalenz dieser Komplikation wird je nach Krankengut und Implantattyp auf 1–2 % geschätzt [2], wobei Plattformsysteme, die nicht dem Grammont-Design folgen, eine 3–4-mal höhere Rate verursachen [1]. Crosby et al. [12] veröffentlichten in ihrer Serie und Klassifizierung diese postoperative Komplikation mit einer 5,5%igen Rate. Klinisch manifestiert sie sich durch eine plötzlich auftretende, schmerzhafte Bewegungseinschränkung nach vorher regelhafter Rehabilitation. Häufig ist der Ermüdungsbruch der Spina scapulae erst in dem Röntgen-CT zu erkennen [12].

Wird die Stressfraktur gleich erkannt und durch die Ruhigstellung auf einer Abduktionsorthese konservativ behandelt, lässt sich häufig eine Ausheilung erreichen, wenn auch in leicht abgekippter Stellung und mit mäßigem Funktionsverlust. Versuche, diese Ermüdungsfrakturen durch Platten zu stabilisieren, sind aufgrund der biomechanisch ungünstigen Ausgangsbedingungen bei liegender iSTEP oft mit einem schlechten funktionellen Ergebnis und hohen Pseudarthrosenraten behaftet [26].

Lockerung der Basisplatte

Die aseptische Lockerung der Basisplatte einer RSA ist im Gegensatz zur anatomischen Endoprothese auch im Langzeitverlauf ein eher seltenes Ereignis mit 1,4 % [29]. Eine Low-grade-Infektion als Ursache einer vorzeitigen Implantatlockerung sollte daher möglichst ausgeschlossen werden.

Ein frühzeitiger Ausbruch der Basisplatte (innerhalb der ersten Wochen nach Implantation) lässt auf unzureichende Festigkeit der primären Verankerung schließen, sei es, dass weniger als 10 mm des zentralen Zapfens im nativen Knochen verankert waren oder das knöcherne Lager keine ausreichend stabile Fixierung erlaubte (Defekte, hochgradige Osteoporose).

Oft lässt sich als Ursache ein technischer Fehler identifizieren (z.B. vorzeitiges, progressives Notching als Folge einer zu kranialen Implantation der Basisplatte oder einer vermehrten superioren Inklination. Dieser Fehler kann ebenso wie eine zu starke Lateralisation zu übermäßigen Scherkräften und vorzeitiger Auslockerung führen [17]. In der Literatur werden daher 2 Gipfel des Implantatversagens beschrieben: Der erste bereits innerhalb der ersten Wochen und Monate nach Primärimplantation, der zweite im mittel- bis langfristigen Verlauf – gelegentlich auch im Langzeitverlauf durch ausgeprägten Polyethylen-Abrieb.

Wenn bei der Implantation ein Knochentransplantat (BIO-RSA oder Allograft) verwendet wurde, kann die Lockerung durch eine unzureichende Fixierung des zentralen Zapfens oder Schraube im nativen Knochenlager bedingt sein (Basisplatte mit zu kurzem zentralem Zapfen, der nicht die native Scapula erreicht) [17].

Bei Glenoidlockerung entsteht fast immer ein Knochendefekt, den wir je nach Lage und Schweregrad in 5 Stufen einer eigenen Klassifikation einteilen [15] und diese als Algorithmus und Richtlinie für eine erfolgversprechende Rekonstruktionstechnik verwenden: Dabei werden oberflächliche kavitäre von peripheren bzw. tief unter die ehemalige Gelenklinie reichenden Defekte unterschieden. Der Pfannenaufbau sollte ein- oder 2-zeitig durch strukturelle Transplantate aus dem Beckenkamm oder Allografts erfolgen und dem 3-Säulen-Prinzip folgen [16].

Bei verspäteter Diagnose ist mit erheblicher Zerstörung der knöchernen Substanz an der Gelenkpfanne zu rechnen, sodass häufig ein 2-zeitiger Wechsel mit Aufbau des Glenoiddefekts erforderlich wird. Dennoch konnten wir in der ersten Serie auch bei schweren Knochendefekten eine Erfolgsrate von über 90 % sowohl bei den einzeitigen als auch 2-zeitigen Rekonstruktionen beobachten [16].

Schaftlockerung

Untersuchungen von Melis et al. [21] haben als Folge des zu erwartenden PE-Abriebs eine definitive Lockerung und ein Einsinken der Schäfte 10 Jahre nach Implantation bei 8,8 % der Patienten beobachten können.

Neuere Langzeituntersuchungen einer multizentrischen Studie in Frankreich, bei der 1035 Schultern mehr als 5 Jahre verfolgt wurden, weisen auch auf eine Verlagerung des Problems der aseptischen Lockerung von der Pfanne auf den Schaft hin. In dem gesamten Material von n = 1957, mehr als 5,3 Jahre zurückliegenden Operationen fanden sich bei 16 % komplette Lysesäume am Schaft und eine Migration des Schaftes bei 1,3 %. Osteolysen der Tuberkula waren bei 60 % nachweisbar. Diese wurden als Folge des Stress-Shieldings und zunehmenden PE-Abriebs interpretiert.

Eine eigene Langzeitstudie [28] bei langstieligen, zementierten Revisionsschäften ergab sogar ein Einsinken der Schäfte bei 11 % nach durchschnittlich 7 Jahren.

Während der Schaftwechsel bei metaphysär verankerten iSTEP oder Kurzschäften auf Standardimplantate noch vergleichsweise einfach durchzuführen ist, wird der Wechsel mit zunehmender Schaftlänge und Größe der humeralen Knochendefekte schwieriger. Wir orientieren uns analog zum Glenoid an einer eigenen, bereits 2009 vorgestellten Klassifikation hinsichtlich des weiteren Procedere und der Erfolgsaussichten sowie der Implantatwahl (Länge des Revisionsschafts) und der Verwendung eines humeralen Allografts [15].

Überschreiten die humeralen Knochendefekte die Insertion des Deltamuskels nach distal, werden häufig zementfrei verankerte Sonderimplantate mit supracondylären Verriegelungsschrauben erforderlich [15]. Strukturelle tiefgefrorene Allografts aus einer lizensierten Organbank, die präoperativ mit einer Antibiotikalösung getränkt werden, reduzieren bei proximalen Knochendefekten über 5 cm Länge die Instabilitätsrate und führen zu einer besseren Funktion durch die verbesserte Anheilung der Weichteile. Chacon et al. [8] empfehlen daher die Rekonstruktion durch ein strukturelles Allograft, das entweder in der Telescoping- oder Step-cut-Technik an der Diaphyse fixiert wird. Der Revisionsschaft wird auch oft in das Allograft zementiert („composite allograft“) und durch Press-fit oder Zement weiter distal fixiert. Ein Ersatz des Defekts durch Knochenzement erscheint nur dann auszureichen, wenn der Humerusdefekt weniger als 5 cm beträgt.

Scapula-Notching

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