Übersichtsarbeiten - OUP 11/2015

Vertebroplastik und Kyphoplastik – ein Update

Die Kyphoplastik bietet die Option, die Wirbelkörper-Deformität und die Kyphose in gewissen Umfang vor einer Zementinjektion zu korrigieren. Radiologisch scheint sich ein Vorteil zu ergeben. Der klinische Nutzen wird jedoch kontrovers diskutiert. Han et al. [45] publizierten einen systematischen Literaturreview und verglichen für die Vertebro- und die Kyphoplastik. 8 Studien (1 prospektive RCT, 3 klinisch kontrollierte Studien, 3 prospektive Kohortenstudien und 1 retrospektive Studie) mit insgesamt 848 Patienten. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Vertebroplastik effektiver ist in den ersten 7 Tagen hinsichtlich Schmerzreduktion. Die Kyphoplastik hat hingegen einen Vorteil, wenn man die 3-monatige funktionelle Verbesserung der Patienten beurteilt. Es gab keinen langfristigen Unterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich Schmerzreduktion und funktioneller Verbesserung.

Omidi-Kashani et al. [46] verglichen die perkutane Kyphoplastik mit der Vertebroplastik bei isolierten osteoporotischen Kompressionsfrakturen. Sie fanden signifikante Verbesserungen bezüglich des Schmerzes im VAS und des SF-36 in beiden Gruppen. Die Kyphoplastie zeigte radiologisch eine Verbesserung der kyphotischen Angulation des frakturierten Wirbelkörpers (3,1° mittlere Korrektur) [37]. Es fand sich jedoch kein Unterschied bezüglich Schmerz und der funktioneller Verbesserung zwischen Vertebroplastik und Kyphoplastik. Der klinische Vorteil von 3° Verbesserung der fokalen Kyphose ist klinisch nicht signifikant.

Komplikationen

Typische Komplikationen der Zementaugmentation ist die Zementextravasation, die Embolie sowie das Auftreten neuer Frakturen. Neurologische Komplikationen sind selten, jedoch beschrieben.

Anhand von CT-Daten zeigt sich, dass eine Zementextravasation bei vielen Patienten vorkommt (18–88 %). In der Regel haben diese jedoch keine klinisch Relevanz [47). Die häufigste Zementleckage findet in die Endplatte oder die Bandscheibe statt (45 %) gefolgt von paravetebralen Extravasationen (35 %), epiduralen (20 %) und perivertebralen (18 %). Das CT zeigt hier deutlich mehr Extravasation als die normalen Röntgenaufnahmen [47]. Der Zementaustritt korreliert mit der geringeren Viskosität, dem Frakturtyp und höheren Injektionsvolumina [48]. Neurologische Komplikationen sind erfreulicherweise selten (unter 1 %). Falls jedoch eine derartige Komplikation auftritt, ist die unmittelbare Dekompression notwendig. Im Rahmen der Zementaugmentation sind jedoch auch Fälle beschrieben worden mit dauerhaftem neurologischen Defizit [49]. Ein Austritt in das Bandscheibenfach kann zu einer erhöhten Stressbelastung der angrenzenden Grundplatte führen und so eine sukzessive Fraktur verursachen.

Eine Zementembolie ist ebenfalls beschrieben worden. Dieses geht sogar bis zu fatalen Lungenembolien. Es sind auch cerebrale Insulte beschrieben worden. Ein systematischer Review, welcher die Inzidenz von kardiopulmonalen Embolien zum Thema hatte, zeigt eine Rate von 2–26 %, je nach diagnostischer Methode [50] für symptomatische und hämodynamisch relevanter Beeinflussung der Pulmonalarterienzirkulation ebenso wir für Beeinträchtigungen des rechten Herzens.

Neben einer Zementembolisation kann auch eine Embolisation von Fettmark aus dem Knochen entstehen, die zur einer transienten akuten hämodynamischen Veränderung führen kann.

Anschlussfrakturen

Die erhöhte Steifheit eines vertebro- oder kyphoplastierten Wirbelkörpers führt zu einer vermehrten Belastung der angrenzenden Segmente. Dieses kann theoretisch zu einer erhöhten Frakturrate dieser Segmente führen. Eine Metaanalyse von RCTs, welche die Vertebroplastik und konservative Therapie verglichen, zeigt hingegen kein erhöhtes Risiko von sekundären Frakturen [44]. Etwa 20 % der Patienten in beiden Gruppen zeigten neue Frakturen zwischen 6 und 12 Monaten. Technische Probleme wie Extravasation in die Bandscheibe können das Risiko für Anschlussfrakturen jedoch erhöhen. Eine Limitation dieser Metaanalyse war, dass hier Patienten mit bis zu 3 Frakturen eingeschlossen wurden. Das Risiko, nach einer Augmentation eine neue Fraktur zu erhalten, ist erhöht bei Patienten mit multiplen Frakturen oder mit erheblichen kyphotischen Deformitäten. Bei manchen Patienten kann es auch im selben Segment auf Grund eines Zementversagens zu einer erneuten Fraktur kommen.

Zhang et al. [51] führten einen systematischen Review und eine Metaanalyse bezüglich des Risikos einer neuen osteoporotischen Wirbelkörperkompressionsfraktur nach Vertebroplastie durch. Sie fanden, dass 21 % der Patienten eine neue Fraktur nach Zementaugmentation erleiden. Prädiktive Faktoren waren hierbei geringer Body Mass Index und intradiskale Zementaustritte.

Kosteneffektivität der
Zementaugmentation

In einer prospektiven randomisierten kontrollierten Studie zeigten Fritzell et al. [52], dass die Kyphoplastik nicht kosteneffektiv ist im Vergleich zu einer Standardtherapie bei Patienten mit akuten und subakuten vertebralen Kompressionsfrakturen mit einem QALY COST (Quality at adjust Lifeyear) für die Kyphoplastie von 134.043 USD basierend auf einem 2-Jahres-Follow-up.

Im Gegensatz hierzu wurde die Kyphoplastie als kosteneffektiv bei der Behandlung von hospitalisierten Patienten mit vertebralen Kompressionsfrakturen in England angesehen [7]. Es ist generell akzeptiert, dass eine Intervention ab einer Kosten zu QALY Relation von < 50.000 USD als kosteneffektiv angesehen wird. Auf Grund des Fehlens konklusiver Daten, dass die Kyphoplastie bessere Ergebnisse als die Vertebroplastik bezüglich Schmerz und/oder HRQOL-Daten ergibt, sind basierend auf der Literatur die zusätzlichen Kosten der Kyphoplastik rein aus ökonomischen Aspekten momentan nicht zu rechtfertigen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Johanna-Etienne-Krankenhaus

Am Hasenberg 46, 41462 Neuss

J.Jerosch@ak-neuss.de

Literatur

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