Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Benigne Knochentumoren

Zu diesen Fragestellungen hilft uns die Kenntnis der Histologie entscheidend, aber auch die radiologischen Kriterien können in vielen Fällen Hilfestellungen geben. Die Einteilung nach der Lodwick-Klassifikation erlaubt die Beurteilung der Dignität und des Wachstumsmusters von intraossären Tumoren und liefert somit entscheidende Hinweise auf die Entität des Tumors [8].

Bereits daraus ergibt sich, dass der initialen Röntgenaufnahme eine entscheidende Bedeutung zukommt. Auf die weitere notwendige Diagnostik soll im Folgenden noch eingegangen werden.

Ätiologie

Die Ätiologie der meisten benignen Knochentumoren ist nicht bekannt. In einigen knorpelbildenden – gutartigen wie auch bösartigen – Tumoren finden sich Mutationen von IDH1 und IDH2 und die Heterogenität dieser Tumoren scheint in einer unterschiedlichen Differenzierung einer multipotenten Stammzelle während der fetalen-adulten Reifung zu liegen [15]. Beim Riesenzelltumor versucht man, eine Korrelation zwischen der metastatischen und der nicht-metastatischen Form des Tumors aufgrund eines signifikant niedrigeren Levels von miR-136 zu bestätigen [14]. Auch die Expression verschiedener Gene (wie z.B. NFBI) in Verbindung mit niedrigen Levels von miR-136 scheint einen Zusammenhang zur Metastasierungsrate dieses Tumors zu haben [14]. Möglicherweise kann auch ein Vitamin-D-Mangel eine Verbindung zu der Entstehung von Knochentumoren haben. Benigne Knochentumoren und tumor-ähnliche Läsionen scheinen da aber im Vergleich zu bösartigen weniger oft betroffen zu sein [10].

Bei der hereditären multiplen Exostosenerkrankung zeigen Patienten mit EXT1-Mutationen ein phänotypisch schwereres klinisches Krankheitsbild als Patienten mit EXT2-Mutationen [11].

Insgesamt werden gerade auf dem molekularbiologischen Forschungsgebiet mehr und mehr Erkenntnisse auf diesem Gebiet erforscht, die Aufschlüsse zur Ätiologie der gutartigen Tumoren liefern.

Klassifikation

Ob ein gutartiger Knochentumor überhaupt behandelt werden muss, hängt im Wesentlichen von seiner Klassifikation ab; die WHO hat hier entscheidende Richtlinien vorgegeben, die eine Entscheidung zum therapeutischen Vorgehen leichter machen, sie betreffen im Wesentlichen das biologische Verhalten in benigne, intermediär (lokal aggressiv) und intermediär (selten metastasierend). Ein weiteres Unterscheidungskriterium laut WHO ist die Unterscheidung in das Ursprungsgewebe und in die Tumormatrix. Das Ursprungsgewebe kann danach osteogener, chondrogener, osteoklastärer-riesenzellhaltiger oder fibriohistiozytärer oder vaskulärer Natur sein [9]. Für Orthopäden/Unfallchirurgen ist aber auch die Enneking-Einteilung nach wie vor eine gute Hilfe zur Abschätzung von Therapie und Prognose. Enneking bezieht immer das klinische und radiologische Verhalten des Tumors in diese Klassifikation ein und unterteilt demnach in 3 Kategorien: 1. latent, 2. aktiv und 3. aggressiv [6, 7].

Latente Knochentumoren zeigen im Verlauf kaum ein Wachstum, sind oft selbstlimitierend und bilden radiologisch nicht selten eine Sklerosierungsmembran als Abgrenzung gegenüber dem gesunden, nicht befallenen Knochen. Sie sind in der Regel asymptomatisch und fallen oft als Zufallsbefund auf. Da sie nicht selten auch eine spontane, wenn auch sehr langsame Rückbildung zeigen, fallen sie unter die sogenannten „leave me alone lesions“, also Läsionen, die nicht einmal biopsiert werden sollten.

Aktive Tumoren dagegen wachsen kontinuierlich. Der randständige Knochen wird resorbiert, was sich radiologisch in einer Erosion der Corticalis und eine Ausbildung einer oft sehr dünnen Grenzlamelle zeigt. Durch den Knochenabbau auf der einen Seite und der Neubildung des randständigen Knochens entsteht eine Größenzunahme der Läsion in Form einer Expansion des Knochens. Da sie Schmerzen verursachen und somit auch einer weitergehenden Therapie bedürfen, ist eine Biopsie in aller Regel unumgänglich. Ein selbstlimitierender Verlauf ist möglich, aber eher sehr selten.

Die dritte Form in der Klassifikation von Enneking ist die aggressive Form der Knochentumoren. Diese Tumoren nehmen rasch an Größe zu, machen klinisch oft ausgeprägte Symptome, da sie das sensibel innervierte Periost durchbrechen können und auch bisweilen eine Weichteilkomponente ausbilden oder gar in ein Gelenk einbrechen können und damit eine intraartikuläre Fraktur erzeugen, die oft nur schwer behandelbar ist. Aneurysmatische Knochenzysten können sowohl dem latenten, dem aktiven wie auch dem aggressiven Stadium zugeordnet werden. Bei der aggressiven Form der aneurysmatischen Knochenzyste kann bisweilen auch ein maligner Prozess wie ein teleangiektatisches Osteosarkom vergesellschaftet sein.

Diese Einteilung zeigt bereits, dass dem radiologischen Bild, in erster Linie dem nativen Röntgenbild, eine entscheidende Rolle zukommt. Die alte These, keinen Knochentumor hinsichtlich Dignität und Entität ohne Vorliegen eines nativen Röntgenbilds beurteilen zu wollen, hat trotz hochentwickelter hochauflösender Schnittbildverfahren in der Radiologie immer noch ihre absolut zentrale Bedeutung. So ist das native Röntgenbild Voraussetzung für die Probebiopsie und der erfahrene Pathologe wird immer auch zu dem bioptisch gewonnenen Knochenmaterial ein natives Röntgenbild fordern, am besten noch mit der sichtbaren bioptisch platzierten Curette oder Rangeur. Dies gibt ihm Auskunft, aus welchem Areal der aggressiven oder aktiven Läsion der Operateur das Material gewonnen hat (Tab. 1).

Radiologie

Für die radiologische Diagnostik stehen neben den nativradiologischen Röntgenaufnahmen (üblicherweise in 2 Ebenen) die Computertomografie, die Magnetresistografie und die Skelettszintigrafie zur Verfügung.

Das klassische Röntgenbild ist zur Beurteilung des Wachstums der Läsion unabdingbar und an den Anfang der bildgebenden Diagnostik zu setzen. Nur in Skelettregionen, zum Beispiel im Bereich des Beckens, der Schulter, des Thorax und der Wirbelsäule, sind aufgrund von möglichen Überlagerungsphänomen computertomografische Untersuchungen initial für die Detektion von Knochentumoren sinnvoll. Die nativradiologische Beurteilung der Aggressivität einer Knochenläsion im Bereich der Röhrenknochen ist aber bei gutartigen Tumoren oft ausreichend, um die Frage zu klären, ob eine Probebiopsie sinnvoll ist oder nicht. Mit den zusätzlichen Parametern wie Lokalisation (Röhrenknochen, peripher oder zentral, epiphysär, metaphysär, diaphysär, Alter des Patienten, Geschlecht, ggf. Begleiterkrankungen) kann bei erfahrenen Radiologen in etwa 80 % der Fälle die richtige Diagnose gestellt werden [8]. Bei der alleinigen Beurteilung der Wachstumsgeschwindigkeit ist die richtige Beurteilung der Läsion noch höher; daran kann der erfahrene Radiologe oder der Tumororthopäde bereits die Frage beantworten, ob es sinnvoll ist, noch weitere der oben genannten Verfahren wie MRT oder CT einzusetzen. Die Skelettszintigrafie ist auf Grund der geringen Spezifität nur sinnvoll bei der Fragestellung von Metastasen und kommt bei gutartigen Knochentumoren somit nur sehr selten in Betracht.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7