Übersichtsarbeiten - OUP 02/2013

Tendinitis calcarea

Das Postkalzifikationsstadium beginnt mit der Resorption des Kalkdepots und endet mit der Rekonstitution der Sehne. Nach Auflösung des Kalkdepots wird die entstandene Defekthöhle durch Fibroblasten und neu gebildetes Narbengewebe ersetzt.

In der Zusammenfassung ist die Kalkschulter das Resultat einer Spontanverkalkung in gesundem Gewebe als aktiver, zellulär vermittelter Prozess. Im Gegensatz dazu ist das Outlet-Impingement pathogenetisch durch einen echten mechanischen Konflikt im Sinne einer Einengung des subakromialen Raums durch akromiale Spornbildung und/oder hypertrophe AC-Gelenksarthrose charakterisiert und insofern ätiopathogenetisch von der Tendinitis calcarea zu trennen.

Klinik

Die klinische Symptomatik ist abhängig von den oben geschilderten Krankheitsphasen sowie der Größe und Lokalisation des Kalkdepots. Während des Präkalzifikations- und frühen Kalzifikationsstadiums ist der Patient häufig asymptomatisch bis ggf. subklinisch mit einem dem milden subakromialen Impingement ähnlichen Beschwerdebild. Alltagsfunktionen sind kaum eingeschränkt und eine allenfalls dezente Schmerzsymptomatik liegt vor [2]. Im Gegensatz dazu ist die Resorptionsphase durch plötzliche, starke Ruhe- und Nachtschmerzen, Bewegungs- und Krafteinschränkung gekennzeichnet. Nach Perforation des Kalkdepots aus dem Sehnengewebe in die Bursa subacromialis kann sich eine kristallinduzierte Bursitis subacromialis ausbilden. Die akut schmerzhafte Symptomatik dauert häufig Tage bis Wochen an, wobei aber auch Verläufe über Monate bis Jahre mit subakut-undulierender Schmerzsymptomatik beschrieben sind [2]. Die bekannten Tests einer subakromialen Pathologie sind phasenabhängig positiv.

Bildgebung

1) Röntgen

Die Röntgendiagnostik in 3 Ebenen (True a.-p., axial, outlet-view) gehört zur Standarduntersuchung bei klinischem Verdacht auf Tendinitis calcarea. Zusätzliche a.-p.-Aufnahmen in Innen- und Außenrotation dienen der überlagerungsfreien Darstellung der Tubercula und Sehnenansätze in mehreren Projektionen [2].

Das röntgenologische Erscheinungsbild ist abhängig von der Krankheitsphase des Patienten. Dieser Umstand schlägt sich in der klinisch verbreiteten Klassifikation von Gärtner und Simons nieder, die chronologisch folgendermaßen einteilen: Typen I–III:

  • Typ I: dichtes, umschrieben scharfrandiges Kalkdepot, entsprechend der Formations- und Ruhephase;
  • Typ II: morphologisch weder eindeutig I noch III, d.h., das Kalkdepot ist entweder dicht und unscharf oder transparent und scharfrandig;
  • Typ III: transparent, unscharf oder wolkig erscheinendes Kalkdepot, entsprechend der aktiven Resorptionsphase [12].

Eine alternative Klassifikation des Kalkdepots in kategorisierte Gruppen ist ebenfalls gebräuchlich (Französische Gesellschaft für Arthroskopie, SFA, [13]). Praktisch ist es nicht immer möglich, eine eindeutige Einordnung des Kalkdepots in die genannten Entitäten vorzunehmen, da die einzelnen Typen röntgenmorphologisch oft schwer voneinander abgrenzbar sind und die Röntgenmorphologie nicht immer mit dem tatsächlichen intraoperativen Konsistenzbefund korreliert [11, 14]. Zudem ist davon auszugehen, dass verschiedene Konsistenzen in einem Kalkdepot vorkommen können [11].

2) Sonografie

Die Sonografie der Tendinitis calcarea kann die Diagnostik um die Möglichkeiten der dynamischen Untersuchung im klinischen Verlauf und der präoperativen Vorbereitung des Patienten im Rahmen der Lokalisation des Kalkdepots, z.B. anhand der Quadrantenmethode nach Ogon [15], ergänzen. Die Sonomorphologie des Kalkdepots ist dabei ebenfalls Krankheitsphasen-spezifischen Veränderungen unterworfen, die mit der Konsistenz des Kalkdepots übereinstimmt [14]. Aufgrund des hohen Gehaltes an schallreflektierendem Hydroxylapatit weist ein dichtehomogenes Kalkdepot eine distale Schallauslöschung auf. Durch die entzündliche Einlagerung von Flüssigkeit und Entzündungszellen in der Resorptionsphase und die dadurch bedingte abnehmende Reflexion des Schallsignals ist ein geringerer Dichtekontrast zwischen Kalkdepot und Sehnengewebe nachzuweisen. Vorteilhaft ist weiterhin die gleichzeitige Untersuchung auf Begleitpathologien der Rotatorenmanschette, der langen Bizepssehne und der Bursa subacromialis [16].

3) Computer-/
Magnetresonanztomografie

Weder CT noch MRT gehören zur Standarddiagnostik der Tendinitis calcarea. Dennoch sind die mittels CT erhaltenen Dichtewerte des Kalkdepots am besten mit der Konsistenz des Kalkdepots korreliert [14]. Obwohl die CT hilfreich ist in der Lokalisation von Kalkdepots, erbringt sie keinen diagnostischen Mehrwert im Vergleich zum Röntgen in 3 Ebenen [17]. Die MRT hat einen Stellenwert bei Verdacht auf eine begleitende Rotatorenmanschettenläsion, wobei die Tendinitis calcarea nicht mit letzterer assoziiert ist [18]. Auch die Assoziation mit Impingement-typischen Veränderungen wie Typ-III-Acromion nach Bigliani oder Rotatorenmanschetten-Partialrupturen ist zu vernachlässigen [19]. Mitunter ist die Differenzierung von Pathologien der Rotatorenmanschette, insbesondere im Sinne von Partialrupturen, nicht immer einfach [2]. Letztere sind durch eine fokale Kontinuitätsunterbrechung und/oder Signalerhöhung in T2-Wichtungen gekennzeichnet [20]. Im Gegensatz dazu imponieren Kalkdepots in allen Wichtungen, v.a. in T1-Wichtungen, hypointens, die Sehne lateral des Kalkdepots erscheint häufig ausgedünnt und insbesondere auf T2*- (bzw. Gradientenecho-) Sequenzen können ausgeprägte Suszeptibilitätsartefakte, die das Kalkdepot größer als tatsächlich erscheinen lassen können, zur Darstellung kommen [20]. Zudem stellt sich in der Resorptionsphase das Begleitödem im perifokalen Sehnengewebe in T2-Wichtungen heterogen hyperintens dar.

Konservative Therapie

Die Tendinitis calcarea wird primär konservativ therapiert mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, die ggf. bedarfsweise ergänzt werden um potentere Analgetika, die subakromiale Injektionstherapie von Lokalanästhetika und/oder Kortikosteroiden, physiotherapeutische Therapie in Form von Krankengymnastik oder Manualtherapie und physikalische Therapie in Form von Elektrotherapie und Iontophorese [11, 21, 22].

Die ESWT (Extrakorporale Stoßwellentherapie) stellt eine weitere konservative Behandlungsmaßnahme dar [23]. Der Stoßwellentherapie liegt die Applikation eines nichtlinearen hochenergetischen Druckimpulses zugrunde, der einen extrem schnellen Druckanstieg (in ca. 10 ns bis zu 100 MPa) im Gewebe generiert. Weniger als direkte mechanische sind indirekte zellvermittelte Effekte für die Wirkung relevant, die durch Hyperämie und Vaskularisation die Resorption des Kalkdepots begünstigen [24]. Die Energie der Stoßwellen wird durch die Energieflussdichte im Fokus der Stoßwelle definiert und als hoch- (0,28–0,60 mJ/mm²), mittel- (0,08–0,28 mJ/mm²) oder niedrigenergetisch (< 0,08 mJ/mm²) bezeichnet [25]. Die bisher publizierten ESWT-Behandlungsprotokolle sind hinsichtlich Dosierung, Anzahl, Frequenz, Endpunktdefinition und Gerätschaften inhomogen, sodass die Vergleichbarkeit der Studiendaten schwierig ist. Dennoch ist ein klarer Wirksamkeitsnachweis erbracht im Vergleich zur Placebobehandlung [26]. Hochwertige randomisiert-kontrollierte Studien konnten die Evidenz des Verfahrens sichern. Im Gegensatz zu anderen Therapiealternativen ist die Stoßwellentherapie daher evidenzbasiert (Evidenzgrad I) [24, 27].

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