Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Vertebroplastik und Kyphoplastik – ein Update

Jörg Jerosch1

Zusammenfassung: Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über die Literaturlage zur Vertebro- und Kyphoplastie bei der Therapie von osteoporotischen Kompressionsfrakturen. Neben den Indikationen und den Hinweisen zur technischen Durchführung werden insbesondere die Ergebnisse der einzelnen Verfahren sowie auch der Vergleich beider Verfahren diskutiert und dargestellt. Weiterhin finden sich Hinweise zu den Komplikationen und insbesondere zur Kosteneffektivität im Rahmen der Behandlung der osteoporotischen Wirbelkörperfraktur.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Wirbelsäule, Kyphoplastie,
Vertebroplastie

Zitierweise
Jerosch J. Vertebroplastik und Kyphoplastik – ein Update.
OUP 2015; 11: 540–548 DOI 10.3238/oup.2015.0540–0548

Summary: The present article shows the indications, some technical issues and especially the results of vertebro- and kyphoplasty. Also the comparison of kypho- and vertebroplasty is presented and besides this aspects the complications and especially the cost-effectiveness of both treatment options are demonstrated.

Keywords: osteoporosis, vertebroplasty, kyphoplasty,
spinal fractures

Citation
Jerosch J. Kypho- and vertebroplasty – an update.
OUP 2015; 11: 540–548 DOI 10.3238/oup.2015.0540–0548

Einleitung

Die Osteoporose ist eine Stoffwechselkrankheit des Knochens, die durch Knochensubstanzverlust, Veränderungen der Mikroarchitektur der Knochen und in der Folge durch Verluste an Knochenfestigkeit charakterisiert ist [1]. Bei jedem Menschen über 40 Jahre verringert sich die Knochenmasse jährlich um 0,5–1,5 % [2]. Von einer Osteoporose spricht die WHO allerdings erst bei einem Abfall der messbaren Knochendichte auf –2,5 Standardabweichungen unter der normalen Knochendichtewert für junge kaukasische Frauen [3]. Von allen 50-jährigen Frauen werden etwa 15,6 % Wirbelkörperfrakturen erleiden, 17,5 % Hüftfrakturen und 39,7 % irgendeine Fraktur im Laufe des vor ihnen liegenden Lebens. Während der Schenkelhalsbruch fast immer zu einer Krankenhauseinweisung führt, werden Wirbelkörperfrakturen nach wie vor oft noch therapeutisch vernachlässigt.

Da kein Goldstandard zur Bestimmung einer Wirbelfraktur existiert [4] und da die Angaben zum Teil auf der Grundlage unterschiedlicher Bestimmungsmethoden beruhen, wird die Inzidenz von Wirbelkörperfrakturen in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben. Daher ist es sehr schwer, reliable Daten über die tatsächliche Prävalenz von Wirbelkörperfrakturen zu erhalten.

Cooper et al. [5] berichteten, dass die alters- und geschlechtsadaptierte Inzidenz von vertebralen Frakturen 117 auf 100.000 Einwohner beträgt und dass insgesamt 25 % der Frauen über 50 Jahre eine oder mehr vertebrale Frakturen haben. Unter Berücksichtigung dieser Daten wird bei der US-Population über 50 Jahren eine Zunahme von 60 % zwischen 2000 und 2025 stattfinden [6]. Anders als bei Frakturen des proximalen Femur oder des Radius sind die osteoporotisch bedingten Kompressionsfrakturen im Bereich der Wirbelsäule häufig nicht mit einem adäquaten Trauma assoziiert. Man geht davon aus, dass nur etwa 30 % der vertebralen Frakturen klinisch auffällig werden [7]. Es kommt häufig zu einer signifikanten Morbidität, die sich durch anhaltenden und chronischen Rückenschmerz äußert.

Körperliche Folgen von Wirbelfrakturen sind Größenverluste, Rundrücken („Witwenbuckel“) und eine Verringerung des Abstands zwischen Rippenbögen und Beckenkamm. Sind diese Veränderungen einmal eingetreten, so sind sie irreversibel. Nach frischen Wirbelfrakturen haben die Patienten zum Teil akute Schmerzen und damit quälende Beschwerden, die in der Regel 4–6 Wochen andauern. Die Ursachen dieser Schmerzen ist in lokalen Mediatoren zu sehen (Abb. 1) und wird über ein multiples Schmerzfasersystem im Wirbelkörper weitergeleitet (Abb. 2). Jedoch werden nur etwa 30 % der Frakturen klinisch erfasst [8].

Irreversible spinale Deformitäten mit einer klinisch relevanten Kyphose führen zu einer Einschränkung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQOL: Health Related Quality of Life) [9, 10]. Hallberg et al. [9] zeigten, dass die HRQOL-Ergebnisse nach osteoporotischen Frakturen signifikant schlechter sind bei Patienten im Alter von 55–75 Jahren bei einem 3– bis 24-monatigem Follow-up (physische und mentale Einschränkungen). Es zeigt sich weiterhin, dass vertebrale Frakturen einen erheblich größeren und längeren Einfluss auf den HRQOL haben als Radius- oder Humerusfrakturen.

Biomechanisch besonders ungünstig scheint der thorakolumbale Übergang zu sein. Hier sind nach einmal stattgehabter Fraktur auch mit nur geringer Deformierung immer wieder rasch progrediente Verläufe zu beobachten (Abb. 3).

Mortalität

Eine osteoporotische Wirbelkörperfraktur ist assoziiert mit einer deutlich erhöhten Mortaliätsrate [11, 12, 13]. Lau et al. [11] fanden, dass die Gesamtmortalität nach einer Wirbelkörperfraktur 2-mal so hoch ist wie das von altersgleichen, nicht verletzten Kollektiven. Die Überlebensrate nach der Frakturdiagnose wurde anhand der Kaplan-Meier-Methode wie folgt geschätzt: nach 3 Jahren 53,9 %, nach 5 Jahren 30,9 % und nach 7 Jahren nur noch 10,5 %. Das war signifikant geringer als bei altersentsprechenden Vergleichskollektiven. Die Mortalität scheint bei Männern größer als bei Frauen zu sein, hier finden sich die größten Unterschiede bei jüngeren Patienten [11, 12]. Edidin et al. [13] berichteten, dass die Lebenserwartung zwischen 2,2 und 7,3 Jahren größer ist bei Patienten, die eine Zementaugmentation erhielten im Vergleich zu nicht operativ behandelten Patienten. Kado et al. [14] zeigten, dass Frauen mit einer neuen Fraktur ein altersdaptiert um 32 % erhöhtes Mortalitätsrisiko haben im Vergleich mit Frauen ohne Wirbelkörperfraktur. Die Autoren schlussfolgerten, dass das erhöhte Mortaliätsrisiko vor allen Dingen durch Gewichtsverlust und fehlende körperliche Aktivität bedingt ist. Das Mortalitätsrisiko ist insgesamt 25 % größer bei Wirbelkörperfrakturen als bei Hüftfrakturen [15].

Kosten für die Gesellschaft

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