Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Vertebroplastik und Kyphoplastik – ein Update

Auch die Frage der pozentiellen Gefahr von Hitzeschäden im Zuge der Auspolymerisation des Zements wurde schon untersucht. So konnten Wang et al. [29] im Tierversuch keine spinalen Schädigungen bei cervikalen Fusionen mit PMMA im Hundemodell nachweisen, auch wenn keine Isolationsschicht verwendet wurde. Die Autoren führen dies auf die Isolationsfunktion der erhaltenen Ligamentae sowie vor allem auf die Wärmetransportfähigkeit der gefäßreichen duranahen Strukturen zurück.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Literatur, den experimentellen Grundlagen [30] und klinischen Erfahrungen [31, 32] wird die PVP in den Therapiealgorithmus bei Osteoporosepatienten integriert. Daneben stellen schmerzhafte und/oder instabile primäre oder sekundäre Wirbelköpertumoren sowie klinisch symptomatische Hämangiome eine Indikation dar.

Perkutane Kyphoplastik

Die Perkutane Kyphoplastik (PKP) (Abb. 8) ist eine Weiterentwicklung der Vertebroplastik und stellt ein minimalinvasives chirurgisches Verfahren zur Aufrichtung frischer schmerzhafter Wirbelfrakturen dar.

OP-Technik: Die ersten Schritte entsprechen dem oben beschriebenen Ablauf der PVP. Nach korrekter transpedikulärer Platzierung der K-Drähte werden diese mit einer Arbeitskanüle überbohrt. Der Ausgang der Kanüle sollte am Übergang des Pedikels in den Wirbelkörper liegen. Mit einem Stößel wird der Kanal für den zu. verwendenden Ballon vorbereitet. Dieser Kanal liegt im unteren Drittel des Wirbelkörpers und reicht bis zur anterioren Kortex. Durch die Arbeitskanüle werden dann die Ballons in den vorbereiteten Knochenkanal geschoben. Durch stufenweises Aufblasen des Ballons mit Kochsalzlösung, der ein röntgendichtes Kontrastmittel beigemischt ist, wird der Wirbel wieder aufgerichtet und die Kyphose vermindert (Abb. 9, 10). Dies geschieht unter Monitorüberwachung des Druckaufbaus und -verlaufs.

Dann wird der Ballon entfernt und in die entstandene Höhle flüssiger Knochenzement zur Stabilisierung des Wirbels eingespritzt. Dies erfolgt ebenfalls unter Bildwandlerkontrolle.

Postoperative Mobilisation

Das Ziel bei Patienten mit einer vertebralen Kompressionsfraktur bei einer vorliegenden Osteoporose ist die rasche Mobilisation. Es gibt keine Level-1– oder 2-Studien hinsichtlich der Notwendigkeit und Verwendung von Braces vor oder nach einer Zementaugmentation. Letztendlich bleibt es ins Ermessen des Therapeuten gestellt. Wichtig ist jedoch, dass auf jeden Fall eine adäquate medikamentöse Osteoprosetherapie begonnen wird.

Literaturlage anhand von randomisierten
kontrollierten Studien

Vor 2009 finden sich keine prospektiv radomisierten kontrollierten Studien, die die Effektivität der Zementaugmentation bei osteoporotischen vertebralen Kompressionsfrakturen überprüfte. Seitdem finden sich 8 prospektive RCTs, welche in peer reviewed Journals publiziert wurden.

Kallmes et al. [33] und Buchbinder et al. [34] verglichen die Vertebroplastie mit Scheineingriffen und konnten keinen Vorteil der Zementaugmentation darstellen. Beide Studien wiesen jedoch erhebliche methodische Probleme auf. Es ist generall akzeptiert, dass die Zementaugmentation den meisten Gewinn bei akuten Frakturen ergibt, die nicht auf konservative Maßnahmen ansprechen. Diese o.g. Studien schlossen jedoch subakute Frakturen bis zum 12. Monat ein. Weiterhin war ein Knochenödem im Kernspin nicht notwendigerweise ein Einschlusskriterium. Auch wurde die Knochenaugmentation nur mit einer Scheinprozedur verglichen und nicht mit der konservativen Therapie.

Seitdem gibt es 6 weitere prospektive randomisierte kontrollierte Studien. Die Studien zeigten einen positiven Effekt der Zementaugmentation im Vergleich zur nicht operativen Therapie [35, 36, 37, 38, 39, 40, 41] und nur eine Studie zeigte keinen Effekt im Vergleich zur Kontrollgruppe [42, 43].

2013 publizierten Anderson et al. [44] eine Metaanalyse der Vertebralaugmentation im Vergleich zur nicht chirurgischen Maßnahme bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen. Sie inkludierten 6 Publikationen dieser prospektiven RCTs, wobei die Untersuchung von Kallmes und Buchbinder [33, 34] mit beinhaltet waren. Als primäres Outcome wurde der Schmerz gemessen (VAS-Skala, spezifische Wirbelsäulenfunktion und HRQOL). Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigten, dass die Zementaugmentation eine signifikant bessere Schmerzreduktion, ein besseres funktionelles Outcome und eine Verbesserung im HRQOL aufweist als nicht operative Maßnahme oder Scheinprozeduren. Diese Ergebnisse waren signifikant hinsichtlich des frühen und späten Follow-ups (6 und 12 Monaten) (p < 0,001).

Eine weitere prospektive randomisierte kontrollierte Studie wurde in dieser Metaanalyse nicht eingeschlossen. Blasco et al. [41] untersuchten 125 Patienten, die randomisiert mit einer Vertebroplastie und einem nicht operativen Management zugeteilt wurden. Die Einschlusskriterien waren osteoporotische Wirbelkörperfrakturen mit einer Anamnese von weniger als 12 Monaten und gleichzeitigem Ödem im Kernspin oder Aktivitäten in der Knochenszintigrafie mit einem VAS von ? 4. Die Autoren fanden, dass in beiden Gruppen eine signifikante Verbesserung im VAS zu allen Zeitpunkten auftrat mit einer signifikant stärkeren Verbesserung in der Vertebroplastiegruppe im Zeitraum von 2 Monaten. Hinsichtlich des funktionellen Outcomes war die Vertebroplastik-Gruppe zu allen Zeitpunkten besser. Eine Verbesserung im funktionellen Outcome in der nicht operativ behandelten Gruppe fand sich nicht vor 6 Monaten. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Vertebroplastik zu einer schnelleren Schmerzreduktion führt und einer signifikanten Verbesserung der Schmerz-Scores nach 2 Monaten; und dass beide Gruppen nach einem Jahr doch vergleichbare Ergebnisse aufwiesen.

Die in den Arbeiten von Anderson et al. [44] und Blasco et al. [41] publizierten RCTs stellten die Zementaugmentation als valide Option für die entsprechenden Patientengruppe dar.

Das adäquate Timing der Zementaugmentation ist nach wie vor etwas kontrovers, da viele Patienten mit vertebralen Kompressionsfrakturen auch durch eine symptomatische konservative Behandlung eine Besserung erfahren. Basierend auf der vorliegenden Literatur sollte eine Zementaugmentation bei den Patienten mit einer akuten vertebralen Kompressionsfraktur mit Ödem im Kernspin erwogen werden, die über erhebliche Schmerzen berichten und die immobilisiert sind oder bei Patienten, die nicht innerhalb von 3–6 Wochen auf eine konservative Therapie ansprechen.

Vertebroplastik versus
Kyphoplastik

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