Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Benigne Knochentumoren

Die Therapieform der intracavitären Injektion von corticoidhaltiger Flüssigkeit wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite ist die Invasivität der Maßnahme sehr gering, selbst bei mehrfacher Injektion, auf der anderen Seite ist nicht bekannt, ob das Cortison oder das Trauma mit Frakturierung der Corticalis und dadurch Aktivierung der Stammzellen zu einer Heilung führen können. Diese weit verbreitete Therapieform führt nach einer Metaanalyse zu einer Ausheilung der Zyste zwischen 15 und 100 % [5]. Knochenersatzstoffe bis hin zur Auffüllung mit Spongiosa und einem autologen Fibulatransplantat finden ebenfalls Anwendung, aber keines der genannten Verfahren hat sich als beste oder alleinige Therapieform durchgesetzt. Dass unter allen Verfahren gute bis sehr gute Ergebnisse beschrieben werden und aus der Erfahrung heraus nur einige wenige Patienten mit vielen Rezidiven auftauchen, unterstreicht die These, dass diese Entität nur sehr wenig Anlass zur Sorge gibt.

Aneurysmatische Knochenzyste

Anders dagegen die aneurysmatische Knochenzyste (AKZ): Sie wird in der WHO als intermediäre (lokal aggressive) Läsion eingruppiert, die stark vaskularisiert ist. Sie kann primär auftreten, ist aber auch nicht selten assoziiert mit anderen Tumoren wie dem Riesenzelltumor oder sogar dem teleangiektatischen Osteosarkom. Bei letzterem droht sogar das Risiko, bei unsachgemäßer Probebiopsie nicht das bedrohliche Osteosarkom als Gewebeteilchen zu erwischen, sondern „nur“ Anteile der AKZ, was dazu führt, dass das Osteosarkom nicht primär erkannt und dann erst viel zu spät therapiert wird.

Radiologisch findet sich oft eine mehrkammerige Osteolyse, Schnittbildverfahren helfen manchmal, die Diagnose zu untermauern. Im Gegensatz zur juvenilen Zyste ist die AKZ immer mit Blut, teilweise als Blutkoagel angefüllt, während die juvenile Zyste immer einen gelblich klaren Zysteninhalt aufweist.

Auch die Therapieform der AKZ unterscheidet sich von der solitären Zyste. Die AKZ sollte ausgiebig kürettiert werden, einschließlich der Septen oder der Lakunen, die sich oft in der Kortikalis befinden; ein additives Verfahren, z.B. das Auffüllen mit Palacos-Zement vermindert die Rezidivgefahr. Phenol, Kälteverfahren wie Flüssigstickstoff oder Alkohol können die Wirkung des während der Aushärtung Hitze entwickelnden Zements übernehmen; nach unserer Erfahrung hat der Zement den Vorteil, dass er in den Kontroll-MRTs ein klares Interface zwischen Zement und Knochen aufweist und hier – im Falle eines Rezidivs – eindeutig sehr früh ein Rezidiv erkannt werden kann, bevor es zu einer größeren Osteolyse führen kann (Abb. 6).

Fibröse Dysplasie

Auch die fibröse Dysplasie ist zumeist asymptomatisch. Das klassische „Milchglasphänomen“, welches von den Radiologen als typisches röntgenmorphologisches Kriterium zur Entitätsdiagnose beschrieben wird, ist im Kindesalter oft gut sichtbar. Im Erwachsenenalter kann dieses Phänomen aber nicht immer so klassisch beobachtet werden und andere Erkrankungen werden differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen, z.B. ein Morbus Paget oder sogar die Metastase eines unbekannten Primarius. Die fibröse Dysplasie ist aber keine Neoplasie, also kein eigentlicher Knochentumor; sie ist einer Entwicklungsstörung zuzuordnen. Unreifer Faserknochen ersetzt den eigentlichen Knochen, dieser bildet feinschichtiges Osteoid aus. Statt reifer Osteozyten sieht der Pathologe nur eine Umgebung mit Fibroblasten. Der Grund liegt in einer Mutation im GNAS-Gen, das für ein membranständiges Signalprotein kodiert (GS-alpha, lokalisiert an 20q 13.2–13.3). Dadurch werden die osteoblastären Zellen nicht zur Ausreifung geführt. Klinisch finden sich monostotische Formen z.B. im Becken, wo sie starke Deformierungen des Beckens hervorrufen können, andere monostotische Formen, z.B. im Bereich der oberen Extremität, werden nur per Zufall entdeckt, da sie trotz erheblicher Größe asymptomatisch sind (Abb. 7). Polyostotische Formen dagegen können schon im Kindesalter zu teilweise grotesken Deformitäten führen.

Die Therapie ist nie kausal und sollte, wenn möglich, Beeinträchtigungen bei Beteiligung von Gelenken oder einer drohenden Fraktur vorbeugen. Die alleinige Curettage und Auffüllung mit Spongiosa führt in aller Regel zu einer raschen Resorption der Spongiosa, die Transplantation von autologer oder homologer Fibulae oder andere kortikaler Knochenstücke verspricht eher, die Stabilität des Knochens wiederherzustellen. Ob durch die Gabe von Bisphosphonaten die Resorption verhindert oder reduziert werden kann, bleibt abzuwarten; insbesondere bei Kindern ist die Indikation sehr zurückhaltend zu stellen.

Knorpelbildende Tumoren

Knorpelbildende Tumoren dürften einer der häufigsten Entitäten der gutartigen Knochentumoren darstellen. Enchondrome sind oft asymptomatisch und werden – ähnlich dem NOF – oft zufällig entdeckt. Allerdings kann das Enchondrom nicht klassischerweise den Leave-me-alone-Läsionen zugeordnet werden. Die WHO definiert die gutartigen Knorpeltumore als Neoplasie und definiert die unterschiedlichen Knorpeltumore aufgrund ihres Ursprungsgewebes und der Matrix. Wachstumsprogrediente Enchondrome, die nicht mehr ausschließlich zentral im Markraum eines Röhrenknochens liegen, sondern die innere Corticalis ausmulden (Scalopping) oder die Knochenwand durchbrechen, können Borderline-Tumore darstellen und den Übergang zu einem Chondrosarkom bilden. Hier sollte der Arzt sehr subtil die klinische Anamnese erfragen und auch die Röntgenaufnahmen, ggf. Schnittbildverfahren wie die Computertomografie, genau analysieren, bevor eine operative Intervention durchgeführt wird, z.B. eine Probebiopsie.

Aus unserer Erfahrung wird das Enchondrom oft übertherapiert und viele der durchgeführten Operationen von der Probebiospie bis hin zur Curettage und Auffüllung sind nicht notwendig. Ein Übergangsstadium zum Chondrosarkom zu verpassen sollte aber ebenfalls zwingend vermieden werden. Bei multiplen Enchondromen – der Enchondromatose oder dem Morbus Ollier – gilt eine erhöhte Vorsicht; stammnahe Tumoren sollten regelmäßig kontrolliert werden, Fingerenchondrome werden äußerst selten bösartig (Abb. 8).

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