Übersichtsarbeiten - OUP 02/2013

Tendinitis calcarea

Dem phasenhaften Krankheitsverlauf der Tendinitis calcarea entsprechend [9, 10] ist mit einer Spontanresorptionsrate der Kalkdepots in 6,4 % jährlich zu rechnen [1]. Die berichteten Ergebnisse nach strikt konservativer Therapie sind gut bis sehr gut in 70 % der Patienten nach 60 Monaten [28] bzw. 50,4 % nach 6 Monaten [29].

Mitunter sind langfristige schmerzhafte Episoden möglich, da der Krankheitsverlauf nicht regelhaft phasenhaft fortschreiten sondern vielmehr in der symptomatischen Phase verbleiben kann [2]. Vor diesem Hintergrund sind in der Literatur einige prognostische Faktoren in Bezug auf die konservative Therapie herausgearbeitet worden. Prognostisch ungünstig in der konservativen Therapie sind weibliches Geschlecht, Alter zwischen 40 und 50 Jahren, Betroffensein des dominanten Arms und Persistenz des Typ C (nach SFA) [29]. Kalkdepots in der Resorptionsphase weisen eine gute Prognose auf [22]. Nach Ogon et al. sind außerdem anteriore und weit nach medial reichende, große Depots mit einer schlechteren Prognose bzg. des Ergebnisses der konservativen Therapie versehen [22].

Operative Therapie

Bei Persistenz oder Progredienz der Beschwerden trotz suffizienter konservativer Therapie besteht die Indikation zur Operation.

Bei akuter Verschlimmerung sollte zunächst eine Röntgenkontrolle erfolgen, da es sich um das Resorptionsereignis handeln kann, welches selbstverständlich nicht einer operativen Intervention bedarf. Hier wird der weitere Verlauf abgewartet, bei mitunter sehr starkem Resorptionsschmerz wird flankierend analgetisch und antiphlogistisch therapiert.

Im Gegensatz zur offenen gilt die arthroskopische Kalkentfernung mittlerweile als Standardverfahren, nicht zuletzt aufgrund vergleichbarer klinischer Ergebnisse [13, 30], geringerer Zugangsmorbidität und postoperativer Schmerzsymptomatik, kürzerer Nachbehandlungszeit, kosmetisch günstigeren Ergebnissen und der Möglichkeit, andere begleitende Schulterpathologien zu adressieren [30].

Arthroskopische Kalkentfernung – operatives Vorgehen

Die Arthroskopie kann in Seitlage oder Beachchair-Position durchgeführt werden. Zunächst erfolgt der übliche intraartikuläre Rundgang durch das Glenohumeralgelenk. Gelegentlich zeigt sich die Supraspinatussehne vermehrt gefäßinjiziert (Abb. 1). Nach Umsetzen des Arthroskopes nach subakromial wird ein lateraler Zugang unter Sicht angelegt. Es erfolgt eine partielle Bursektomie, z.B. mit dem Shaver. Die Schwierigkeit bei diesem Eingriff besteht in der sicheren Lokalisation des Kalkherdes. In manchen Fällen fällt schon eine weißlich-glänzende Vorwölbung der Sehne auf (Abb. 2). Zur sicheren Lokalisation empfehlen Ogon et al. die sog. Quadrantenmethode, bei der präoperativ der Kalkherd in einem von 4 Quadranten lateral des Akromions lokalisiert wird. In diesem Quadranten wird dann in der OP mit der Nadel eingegangen und der Kalkherd dargestellt.

Auch die genaue Beurteilung der präoperativen Röntgenaufnahmen, ggf. einschl. Aufnahmen in Rotation, erlaubt die Lokalisation des Herdes. Intraoperativ wird dann unter Sicht mit einer Kanüle, welche unmittelbar parakromial eingestochen wird, in die Sehne an der entsprechenden Stelle eingegangen. Bei Nachweis von Kalk im Kanülenanschnitt ist der Kalkherd gefunden. Im eigenen Vorgehen wird die Sehne dann mit dem HF-Messer kurzstreckig eröffnet und der Kalk mit dem Tasthaken unter rührenden Bewegungen ausgeräumt (Abb. 3). Wegen der Gefahr der iatrogenen Sehnenschädigung sollte das Ausräumen des Kalkdepots mit dem Shaver und die großflächige eröffnende Inzision der Sehne vermieden werden. Die Kalkausräumung erfolgt so lange, bis eine weitestgehend vollständige Entfernung erreicht ist.

Um eine durch verbliebene Kalkrückstände induzierte postoperative kristallinduzierte Bursitis zu vermeiden, sollte jeglicher Kalk per Spülkanüle aus der Schulter entfernt werden. Üblicherweise verbleiben im Depot geringe Reste, die mit dem Sehnengewebe verklebt sind und in der Folgezeit, meist innerhalb des ersten postoperativen Jahres [31], intrinsisch resorbiert werden. Der Sehnendefekt wird zu diesem Zwecke offen gelassen. Eine Sehnennaht ist in der Regel nicht notwendig.

In der postoperativen Behandlung dürfen die Patienten sich frei bewegen. Das Tragen von Lasten oder Arbeiten gegen Widerstand sollte 6 Wochen unterlassen werden, um eine persistierende Inflammation zu vermeiden.

Wichtige Komplikationen nach arthroskopischer Kalkdepotentfernung sind Hämatombildung, Kalkdepotpersistenz, sekundäre Schultersteife und postoperativ fortdauernde Schmerzsymptomatik, wahrscheinlich bedingt durch Persistenz des entzündlichen Geschehens, das sich zur Postkalzifikationstendinitis entwickeln kann [6, 31, 32].

Arthroskopischen Kalkentfernung – Ergebnisse

Von einer arthroskopischen Kalkherdresektion sind in über 90 % der Fälle gute bis sehr gute Ergebnisse zu erwarten, zudem stellt ein freier Bewegungsumfang mit allenfalls gelegentlichen Restbeschwerden ein realistisches OP-Ziel dar [30].

Seil et al. publizierten 2006 exzellente 2-Jahres-Ergebnisse nach arthroskopischer Kalkentfernung mit Ansteigen des Constant Scores von 33 prä- auf 91 postoperativ [31]. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bei anderen Autoren [33, 34]. Allerdings ist eine frühzeitige postoperative Beschwerdefreiheit lediglich in der Minderheit der Patienten gegeben, in der Mehrheit der Patienten kommt es zu einer langsamen Regredienz der Beschwerdesymptomatik mit nicht selten mehrmonatigen Verläufen [31].

Stellenwert der additiven subakromialen Dekompression

Einige Autoren spekulierten, dass schon die alleinige subakromiale Dekompression die spontane Auflösung des Kalkdepots induzieren kann [32, 35]. Beispielsweise beobachteten Tillander et al. eine deutliche partielle bzw. vollständige Auflösung der Kalkdepots bei 79 % der Patienten 2 Jahre nach alleiniger subakromialer Dekompression [35]. Diese Daten sind allerdings vor dem Hintergrund der langfristig in etwa ähnlichen Spontanheilungsraten zu werten. Balke et al. fanden eine verminderte Schmerzangabe bei Patienten, bei denen eine additive Dekompression durchgeführt worden war, im Vergleich zur Kontrollgruppe mit ausschließlicher Kalkentfernung [37]. Dieser Punkt ist somit weiterhin in der Diskussion [36]. Die meisten Autoren stimmen jedoch darin überein, dass die subakromiale Dekompression nicht als kausale Therapie einer symptomatischen Tendinitis calcarea geeignet ist. Ein Großteil der symptomatischen Patienten ist durch ausreichende Ausräumung des Kalkdepots adäquat therapierbar. Im eigenen Vorgehen führen wir eine additive subakromiale Dekompression bei intraoperativ erkennbaren, mechanischen Zeichen des subakromialen Impingements durch: aufgerautes Ligamentum coracoakromiale (Abb. 4), aufgeraute bursaseitige Oberfläche der Rotatorenmanschette.

Restkalk – vollständige Kalkentfernung um jeden Preis?

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