Übersichtsarbeiten - OUP 03/2022

Therapie der manifesten Osteoporose

Uwe Maus

CME

1

Punkt

Lernziele:

Das Frakturrisiko bei Osteoporose und das drohende Frakturrisiko, das sog. „imminente Risiko“ werden dargestellt.

Die Indikationsstellung für die spezifische medikamentöse Therapie wird erläutert.

Die therapeutischen Möglichkeiten, vor allem der Stellenwert der osteoanabolen Therapie bei manifester Osteoporose werden hergeleitet.

Nach dem Lesen des Beitrages können Sie die Indikation für eine spezifische medikamentöse Therapie leitliniengerecht empfehlen.

Zusammenfassung:
Osteoporose ist eine Erkrankung, mit der sich Orthopäden und Unfallchirurgen im Alltag laufend auseinandersetzen müssen. Die Identifikation der Patientinnen und Patienten mit einer osteoporotischen Fraktur gehört dabei zu den Schlüsselaufgaben während der stationären oder auch ambulanten Behandlung. Da das Problem aufgrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Alterung der Bevölkerung ebenfalls zunimmt, ist die möglichst frühzeitige Diagnose der Osteoporose zur Vermeidung von Leid, Schmerzen und Kosten von enormer Bedeutung. In dem vorliegenden Beitrag werden die notwendigen Schritte für die Behandlung der Patientinnen und Patienten aufgezeigt. Insbesondere nach einer Fraktur ist eine schnelle Diagnostik und Therapie gefragt, da das Risiko für die ersten 12–24 Monate nach der Fraktur drastisch erhöht ist und Folgefrakturen drohen. Dieses sog. „imminente Risiko“ ist in den letzten Jahren intensiv diskutiert worden. Ziel ist, nach der Fraktur möglichst schnell eine adäquate Therapie einzuleiten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zulassungssituation der Wirkstoffe und der vorhandenen Studienlage, kann hierbei auf eine antiresorptive oder auch eine osteoanabole Therapie zurückgegriffen werden. Die Entscheidung für die jeweiligen Therapien kann dabei individuell und risikobasiert erfolgen. Neben der Einleitung der notwendigen Therapie ist auch die Weiterbetreuung der Patientinnen und Patienten enorm wichtig. Erfolgversprechende Maßnahmen sind bspw. die Etablierung von Netzwerken zwischen Kliniken und Praxen oder das „Disease Management Programm“ (DMP) Osteoporose, welches sich nach positivem Beschluss nun in den einzelnen Regionen in der Umsetzung befindet.

Schlüsselwörter:
Osteoporose, Fraktur, Imminentes Risiko, Bisphosphonate, Romosozumab, Teriparatid

Zitierweise:
Maus U: Therapie der manifesten Osteoporose.
OUP 2022; 11: 0122–0131
DOI 10.53180/oup.2022.0122-0131

Summary: Osteoporosis is a disease that orthopaedic surgeons and trauma surgeons have to deal with on a daily basis. The identification of patients with an osteoporotic fracture is one of the key tasks during inpatient or even outpatient treatment. As the problem is also increasing due to demographic change and the ageing of the population, the earliest possible diagnosis of osteoporosis to avoid suffering, pain and costs is of enormous importance. In this article, the necessary steps for the treatment of patients are outlined. Especially after a fracture, rapid diagnosis and therapy are required, as the risk is drastically increased for the first 12–24 months after the fracture and subsequent fractures are imminent. This so-called „imminent risk“ has been discussed intensively in recent years. The aim is to initiate adequate therapy as soon as possible after the fracture. Against the background of the current approval situation of the active substances and the available studies, either an antiresorptive or an osteoanabolic therapy can be used. The decision for the respective therapies can be made individually and risk-based. In addition to the initiation of the necessary therapy, the further care of the patients is also enormously important. Promising measures are, for example, the establishment of networks between clinics and practices or the „Disease Management Programme“ (DMP) Osteoporosis, which is now being implemented in the individual regions after a positive decision.

Keywords: Osteoporosis, fracture, imminent risk, bisphosphonate, romosozumab, teriparatide

Citation: Maus U: Therapy of severe osteoporosis with fractures.OUP 2022; 11: 0122–0131.
DOI 10.53180/oup.2022.0122-0131

Universitätsklinik Düsseldorf, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Einleitung

Osteoporose ist eine chronische Erkrankung, mit der sich Orthopäden und Unfallchirurgen in Klinik und Praxis tagtäglich auseinandersetzen müssen. Die Osteoporose entwickelt sich schleichend und still – die meisten Patientinnen und Patienten mit reduzierter Knochendichte haben keine oder nur diffuse Schmerzen im Bewegungsapparat. Klinische Auswirkungen hat die Osteoporose vor allem mit Auftreten von osteoporotischen Frakturen. Typische Lokalisationen sind der distale Unterarm, die Wirbelsäule, das proximale Femur, der Humerus und zunehmend auch das Becken [1]. Die verschiedenen Frakturen treten altersabhängig unterschiedlich gehäuft auf. Bei jüngeren, unmittelbar postmenopausalen Frauen ist anteilsmäßig die distale Unterarmfraktur häufiger, bei älteren Frauen nimmt die prox. Femurfraktur deutlich zu [2]. Per definitionem wird eine Osteoporose mit vorhandener Fraktur als manifeste Osteoporose bezeichnet.

Mit dem Auftreten der ersten Fraktur beginnt im Grunde ein Wettlauf gegen die Zeit, da das Risiko für weitere Frakturen nach der ersten Fraktur stark erhöht ist und dies insbesondere in den ersten Monaten und Jahren [3]. Die Herausforderung ist daher, Patientinnen und Patienten mit einer Osteoporose möglichst früh zu identifizieren und eine adäquate und auf den Einzelfall angepasste Therapie einzuleiten.

Der vorliegende Beitrag soll dabei helfen, die notwendige Diagnostik und die anschließende Therapie planen und durchführen zu können.

Definition und Bedeutung der Osteoporose

Die Osteoporose ist definiert als systemische Skeletterkrankung, die durch 3 wesentliche Parameter bestimmt ist: unzureichende Knochenfestigkeit, Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes und erhöhte Frakturneigung. Auch wenn die Knochendichte durch eine Knochendichtemessung in der Praxis leicht bestimmt werden kann, geht die Knochendichte nur indirekt in diese Definition ein. Die Knochendichte und die Knochenqualität bestimmen letztlich die Knochenfestigkeit, die sich eben aus der Knochenmasse, vor allem aber auch der Knochenstruktur ergibt.

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