Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Benigne Knochentumoren

Der zweite sehr häufige knorpelbildende Tumor ist das Osteochondrom (kartilaginäre Exostose). Solitäre Osteochondrome werden sehr selten operiert, nur dann, wenn sie zu einer Wachstumsdeformität führen oder wenn es aufgrund der Lage zu einer Verdrängung und Kompromittierung von Gefäß- oder Nervenstrukturen kommt. Die Dicke der Knorpelkappe ist kein klares Unterscheidungsmerkmal, allerdings hält sich in der Literatur die Annahme, dass bei einer Knorpelkappendicke von ? 2 cm zu erhöhter Vorsicht aufgrund einer möglichen Malignisierungstendenz geraten werden muss [2].

Auch hier gilt, dass bei multiplen Osteochondromen (familiäre Osteochondromatose, Abb. 9), insbesondere bei Tumoren, die auf der Innenseite des Beckens oder im Bereich der Wirbelsäule eine massive Größe und Formation annehmen können, der Zeitpunkt zur Transformation in einen malignen Prozess nicht verpasst werden darf. Auch kann bei sehr großen Tumoren die Operabilität bei verpasstem Operationszeitpunkt eingeschränkt sein.

Das Chondroblastom und das Chondromyxoidfibrom gelten als lokal aggressiv und werden von der WHO als intermediäre Dignität klassifiziert. Sie werden operativ angegangen und möglichst gründlich ausgeräumt, um die relativ hohe Rezidivgefahr zu minimieren. Unglücklicherweise liegt das Chondroblastom immer epiphysär, somit kann durch eine OP die Wachstumsfuge oder gar das angrenzende Gelenk gefährdet werden. Selten, aber möglich sind Metastasierungen dieser Entitäten in die Lunge.

Riesenzelltumor

Ein Riesenzelltumor (RZT) kann schon Kopfzerbrechen machen. Er sitzt epi-metaphysär und wird klinisch oft erst entdeckt, wenn er eine Fraktur verursacht hat. Wenn diese dann noch ein Gelenk befällt, ist der klinische Schaden schon recht groß. Auch Lokalisationen wie das Sakrum, die Wirbelsäule oder das Becken sind zur Behandlung oft sehr ungünstig. Histologisch sind natürlich mehrkernige Riesenzellen augenscheinlich, das fibrozytäre Grundgerüst stellt aber den eigentlichen Tumor dar. Radiologisch zeigt sich eine meist große aggressive Osteolyse, teilweise in der Schnittbildgebung wie im MRT mit einer Weichgewebskomponente. Ungewöhnlich häufig wird eine Metastasierung von bis zu 10 % beschrieben, sodass bei primärer Diagnostik, aber auch im Falle eines Rezidivs immer die Lunge in die radiologische Kontrolle mit einbezogen werden muss.

Die Therapie dieses aggressiven Tumors war bis vor wenigen Jahren eindeutig nur operativ. Mit einer alleinigen sorgfältigen Curettage allein waren allerdings die Rezidivraten bis zu 50 % sehr hoch, sodass von den meisten onkologisch versierten Kliniken eine adjuvante Behandlung dringend empfohlen wurde: High-speed-drill, PMMA-Zement zur Wärmeentwicklung im Interfacebereich, Phenolisation oder Alkoholinstillation, Kryotherapie oder Kauterisierung.

Wir favorisieren eindeutig die sorgfältige Curettage mit Ausfräsen der Lakunen in der Knochenwand, wobei der Zugang zum Intramedullärraum nicht zu klein gewählt werden darf, um im Randbereich auch subtil arbeiten zu können. Anschließend wird die gesamte Höhle mit PMMA-Zement ausgefüllt. Durch die Hitzeentwicklung im Randbereich mit Temperaturen bis ca. 80 °C kann damit die Rezidivrate auf unter 10 % gesenkt werden. Der Zement verbleibt für etwa 2 Jahre, dann erfolgt eine Entfernung und Auffüllung des Defekts mit Knochenersatzmaterialien oder mit Spongiosa (fremd oder eigen). Da der Defekt oft groß ist, lässt sich der Defekt mit Eigenspongiosa allein nur unzureichend auffüllen. Das Belassen des Zements ist auch möglich, besonders bei Defekten z.B. im Fibulaköpfchen oder an den Stellen des Skelettsystems, an denen zu einem späteren Zeitpunkt keine weitere Operation erforderlich wird, z.B. eine Prothesenimplantation. Zum Belassen oder aber zum Entfernen der Zementplombe sind aber die Meinungen nicht einheitlich.

Große Zuversicht gibt es inzwischen bei der Behandlung des Riesenzelltumors durch die Therapie mit RANKL-(receptor-activator-of-NF-kB-Ligand)-
Antikörpern. Durch die subcutane Gabe von Denosumab als monoklonalen humanen Antikörper konnte eine Blockierung der Zytokinstimulation und Riesenzellen erreicht werden [3]. Radiologisch wurde eine zunehmende Konsolidierung der Osteolysen beobachtet und die Resonanz war anfangs sehr groß. Inzwischen zeigt sich aber, dass zwar die Progression der Osteolyse verhindert werden kann und auch die Lyse zentral verknöchert, dies geschieht aber durch Bildung von Septierungen und Sklerosesäumen im Tumor. Nach Absetzen des monoklonalen Antikörpers kam es regelmäßig zu einem Wiederaufflammen des Tumors, nur mit dem Nachteil, dass nun die operative Intervention aufgrund der zahlreichen Septenbildungen und Sklerosesäume mit einer sorgfältigen Ausfräsung, wie sie initial möglich gewesen wäre, nun nicht mehr durchgeführt werden kann. Die Frage, ob das Denusomab u.U. lebenslang gegeben werden muss, ist nicht beantwortet. Einige Tumororthopäden sind deswegen wieder von der konservativen Linie abgewichen und behandeln nur jene RZT mit Denusomab, die einer operativen Intervention nicht oder nur sehr schlecht zugänglich sind (Sakrum, Wirbelsäule) und operieren in der oben genannten Art alle gut operablen Riesenzelltumoren. Ob in der additiven Behandlung mit Bisphosphonaten zusätzliche Informationen zur weniger aggressiven Operationstherapie gefunden werden, bleibt abzuwarten (Abb. 10).

Zusammenfassend zeigt sich, dass die gutartigen Knochentumoren ein buntes Bild von facettenreichen Einzelentitäten darstellen, die es erfordern, mit gründlicher Analyse die klinische Anamnese zu erheben, subtil die Röntgenbilder zu analysieren und erst dann eine ggf. operative Intervention abzuleiten. Die Unterscheidung zwischen Leave-me-alone-Läsion und die frühzeitige Detektion aggressiver biologisch hochaktiver Prozesse und nicht zuletzt die Unterscheidung und Erkennung von malignen Prozessen kann eine schwierige Aufgabe sein. Der Rat von Orthopäden und Unfallchirurgen, die sich tagtäglich mit diesen Entitäten beschäftigen kann manchmal die Entscheidung in die eine oder andere Richtung sehr erleichtern.

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