Übersichtsarbeiten - OUP 02/2013

Tendinitis calcarea

S. Nebelung1, R. Mueller-Rath2

Zusammenfassung: Die Kalkschulter (Tendinitis calcarea) ist ein häufiges und schmerzhaftes Krankheitsbild der Schulter mit großer Relevanz im klinischen Alltag des Orthopäden. Der mitunter langjährige Krankheitsverlauf ist in der Regel gekennzeichnet durch eine phasenhafte Entwicklung des Kalkdepots. Symptomatisch werden die meist zwischen 30 und 50 Jahre alten Patienten durch Schmerzen, die ohne Provokationsereignis auftreten und bewegungsunabhängig sind. Die klinische Symptomatik gleicht überwiegend einem Impingement-Syndrom mit Ruhe- und Nachtschmerz und Schmerzausstrahlung in den anterolateralen Oberarm. Im Rahmen einer akuten Exazerbation, die mit der spontanen Kalkresorption assoziiert ist, zeigen die Beschwerden mitunter einen massiven entzündlichen Charakter.

Konservative Maßnahmen umfassen die Gabe von Analgetika und Antiphlogistika, subakromiale Infiltrationen und extrakorporale Stoßwellentherapie. Bei Beschwerdepersistenz ist die arthroskopische Kalkentfernung indiziert, die in > 90 % der Fälle zu Beschwerdefreiheit und guten bis sehr guten klinischen Ergebnissen führt.

Schlüsselwörter: Kalkschulter, Tendinitis calcarea, Kalkdepot, Rotatorenmanschette, Schulterschmerzen

Abstract: Rotator cuff calcific tendinitis is a frequent and painful clinical entity with great relevance to the orthopaedic surgeon. The disease history may be one of many years and is characterised by distinct phases in the development of the calcific deposit. Mainly affecting patients between 30 and 50 years, the disease becomes symptomatic in terms of unprovoked pain unrelated to activity. The clinical presentation is similar to the impingement syndrome with pain at rest and at night, which may radiate to the anterolateral proximal arm. The acute exacerbation is marked by inflammatory changes and may be associated with resorption of the calcific deposit. Conservative management includes analgesic and anti-inflammatory drugs, subacromial corticoid injections and extracorporal shock wave therapy. If this approach fails and patients are persistently symptomatic, arthroscopic removal of the calcific deposit is indicated. In more than 90 % of patients the latter management is definite and provides good-to-excellent clinical outcomes.

Keywords: pathologic calcification, calcific tendinitis, calcific deposit, rotator cuff, shoulder pain

Die vorliegende Übersichtsarbeit stellt das Krankheitsbild der Tendinitis calcarea (Synonyme: Tendinosis calcarea, Kalkschulter, Kalkschultertendinopathie) in Bezug auf Grundlagen, Klinik, Diagnostik und Therapie dar.

Epidemiologie

Die in der Literatur angegebene Prävalenz der Tendinitis calcarea bei asymptomatischen Patienten schwankt zwischen 2,7 und 20 % [1, 2]. Über 50 % aller Patienten mit Kalkdepot entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine klinische Symptomatik [1]. Viele Autoren geben den Altersgipfel der Erkrankung mit dem 30.–50. Lebensjahr an [3]. Die Prädilektionsstelle der Entstehung des Kalkdepots ist die Supraspinatussehne, ansatznah etwa 2 cm proximomedial des Tuberculum majus [4], die in 51–82 % der Tendinitis-Patienten betroffen ist [1]. Seltener sind die Infraspinatus- (27–44,5 %, [1, 5]) oder Teres minor- (23 %, [1]) bzw. Subscapularissehne (3 %, [1]) betroffen. Die Studienlage in Bezug auf die Geschlechtsabhängigkeit der Inzidenz ist uneinheitlich, allerdings scheinen Frauen häufiger betroffen zu sein [1, 6]. Bezüglich beruflicher Risikofaktoren weisen körperlich schwer arbeitende Menschen eine niedrigere Inzidenz auf als primär nicht körperlich arbeitende Menschen [2]. Ein bilaterales Auftreten lässt sich in 13–24 % der Fälle nachweisen [6, 7].

Ätiopathogenese

Die Pathogenese der Tendinitis calcarea ist noch immer Gegenstand wissenschaftlicher Debatten, wobei 2 Theorien diskutiert werden. Zum einen formulierte Codman die Theorie der degenerativen Vorschädigung, wo nach der Degeneration von Sehnenfasern die Entwicklung von Kalkdepots folgte [4]. Experimentell wird diese Theorie gestützt durch die festgestellte Assoziation von Hypo- bzw. Avaskulärität von Sehnengewebe und daraus entstehender Hyalinisierung und Kalzifizierung [8].

Zahlreiche Befunde sprechen gegen die These der degenerativen Verkalkung [9, 10]. Zum einen treten die Kalkdepots der Tendinitis calcarea v.a. in vitalem Gewebe auf und nicht - wie nach obiger Theorie anzunehmen - in avitalem, hypo- bzw. avaskulärem Gewebe. Ein weiterer Aspekt ist, dass der typische Altersgipfel im mittleren und nicht im höheren Alter liegt. Uhthoff et al. formulierten daher die zu guten Teilen anerkannte Theorie des reparativen Prozesses mit stadienabhängigem Ablauf, die durch die Korrelation der Klinik mit der Histologie untermauert werden konnte [9, 10]. Trotz des in den meisten Patienten nachvollziehbaren stadienhaften Ablaufs, der sich histomorphologisch in Präkalzifikations-, Kalzifikations- und Postkalzifikationsstadium unterscheiden lässt und in der Regel selbstlimitierend über mehrere Monate verläuft, sind insbesondere die Triggerfaktoren der Entstehung der Kalzifikationen und der verschiedenen Erkrankungsstadien noch unklar. Zudem legen histopathologische Befunde nahe, dass die Stadien nicht immer streng sequenziell, sondern mitunter parallel oder unvollständig ablaufen können [11].

Das Präkalzifikationsstadium weist neben begleitenden degenerativen Veränderungen eine fokale chondroide Metaplasie der Tenozyten innerhalb der Sehne auf. Als Folge der Metaplasie kommt es zu einer vermehrten Produktion Knorpel-spezifischer Zellprodukte wie Proteoglykane.

Das sich anschließende Kalzifikationsstadium wird unterteilt in Formations-, Ruhe- und Resorptionsphase. Die Formationsphase ist gekennzeichnet durch die oft Jahre dauernde Ablagerung von Hydroxylapatitkristallen zwischen und innerhalb der Chondrozyten. Die sich ausbildenden Kalkfoci verschmelzen mit zunehmendem Krankheitsverlauf, sodass sich große, homogene, röntgenologisch scharf abgrenzbare und kreideartig-krümelige Kalkdepots ausbilden, die in der sich anschließenden Ruhephase weiter abgekapselt werden. Durch vermehrte Vaskularisation des perifokalen Sehnengewebes und dadurch bedingter zellulärer Infiltration wird die Resorptionsphase eingeleitet. Im Rahmen des Entzündungsgeschehens wird das Kalkdepot aufgebrochen, resorbiert und phagozytiert, wodurch der Kalk verflüssigt wird („Zahnpasta-artig“) und spontan in die Bursa subacromialis und den Subakromialraum eindringen kann. Das intratendinöse Begleitödem bedingt die typische akut schmerzhafte Klinik.

Das Postkalzifikationsstadium beginnt mit der Resorption des Kalkdepots und endet mit der Rekonstitution der Sehne. Nach Auflösung des Kalkdepots wird die entstandene Defekthöhle durch Fibroblasten und neu gebildetes Narbengewebe ersetzt.

In der Zusammenfassung ist die Kalkschulter das Resultat einer Spontanverkalkung in gesundem Gewebe als aktiver, zellulär vermittelter Prozess. Im Gegensatz dazu ist das Outlet-Impingement pathogenetisch durch einen echten mechanischen Konflikt im Sinne einer Einengung des subakromialen Raums durch akromiale Spornbildung und/oder hypertrophe AC-Gelenksarthrose charakterisiert und insofern ätiopathogenetisch von der Tendinitis calcarea zu trennen.

Klinik

Die klinische Symptomatik ist abhängig von den oben geschilderten Krankheitsphasen sowie der Größe und Lokalisation des Kalkdepots. Während des Präkalzifikations- und frühen Kalzifikationsstadiums ist der Patient häufig asymptomatisch bis ggf. subklinisch mit einem dem milden subakromialen Impingement ähnlichen Beschwerdebild. Alltagsfunktionen sind kaum eingeschränkt und eine allenfalls dezente Schmerzsymptomatik liegt vor [2]. Im Gegensatz dazu ist die Resorptionsphase durch plötzliche, starke Ruhe- und Nachtschmerzen, Bewegungs- und Krafteinschränkung gekennzeichnet. Nach Perforation des Kalkdepots aus dem Sehnengewebe in die Bursa subacromialis kann sich eine kristallinduzierte Bursitis subacromialis ausbilden. Die akut schmerzhafte Symptomatik dauert häufig Tage bis Wochen an, wobei aber auch Verläufe über Monate bis Jahre mit subakut-undulierender Schmerzsymptomatik beschrieben sind [2]. Die bekannten Tests einer subakromialen Pathologie sind phasenabhängig positiv.

Bildgebung

1) Röntgen

Die Röntgendiagnostik in 3 Ebenen (True a.-p., axial, outlet-view) gehört zur Standarduntersuchung bei klinischem Verdacht auf Tendinitis calcarea. Zusätzliche a.-p.-Aufnahmen in Innen- und Außenrotation dienen der überlagerungsfreien Darstellung der Tubercula und Sehnenansätze in mehreren Projektionen [2].

Das röntgenologische Erscheinungsbild ist abhängig von der Krankheitsphase des Patienten. Dieser Umstand schlägt sich in der klinisch verbreiteten Klassifikation von Gärtner und Simons nieder, die chronologisch folgendermaßen einteilen: Typen I–III:

  • Typ I: dichtes, umschrieben scharfrandiges Kalkdepot, entsprechend der Formations- und Ruhephase;
  • Typ II: morphologisch weder eindeutig I noch III, d.h., das Kalkdepot ist entweder dicht und unscharf oder transparent und scharfrandig;
  • Typ III: transparent, unscharf oder wolkig erscheinendes Kalkdepot, entsprechend der aktiven Resorptionsphase [12].

Eine alternative Klassifikation des Kalkdepots in kategorisierte Gruppen ist ebenfalls gebräuchlich (Französische Gesellschaft für Arthroskopie, SFA, [13]). Praktisch ist es nicht immer möglich, eine eindeutige Einordnung des Kalkdepots in die genannten Entitäten vorzunehmen, da die einzelnen Typen röntgenmorphologisch oft schwer voneinander abgrenzbar sind und die Röntgenmorphologie nicht immer mit dem tatsächlichen intraoperativen Konsistenzbefund korreliert [11, 14]. Zudem ist davon auszugehen, dass verschiedene Konsistenzen in einem Kalkdepot vorkommen können [11].

2) Sonografie

Die Sonografie der Tendinitis calcarea kann die Diagnostik um die Möglichkeiten der dynamischen Untersuchung im klinischen Verlauf und der präoperativen Vorbereitung des Patienten im Rahmen der Lokalisation des Kalkdepots, z.B. anhand der Quadrantenmethode nach Ogon [15], ergänzen. Die Sonomorphologie des Kalkdepots ist dabei ebenfalls Krankheitsphasen-spezifischen Veränderungen unterworfen, die mit der Konsistenz des Kalkdepots übereinstimmt [14]. Aufgrund des hohen Gehaltes an schallreflektierendem Hydroxylapatit weist ein dichtehomogenes Kalkdepot eine distale Schallauslöschung auf. Durch die entzündliche Einlagerung von Flüssigkeit und Entzündungszellen in der Resorptionsphase und die dadurch bedingte abnehmende Reflexion des Schallsignals ist ein geringerer Dichtekontrast zwischen Kalkdepot und Sehnengewebe nachzuweisen. Vorteilhaft ist weiterhin die gleichzeitige Untersuchung auf Begleitpathologien der Rotatorenmanschette, der langen Bizepssehne und der Bursa subacromialis [16].

3) Computer-/
Magnetresonanztomografie

Weder CT noch MRT gehören zur Standarddiagnostik der Tendinitis calcarea. Dennoch sind die mittels CT erhaltenen Dichtewerte des Kalkdepots am besten mit der Konsistenz des Kalkdepots korreliert [14]. Obwohl die CT hilfreich ist in der Lokalisation von Kalkdepots, erbringt sie keinen diagnostischen Mehrwert im Vergleich zum Röntgen in 3 Ebenen [17]. Die MRT hat einen Stellenwert bei Verdacht auf eine begleitende Rotatorenmanschettenläsion, wobei die Tendinitis calcarea nicht mit letzterer assoziiert ist [18]. Auch die Assoziation mit Impingement-typischen Veränderungen wie Typ-III-Acromion nach Bigliani oder Rotatorenmanschetten-Partialrupturen ist zu vernachlässigen [19]. Mitunter ist die Differenzierung von Pathologien der Rotatorenmanschette, insbesondere im Sinne von Partialrupturen, nicht immer einfach [2]. Letztere sind durch eine fokale Kontinuitätsunterbrechung und/oder Signalerhöhung in T2-Wichtungen gekennzeichnet [20]. Im Gegensatz dazu imponieren Kalkdepots in allen Wichtungen, v.a. in T1-Wichtungen, hypointens, die Sehne lateral des Kalkdepots erscheint häufig ausgedünnt und insbesondere auf T2*- (bzw. Gradientenecho-) Sequenzen können ausgeprägte Suszeptibilitätsartefakte, die das Kalkdepot größer als tatsächlich erscheinen lassen können, zur Darstellung kommen [20]. Zudem stellt sich in der Resorptionsphase das Begleitödem im perifokalen Sehnengewebe in T2-Wichtungen heterogen hyperintens dar.

Konservative Therapie

Die Tendinitis calcarea wird primär konservativ therapiert mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, die ggf. bedarfsweise ergänzt werden um potentere Analgetika, die subakromiale Injektionstherapie von Lokalanästhetika und/oder Kortikosteroiden, physiotherapeutische Therapie in Form von Krankengymnastik oder Manualtherapie und physikalische Therapie in Form von Elektrotherapie und Iontophorese [11, 21, 22].

Die ESWT (Extrakorporale Stoßwellentherapie) stellt eine weitere konservative Behandlungsmaßnahme dar [23]. Der Stoßwellentherapie liegt die Applikation eines nichtlinearen hochenergetischen Druckimpulses zugrunde, der einen extrem schnellen Druckanstieg (in ca. 10 ns bis zu 100 MPa) im Gewebe generiert. Weniger als direkte mechanische sind indirekte zellvermittelte Effekte für die Wirkung relevant, die durch Hyperämie und Vaskularisation die Resorption des Kalkdepots begünstigen [24]. Die Energie der Stoßwellen wird durch die Energieflussdichte im Fokus der Stoßwelle definiert und als hoch- (0,28–0,60 mJ/mm²), mittel- (0,08–0,28 mJ/mm²) oder niedrigenergetisch (< 0,08 mJ/mm²) bezeichnet [25]. Die bisher publizierten ESWT-Behandlungsprotokolle sind hinsichtlich Dosierung, Anzahl, Frequenz, Endpunktdefinition und Gerätschaften inhomogen, sodass die Vergleichbarkeit der Studiendaten schwierig ist. Dennoch ist ein klarer Wirksamkeitsnachweis erbracht im Vergleich zur Placebobehandlung [26]. Hochwertige randomisiert-kontrollierte Studien konnten die Evidenz des Verfahrens sichern. Im Gegensatz zu anderen Therapiealternativen ist die Stoßwellentherapie daher evidenzbasiert (Evidenzgrad I) [24, 27].

Dem phasenhaften Krankheitsverlauf der Tendinitis calcarea entsprechend [9, 10] ist mit einer Spontanresorptionsrate der Kalkdepots in 6,4 % jährlich zu rechnen [1]. Die berichteten Ergebnisse nach strikt konservativer Therapie sind gut bis sehr gut in 70 % der Patienten nach 60 Monaten [28] bzw. 50,4 % nach 6 Monaten [29].

Mitunter sind langfristige schmerzhafte Episoden möglich, da der Krankheitsverlauf nicht regelhaft phasenhaft fortschreiten sondern vielmehr in der symptomatischen Phase verbleiben kann [2]. Vor diesem Hintergrund sind in der Literatur einige prognostische Faktoren in Bezug auf die konservative Therapie herausgearbeitet worden. Prognostisch ungünstig in der konservativen Therapie sind weibliches Geschlecht, Alter zwischen 40 und 50 Jahren, Betroffensein des dominanten Arms und Persistenz des Typ C (nach SFA) [29]. Kalkdepots in der Resorptionsphase weisen eine gute Prognose auf [22]. Nach Ogon et al. sind außerdem anteriore und weit nach medial reichende, große Depots mit einer schlechteren Prognose bzg. des Ergebnisses der konservativen Therapie versehen [22].

Operative Therapie

Bei Persistenz oder Progredienz der Beschwerden trotz suffizienter konservativer Therapie besteht die Indikation zur Operation.

Bei akuter Verschlimmerung sollte zunächst eine Röntgenkontrolle erfolgen, da es sich um das Resorptionsereignis handeln kann, welches selbstverständlich nicht einer operativen Intervention bedarf. Hier wird der weitere Verlauf abgewartet, bei mitunter sehr starkem Resorptionsschmerz wird flankierend analgetisch und antiphlogistisch therapiert.

Im Gegensatz zur offenen gilt die arthroskopische Kalkentfernung mittlerweile als Standardverfahren, nicht zuletzt aufgrund vergleichbarer klinischer Ergebnisse [13, 30], geringerer Zugangsmorbidität und postoperativer Schmerzsymptomatik, kürzerer Nachbehandlungszeit, kosmetisch günstigeren Ergebnissen und der Möglichkeit, andere begleitende Schulterpathologien zu adressieren [30].

Arthroskopische Kalkentfernung – operatives Vorgehen

Die Arthroskopie kann in Seitlage oder Beachchair-Position durchgeführt werden. Zunächst erfolgt der übliche intraartikuläre Rundgang durch das Glenohumeralgelenk. Gelegentlich zeigt sich die Supraspinatussehne vermehrt gefäßinjiziert (Abb. 1). Nach Umsetzen des Arthroskopes nach subakromial wird ein lateraler Zugang unter Sicht angelegt. Es erfolgt eine partielle Bursektomie, z.B. mit dem Shaver. Die Schwierigkeit bei diesem Eingriff besteht in der sicheren Lokalisation des Kalkherdes. In manchen Fällen fällt schon eine weißlich-glänzende Vorwölbung der Sehne auf (Abb. 2). Zur sicheren Lokalisation empfehlen Ogon et al. die sog. Quadrantenmethode, bei der präoperativ der Kalkherd in einem von 4 Quadranten lateral des Akromions lokalisiert wird. In diesem Quadranten wird dann in der OP mit der Nadel eingegangen und der Kalkherd dargestellt.

Auch die genaue Beurteilung der präoperativen Röntgenaufnahmen, ggf. einschl. Aufnahmen in Rotation, erlaubt die Lokalisation des Herdes. Intraoperativ wird dann unter Sicht mit einer Kanüle, welche unmittelbar parakromial eingestochen wird, in die Sehne an der entsprechenden Stelle eingegangen. Bei Nachweis von Kalk im Kanülenanschnitt ist der Kalkherd gefunden. Im eigenen Vorgehen wird die Sehne dann mit dem HF-Messer kurzstreckig eröffnet und der Kalk mit dem Tasthaken unter rührenden Bewegungen ausgeräumt (Abb. 3). Wegen der Gefahr der iatrogenen Sehnenschädigung sollte das Ausräumen des Kalkdepots mit dem Shaver und die großflächige eröffnende Inzision der Sehne vermieden werden. Die Kalkausräumung erfolgt so lange, bis eine weitestgehend vollständige Entfernung erreicht ist.

Um eine durch verbliebene Kalkrückstände induzierte postoperative kristallinduzierte Bursitis zu vermeiden, sollte jeglicher Kalk per Spülkanüle aus der Schulter entfernt werden. Üblicherweise verbleiben im Depot geringe Reste, die mit dem Sehnengewebe verklebt sind und in der Folgezeit, meist innerhalb des ersten postoperativen Jahres [31], intrinsisch resorbiert werden. Der Sehnendefekt wird zu diesem Zwecke offen gelassen. Eine Sehnennaht ist in der Regel nicht notwendig.

In der postoperativen Behandlung dürfen die Patienten sich frei bewegen. Das Tragen von Lasten oder Arbeiten gegen Widerstand sollte 6 Wochen unterlassen werden, um eine persistierende Inflammation zu vermeiden.

Wichtige Komplikationen nach arthroskopischer Kalkdepotentfernung sind Hämatombildung, Kalkdepotpersistenz, sekundäre Schultersteife und postoperativ fortdauernde Schmerzsymptomatik, wahrscheinlich bedingt durch Persistenz des entzündlichen Geschehens, das sich zur Postkalzifikationstendinitis entwickeln kann [6, 31, 32].

Arthroskopischen Kalkentfernung – Ergebnisse

Von einer arthroskopischen Kalkherdresektion sind in über 90 % der Fälle gute bis sehr gute Ergebnisse zu erwarten, zudem stellt ein freier Bewegungsumfang mit allenfalls gelegentlichen Restbeschwerden ein realistisches OP-Ziel dar [30].

Seil et al. publizierten 2006 exzellente 2-Jahres-Ergebnisse nach arthroskopischer Kalkentfernung mit Ansteigen des Constant Scores von 33 prä- auf 91 postoperativ [31]. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bei anderen Autoren [33, 34]. Allerdings ist eine frühzeitige postoperative Beschwerdefreiheit lediglich in der Minderheit der Patienten gegeben, in der Mehrheit der Patienten kommt es zu einer langsamen Regredienz der Beschwerdesymptomatik mit nicht selten mehrmonatigen Verläufen [31].

Stellenwert der additiven subakromialen Dekompression

Einige Autoren spekulierten, dass schon die alleinige subakromiale Dekompression die spontane Auflösung des Kalkdepots induzieren kann [32, 35]. Beispielsweise beobachteten Tillander et al. eine deutliche partielle bzw. vollständige Auflösung der Kalkdepots bei 79 % der Patienten 2 Jahre nach alleiniger subakromialer Dekompression [35]. Diese Daten sind allerdings vor dem Hintergrund der langfristig in etwa ähnlichen Spontanheilungsraten zu werten. Balke et al. fanden eine verminderte Schmerzangabe bei Patienten, bei denen eine additive Dekompression durchgeführt worden war, im Vergleich zur Kontrollgruppe mit ausschließlicher Kalkentfernung [37]. Dieser Punkt ist somit weiterhin in der Diskussion [36]. Die meisten Autoren stimmen jedoch darin überein, dass die subakromiale Dekompression nicht als kausale Therapie einer symptomatischen Tendinitis calcarea geeignet ist. Ein Großteil der symptomatischen Patienten ist durch ausreichende Ausräumung des Kalkdepots adäquat therapierbar. Im eigenen Vorgehen führen wir eine additive subakromiale Dekompression bei intraoperativ erkennbaren, mechanischen Zeichen des subakromialen Impingements durch: aufgerautes Ligamentum coracoakromiale (Abb. 4), aufgeraute bursaseitige Oberfläche der Rotatorenmanschette.

Restkalk – vollständige Kalkentfernung um jeden Preis?

Trotz umfassender Kalkresektion verbleibt zumeist eine kalzifizierte Depotmembran in der Sehne, die eine schattenhafte Silhouette des Kalkdepots auf postoperativen Röntgenbildern darstellt und sich im postoperativen Verlauf spontan resorbiert [31, 38]. In Bezug auf die klinische Relevanz des Restkalks und das Ausmaß der anzustrebenden Kalkresektion ist die Datenlage nicht abschließend zu bewerten. Einige Autoren konnten zeigen, dass nach vollständiger arthroskopischer Kalkentfernung ein signifikant besseres klinisches Ergebnis nachweisbar ist als nach unvollständiger Kalkentfernung [13, 39]. Porcellini et al. beschrieben eine inverse Korrelation zwischen den klinischen Ergebnissen und der verbliebenen Restkalkmenge [40]. Im Gegensatz dazu konnten andere Autoren keinen Einfluss des Restkalkes auf das klinische Ergebnis nachweisen, denn trotz röntgenologisch nachweisbarer Kalkdepotpersistenz konnten Ark et al. bei 12 ihrer 14 Patienten eine deutliche Schmerzverbesserung beobachten [30]. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Seil et al., die eine vollständige Entfernung des Kalkdepots in nur 44 % ihres Patientenkollektivs erreichten und trotzdem exzellente funktionelle Ergebnisse feststellten [31].

Ziel des operativen Vorgehens ist nicht die erzwungene komplette Kalkentfernung, die mitunter Sehnengewebe durch Einsatz aggressiver Instrumente (z.B. Shaver) in Mitleidenschaft ziehen und in der Folge zu Rotatorenmanschettendefekten prädisponieren kann. Das schonende ausräumende Vorgehen mit dem Tasthaken ermöglicht eine ausreichende Kalkdepoteröffnung und -elimination. Die dadurch erzielte Verringerung des intratendinösen Drucks bedingt häufig die postoperative klinische Besserung.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Ralf Müller-Rath

Orthopädische Praxis Neuss

Breite Straße 96

41460 Neuss

mueller-rath@opn-neuss.de

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Fussnoten

Klinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Aachen

OPN – Orthopädische Praxis Neuss

DOI 10.3238/oup.2013.0070–0075

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