Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Benigne Knochentumoren

Axel Hillmann1, Frederik von Kunow1, Thomas Gösling2

Zusammenfassung: Gutartige Tumoren des Skelett- und Bewegungsapparats sind sehr viel häufiger als bösartige. Sie werden oft per Zufall entdeckt. Gutartigkeit bedeutet aber nicht per se, dass sie nicht behandelt werden müssen, denn je nach Lokalisation und biologischer Aktivität können sie ein Gefahrenpotenzial beinhalten. Auf der anderen Seite werden nach unserer Ansicht zu viele Operationen, Therapien und Nachkontrollen von gutartigen Knochentumoren durch unerfahrene Ärzte durchgeführt, die nicht nur für den Patienten eine hohe Belastung darstellen können, sondern auch zu einem unnötigen Anstieg der Kosten für die Krankenkassen führen können.

Fragestellung: Es werden Richtlinien für die Diagnostik und charakteristische Merkmale einzelner Entitäten gutartiger Knochentumoren und tumorähnlicher Knochenläsionen dargestellt.

Material und Methoden: Die Unterscheidung zwischen latentem Tumor, aktivem Tumor oder aggressiven Tumor wird hervorgehoben. Die sich daraus ergebenden Behandlungsrichtlinien werden dargestellt und teilweise mit der Literatur verglichen. Die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Analyse der nativen Röntgenaufnahme und auch der Schnittbildverfahren werden erklärt.

Zusammenfassung: Die Behandlung gutartiger Knochentumoren und die Intensität von klinischen und radiologischen Nachkontrollen ist anhand des Aktivitätsgrads der gutartigen Knochenläsionen auszurichten. Einige der Läsionen sollten nur gelegentlich, andere überhaupt nicht nachkontrolliert werden und bei einigen ist aufgrund der Metastasierungsfähigkeit auch eine Nachsorge und Kontrolle anderer Körperabschnitte wie zum Beispiel der Lunge erforderlich. Der überwiegende Anteil der gutartigen Knochentumoren wird aber nur zufällig entdeckt und benötigt keine Therapie.

Schlüsselwörter: gutartige Knochentumoren, tumorähnliche Knochenläsionen, Diagnostik, Therapie

Zitierweise
Hillmann A, von Kunow F, Gösling T: Benigne Knochentumoren.
OUP 2018; 7: 073–082 DOI 10.3238/oup.2018.0073–0082

Summary: The incidence of benign bone tumors is much higher than of high malignant tumors.

Objectives: The article shows an overview of the characteristics of benign bone tumors. The radiological aspect will be presented and the treatment modalities will be explained.

Material and methods: The difference between latent, active and aggressive tumors determines therapy and control algorithms. The principles of our treatment and an overview of the literature will be given.

Results: Because of clinical asymptomatics benign bone tumors are frequently found incidentally. In rare cases pathological fracture in giant cell tumor or a soft tissue component of an aneurysmal bone cyst leads to the diagnosis. In some entities metastasis of the lung can occur, especially in aggressive tumors like GCT or chondroblastomas. The radiological aspect is often very typical and a conventional radiograph is indispensable. Sometimes an additional MRI oder CT-scan can make typical structures of the tumor visible. Therapy options range from ignore (leave me alone lesions) to aggressive curettage and adjuvant treatment.

Conclusion: The diagnosis of benign bone tumors includes not always a treatment of the lesion. If there are no clinical findings like pain and the lesion is detected incidentally, a surgical intervention can be avoided. But if the radiological findings are aggressive even a benign lesion can transform into a high grade malignant bone tumor.

Keywords: benign bone tumors, tumor-like lesions,
diagnosis, therapy

Citation
Hillmann A, von Kunow F, Gösling T: Benign bone tumors.
OUP 2018; 7: 073–082 DOI 10.3238/oup.2018.0073–0082

Der Begriff benigne Knochentumoren mutet zunächst harmlos an. In der täglichen Praxis allerdings stellt uns ein gutartiger Knochentumor nicht selten vor Probleme:

Den Patienten, bei dem dies nicht selten als Zufallsbefund entdeckt wird. Kann er sich darauf verlassen, dass dieser gutartige Prozess auch gutartig bleibt?

Den Hausarzt: Muss ich den Befund kontrollieren, wenn ja, wann und wie oft?

Den Radiologen: Sind die Kriterien tatsächlich gutartig oder rate ich vorsichtshalber mal zur Probebiopsie?

Den Orthopäden/Unfallchirurgen: Kann bei dem Patienten ggf. auch eine Frakturgefahr bestehen? Ist es eine „Don’t touch me Läsion“ oder ist eventuell eine operative Intervention erforderlich trotz Gutartigkeit?

Und letztlich auch die Krankenkasse: Die Seltenheit und der Umgang mit diesen Läsionen des muskuloskelettalen Systems führt sehr oft zu einer Übertherapie und zu einer Überkontrolle, die Kosten verursacht und unter Umständen dem Patienten schadet – genau wie ein Nicht-Erkennen oder eine Fehldiagnose eines solchen Prozesses auch bei verspätet einsetzender Therapie die Kosten in die Höhe treibt. Aber viel wichtiger ist es, dass bei einer Fehlbeurteilung einer aggressiven, wenn auch gutartigen Läsion das Ausmaß der späteren Therapie enorm ausgedehnt werden kann, was bei frühzeitiger und richtiger Diagnostik und Therapie hätte vermieden werden können.

Gutartige Knochentumoren machen nach vorsichtigen Schätzungen etwa 40 % aller Tumoren des Skelett- und Bewegungsapparats aus [4], allerdings ist in der Literatur einerseits die Zuordnung der einzelnen Läsionen nicht klar und einheitlich. So werden oft die sogenannten „tumor-like lesions“ nicht eingeschlossen, und mit diesen Läsionen ist die Zahl sicher sehr viel höher, und andererseits sind gutartige Knochentumoren ja sehr oft ein Zufallsbefund, sodass die Gesamtinzidenz bei fehlenden Screening-Verfahren sicher sehr viel höher anzusiedeln ist.

Eine sinnvolle Einordnung der benignen Knochentumoren scheint die Einteilung der WHO zu sein. Nicht die allgemein für gutartig stehende Überlebensprognose sollte den Begriff der Gutartigkeit ausmachen, sondern das biologische Verhalten des tumorösen Prozesses: Ist der Tumor stumm und stabil? Ist er ein reiner Zufallsbefund, zum Beispiel weil er sich in der Nähe einer klinisch symptomatischen Gelenk-Pathologie befindet, die aber völlig unabhängig von dem Tumor ist? Ist der Prozess lokal aggressiv oder intermediär, und besteht damit eine Frakturgefahr des befallenen Knochens? Ist bei weiterhin bestehender biologischer oder osteolytischer Aktivität sogar ein Gelenk gefährdet? Kann er metastasieren? Die beiden letztgenannten Verhaltensweisen umschreibt die WHO mit „intermediär, lokal aggressiv“ und „intermediär, selten metastasierend“ [9]. Auch die Einteilung nach seiner histologischen Unterscheidbarkeit und seiner Ursprungszelle macht sehr viel Sinn, denn die Ableitung, ob eine Behandlungsnotwendigkeit besteht, ergibt sich in allererster Linie aus dem biologischen Verhalten des Tumors. Wächst er? Destruiert er? Metastasiert er? Führt er zu Schmerzen oder Symptomen?

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