Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Vertebroplastik und Kyphoplastik – ein Update

Im Jahr 2005 gab es in den Vereinigten Staaten auf Grund von osteoporotisch bedingten Wirbelkörperfrakturen 2,5 Millionen ambulante Arztkontakte, 34.000 Krankenhausaufnahmen und 180.000 Heimbesuche durch Krankenschwestern [16] mit einem insgesamt direkten Kostenvolumen von 17 Milliarden US-Dollar [16, 17].

Diagnostik

Die klinische Untersuchung kann schon wegweisend für die Diagnose einer vertebralen Kompressionsfraktur sein. Der lokale Durckschmerz über einem isolierten Dornfortsatz ist typisch [18, 19]. Die Diagnosesicherung einer Fraktur wird üblicherweise mittels Kernspintomografie gestellt. Einen Knochenszintigrafie oder Röntgenserien im Verlauf können ebenfalls hilfreich sein. Im Kernspin findet sich üblicherweise ein erhöhtes Signal im T2-Bild oder in der STIR-Sequenz und ein reduziertes Signal im T1-Bild. Diese Veränderungen entsprechen einem akuten Ödem.

Therapieoptionen

Im Vordergrund der Behandlung sollten die Beseitigung der Schmerzphasen und die Prophylaxe einer progressiven Kyphose sein, die in sich wiederum aufgrund ungünstiger statischer Veränderungen zu progredienten anhaltenden Rückenschmerzen führen kann.

Neben der medikamentösen Behandlung, die besonders in der Prophylaxe eingesetzt wird, reicht das therapeutische Spektrum bei manifesten Frakturen von konservativen Therapiemaßnahmen mit Analgesie/Bettruhe, Korsett- oder Miederbehandlung zur Mobilisation bis hin zu aufwändigen, stabilisierenden Eingriffen. Für viele Patienten sind jedoch aufgrund wesentlicher zusätzlicher Erkrankungen größere chirurgische Eingriffe nicht mehr zumutbar. Zudem ist die Fixationsmöglichkeit von Implantaten in osteoporotischem Knochen deutlich vermindert.

Minimalinvasive Augemnationsverfahren zur Stabilisierung oder sogar zur teilweisen Wiederaufrichtung haben sich im letzten Jahrzehnt etabliert. Hierzu gibt es prinzipiell 2 unterschiedliche Techniken: die perkutane Vertebroplastik (PVP) und die perkuntane Kyphoplastik (PKP).

Die meisten Autoren empfehlen zunächst einen 3-wöchigen konservativen Therapieversuch. Die Beschwerden nach einer osteoporotischen Wirbelkörperfraktur dauern in der Regel 2–3 Monate. Eine Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Untersuchungen (RCT) zeigte exzellente Resultate, sowohl in der Frühgruppe (2–3 Wochen) als auch in der Spätgruppe (2–3 Monate) [20].

Eine weitere Indikationsgruppe stellt die Patienten dar, die aufgrund ihrer Schmerzen und funktionellen Einschränkungen durch die osteoporotische Fraktur hospitalisiert sind [21]. Bei diesen Patienten kann die Zementaugmentation eine rasche Verbesserung erzielen [7].

Andere seltenere Indikationen stellten primäre Knochentumoren dar, wie beispielsweise Hämangiome oder Riesenzelltumoren, sowie auch sekundäre Knochenmetastasen mit pathologischen Frakturen (Tabelle 1).

Perkutane Vertebroplastik

Die Technik der perkutanen Vertebroplastik (PVP) wurde erstmals 1987 zur Behandlung vertebraler Hämangiome beschrieben [22]. Als Füllmaterial wurde Polymethylmetacrylat (PMMA) verwendet, welches bis heute das Material der Wahl geblieben ist. Auch die Auffüllung von Wirbelkörpern mit Knochenzement ist im Rahmen der Tumorchirurgie bereits mehrfach beschrieben. Nachdem in diesen Fällen meist eine rasche und deutliche Schmerzreduktionen zu verzeichnen war, wurde Mitte der 90er Jahre begonnen, auch osteoporotische Wirbelkörperkompressionen mit der PVP zu behandeln.

OP-Technik: Bei der PVP wird der frakturierte Wirbelkörper mit flüssigen Knochenzement (PMMA) aufgefüllt (Abb. 4). Die Operation erfolgt über eine perkutan eingebrachte Hohlkanüle, die transpedikulär in dem Wirbelkörper platziert wird. Benutzt wird in der Regel ein steriler Knochenzement, der relativ lange dünnflüssig bleibt; prinzipiell ist auch injektionsfähiges biodegradibles Calziumphosphat geeignet. In der Regel wird eine PVP in Lokalanästhesie durchgeführt und ist somit auch für die oftmals multimorbiden Patienten wenig belastend ist. Ein venöser Zugang ist ebenso obligat wie ein Monitoring der Herz-Kreislauf-Funktionen.

In der klinischen Routine wird die Vertebroplastik im LWS-Bereich im Operationssaal unter Bildwandlerkontrolle durchgeführt. Der Patient wird auf dem Bauch gelagert (Abb. 5). Der Rücken wird chirurgisch mehrfach steril abgewaschen und steril abgedeckt. Das zu augmentierende Niveau unter dem Bildwandler identifiziert. Der Bildwandler kann intraoperativ steril umgeschwenkt werden, sodass während der Zementauffüllung eine Röntgenkontrolle in mehreren Ebenen möglich ist. Haut und Stichkanal werden bis auf das Periost des betroffenen Wirbelkörpers mit Lokalanästhetikum infiltriert

Dann wird transpedikulär eine Punktionskanüle in den betroffenen Wirbelkörper eingebracht. Die Injektion des PMMA erfolgt unter kontinuierlicher Röntgenkontrolle, wobei besonderes Augenmerk der Wirbelkörperhinterkante sowie potenziellen Zementextrusionen nach anterior zu richten ist. Im Idealfalle vergrößert sich die Zementwolke, ausgehend von der Nadelspitze, kontinuierlich unter Respektierung des Wirbelkörperrahmens. Die Zementauffüllung muss bei sichtbaren Zementextrusionen sofort abgebrochen werden und ist durch die zunehmende Viskosität des Materials limitiert. Nach Aushärten des Zements werden die Nadeln entfernt und die Stichinzisionen verschlossen. Der Patient kann sofort mobilisiert werden. Postoperativ erfolgt eine Röntgenkontrolle (Abb. 6).

Im thorakalen Bereich ist eine CT-kontrollierte Auffüllung indiziert, um Fehlpunktionen zu vermeiden (Abb. 7). Es gibt bereits verschiedene Systeme auf dem Markt.. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich im Preis sowie in der Handhabbarkeit der einzelnen Systeme. Eine PVP sollte möglichst rasch nach der Fraktur durchgeführt werden. Das Verfahren lässt sich gleichzeitig bei mehreren Wirbelkörpern durchführen. Voraussetzung für die PVP ist, dass die Hinterkanten der Wirbelkörper intakt sind, um so eine Eindringen des Knochenzements in den Spinalkanal zu vermeiden.

Biomechanik und Biologie: Die meisten Studien in der Literatur vergleichen die biomechanischen Eigenschaften eines einzelnen Wirbelkörpers nach Zementfüllung mit denen eines nichtaugmentierten Nachbarwirbels. Hierbei wird erwartungsgemäß deutlich, dass sich mit einer Augmentierung sowohl die Festigkeit („failure strength“) als auch die Steifigkeit eines Wirbelkörpers signifikant erhöhen lassen [23, 24]. Dies gilt insbesondere für PMMA und in etwas geringerem Ausmaß für Alternativmaterialien, wie z.B. Calziumphosphat-Zemente [25, 26, 27]. Stechow und Alkalay [28] untersuchten die Belastbarkeit frakturierter osteoporotischer Wirbelkörper vor und nach PVP mit PMMA. Die Knochenstruktur und -dichte von 20 Wirbelkörpern (T6-L2) wurde vor und nach PVP mit Röntgen und DEXA beurteilt. Die Bestimmung der Belastbarkeit bis zur Fraktur erfolgte durch quasi-statische, kombinierte axiale Kompression mit anteriorem Flexionsmoment vor und nach PVP. Die Ergebnisse zeigten, dass die Knochendichte der untersuchten Wirbelkörper vor PVP signifikant erniedrigt war (0.52g/cm2; Norm: 0.55g/cm2). Die Belastbarkeit und die axiale Steifigkeit waren nach PVP signifikant erhöht. Die Autoren folgerten, dass die perkutane Vertebroplastik mit PMMA in frakturierten Wirbelkörpern eine effektive Methode ist, um die Belastbarkeit der Wirbelkörper signifikant zu steigern.

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