Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Benigne Knochentumoren

Die radiologische Klassifikation gut- wie bösartiger Knochentumoren wird üblicherweise nach der Einteilung von Lodwick vorgenommen [12]. Im Rahmen eines Knochentumors kommt es zu einem nicht ausgewogenen Spiel osteoklastärer und osteoblastärer Reaktionen. Dieses Destruktionsmuster lässt sich nach Lodwick in 3 Grade einteilen:

  • · Grad I: rein geografische oder umschriebene Knochendestruktion, entsprechend einer langsamen Wachstumsgeschwindigkeit
  • · Grad II: geografische Knochendestruktion mit einer mottenfraßartigen/permeativen Komponente, die eine intermediäre bis hohe Wachstumsgeschwindigkeit widerspiegelt
  • · Grad III: rein mottenfraßartige/permeative Komponente ohne geografische Begrenzung als Zeichen einer sehr hohen Wachstumsgeschwindigkeit.

Der Grad I, der für die allermeisten gutartigen Knochentumoren in Frage kommt, wird nach Lodwick noch in a-c unterteilt (Abb. 1):

  • · Grad IA: immer scharfer und sklerotischer Rand
  • · Grad IB: Knochenauftreibung > 1 cm und/oder kein sklerotischer Rand
  • · Grad IC: immer totale Kompaktapenetration.

Die Magnetresonanztomografie ist zur Beurteilung der Ausdehnung eines aktiven oder aggressiven Prozesses das Schnittbildverfahren der ersten Wahl. Die Lagebeziehung zu Gefäß- oder Nervenstrukturen, die intraossäre Ausdehnung, ggf. vorhandene Umgebungsreaktionen auch bei gutartigen oder semimalignen Knochentumoren (wie z.B. des Riesenzelltumors) lassen sich mit heutigen hochauflösenden Geräten hervorragend darstellen und geben dem Operateur eine maximale Information über die anatomischen Verhältnisse bei einer geplanten Operation. Auch die Unterscheidung des Tumorgewebes bei sogenannten mixed lesions gelingt nur mit der MRT. So kann bei Nichtbeachtung unterschiedlicher Signalintensitäten innerhalb einer Läsion eine Probebiopsie ein falsch-negatives Ergebnis liefern, wenn sie nur durch den gutartigen Anteil des Knochentumors erfolgt ist. Bei genauem präoperativem Studium sämtlicher Wichtungen der MRT sollte das Risiko eines solchen für den Patienten fatalen Fehlers sehr klein gehalten werden.

Die Beurteilung der Knorpelkappendicke bei Osteochondromen zur Unterscheidung zu einem Chondrosarkom ist möglich, aber die in der Literatur angegebene Dicke ist nur ein Aspekt, der erstens in den letzten Jahrzehnten immer wieder geschwankt hat (zunächst 1 cm als Malignitätskriterium, zuletzt 2 cm), und zum zweiten nicht den Gesamtaspekt eines Borderline-Chondrosarkoms berücksichtigt. Bei osteochondralen Läsionen, die stammnah, also im Bereich des Beckens lokalisiert sind und eher an einen Blumenkohl erinnern als an einen glatt begrenzten Tumor mit Signalatypien innerhalb der Läsion, sollte nicht zu viel Wert auf die Bemessung der Knorpelkappendicke gelegt werden, denn diese makromorphologischen Kriterien können auch ein Hinweis auf Malignität sein (Abb. 2a-c).

Die Computertomografie ist in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer Frage zur Tumorausdehnung immer weiter zurückgegangen. Das Scalopping bei Enchondromen kann mit der CT sehr gut beantwortet werden, ebenfalls der Durchbruch der Corticalis bei einem knochendestruktiven Tumor. Auch die Tumormatrix lässt sich mit der CT besser beantworten als mit der MRT, ebenfalls die Detektion eines Osteoidosteoms. Auch lässt sich die Comutertomografie hervorragend nutzen, wenn ein Osteoidosteom CT-gesteuert thermokoaguliert werden soll (Abb. 3). Eine Routinediagnostik insbesondere bei sehr jungen Patienten sollte aber auch auf Grund der relativ hohen Strahlenbelastung auf keinen Fall zum Einsatz kommen, insbesondere wenn auf Grund der Fragestellung eine MRT-Untersuchung bessere Informationen geben kann.

Der Einsatz der Positronen-Emissions-Tomografie und das PET-CT sind in einigen Kliniken auf dem Vormarsch und werden mehr und mehr in der Diagnostik von Knochen- und Weichteiltumoren eingesetzt. Sicher ist die Möglichkeit bei Malignitätsverdacht und bei der Suche nach Metastasen durch die Quantifizierung der 2’-Fluoro-Desoxyglucose (FDG) gegeben, aufgrund der hohen Sensitivität ist sie aber in der Diagnostik von gutartigen Knochentumoren derzeit noch ohne ausreichend valide Ergebnisse und sollte aus diesem Grunde nicht routinemäßig zum Einsatz kommen. Ob sie in der Rezidivdiagnostik auch bei aggressiven und rezidivträchtigen gutartigen Knochentumoren in den kommenden Jahren einen entsprechenden Stellenwert bekommen kann, bleibt abzuwarten.

Klinische Symptome

Gutartige Knochentumoren werden zumeist als Zufallsbefund entdeckt. Bei selbstlimitierenden Läsionen, z.B. dem nicht ossifizierenden Knochenfibrom, muss eine sehr viel höhere Inzidenz angenommen werden, da das langsame Wachstum in aller Regel überhaupt keine Symptome macht und sich deswegen einer Diagnostik üblicherweise entzieht. Bei zufälliger Entdeckung sollten diese asymptomatischen Tumoren oder Läsionen, wie ihr Name Leave-me-alone-Läsion sagt, weder therapiert noch übermäßig überdiagnostiziert werden. Der Einsatz der MRT oder des strahlenintensiven Computertomogramms verbietet sich hier, allenfalls kann bei leichtgradiger Symptomatik in einem Abstand von Monaten eine Kontrolle mittels nativem Röntgenbild indiziert sein.

Bei biologisch aktiven oder gar bei aggressiven Knochentumoren entstehen Schmerzen auch erst üblicherweise dann, wenn der Tumor sich bereits in einem größeren Zustand befindet, d.h. in einem späteren Wachstumstadium. Ein Trauma, welches oft von Eltern oder den Betroffenen fälschlicherweise als Auslöser angesehen wird, ist oft als mechanisches Moment der erste Hinweis auf die Läsion und führt dann zu weiterer Diagnostik. Oft wird aber bei genauer Anamneseerhebung von den Patienten zu diesem späten Zeitpunkt ein geringer Schmerz schon seit vielen Monaten bis Jahre zuvor erinnert. Der Grund der Schmerzen ist nicht immer eindeutig ersichtlich, zumeist kann aber angenommen werden, dass durch das angeschuldigte Trauma die Belastbarkeit der Läsion überschritten wurde (Instabilitätsschmerz bei Kortikalisarrosion oder -destruktion), dass ein Periostdehnungsschmerz entsteht (bei Lodwick 1B- oder 1C-Läsion) oder dass bei schnellerem Wachstum der Schmerz als sogenannter Tumorwachstumsschmerz entstehen kann.

Osteochondrome können z.B. bei gelenknaher Lage in Höhe des Pes anserinus bei jeder Flexions-/Extensionsbewegung des Kniegelenks zu einem hörbaren Schnalzen oder auch zu Beschwerden führen, im Bereich des medialen Humerus sind manchmal erste neurologische Störungen der Hände oder der Finger ein erstes Symptom, das zur Detektion der chondrogenen Knochenneubildung führt.

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