Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Benigne Knochentumoren

Enchondrome, die die Kortikalis arrodieren und ein sogenanntes Scalopping (innere Ausmuldung der Corticalis) aufweisen und damit bereits ein Borderline-Stadium zum Grad-I-Chondrosarkom erreichen, können Schmerzen aufweisen, ebenfalls Chondroblastome oder aber Riesenzelltumore, die üblicherweise epiphysär lokalisiert sind und somit eine hohe Inzidenz der Kniegelenkinfiltration besitzen. Nicht selten wird ein Riesenzelltumor erstmals entdeckt, wenn er bereits eine Fraktur der kortikochondralen Lamelle einer Kniegelenkkondyle verursacht hat.

Eine rasche, mehr oder minder kontinuierliche Schmerzzunahme, ggf. sogar verbunden mit einer lokalen Schwellung, muss aber immer zuerst an einen malignen Knochenprozess denken lassen und somit eine rasche weitergehende Bildgebung bis hin zur Probebiopsie auslösen. Erst wenn die Radiologie, der Operateur der Biopsie und der Pathol oge ein kongruentes Ergebnis erzielen, kann die Diagnose eines gut- oder bösartigen Knochentumors gestellt werden. Um ein für den Patienten höchstmögliches sicheres Ergebnis zu erzielen, gibt es in Deutschland, Österreich, der Schweiz und einigen anderen Ländern Knochenreferenzzentren zur Beurteilung dieser nicht immer ganz einfachen knöchernen Läsionen.

Entitäten

Tumorartige Läsionen –
Leave-me-alone-Läsionen

Das nicht ossifizierende Knochenfibrom (NOF) ist sicher die häufigste tumorähnliche Läsion, die aber nicht zu den eigentlichen Knochentumoren zählt. Gleichzeitig ist das NOF aber auch die Läsion, die am häufigsten einen Zufallsbefund darstellt. Vielfach werden Patienten mit der Bitte um eine Probebiopsie in einer auf Knochentumoren spezialisierten Klinik vorgestellt, obwohl dieser Prozess eigentlich eine nativradiologische Blickdiagnose sein sollte (Abb. 4). Das NOF besteht aus einer exzentrischen, lytisch expandierenden Läsion in der Metaphyse langer Röhrenknochen. Die Ätiologie ist unklar, diskutiert wird eine Einblutung nach einer Verletzung im Bereich von Muskelansätzen [13]. Klinisch ist das NOF in aller Regel stumm, und auch die Gefahr einer Fraktur ist außerordentlich gering, wenn mehr als ein Drittel der Zirkumferenz der Corticalis von der Läsion erfasst ist. Lediglich das Stadium B nach Ritschl [16] mit einer variablen Distanz der Läsion zur Wachstumsfuge und dünnen sklerotischen Begrenzungen mag eine gewisse Disposition für eine mögliche Fraktur sein; die Seltenheit von Frakturen und der fehlende Zusammenhang zu inadäquaten Traumata aus dem eigenen Patientengut über viele Jahre macht eine tatsächliche Gefahr aber eher sehr unwahrscheinlich. Deswegen sollte die operative Intervention eines NOF sowohl zur Probebiopsie als auch zur Stabilisierungsoperation einer echten Ausnahmesituation vorbehalten werden. In aller Regel beobachtet man bis zum Wachstumsabschluss eine zunehmende knöcherne Konsolidierung dieser selbstlimitierenden Knochenläsion.

Benigne zystische
Knochenläsionen

Solitäre Knochenzyste –
aneurysmatische Knochenzyste

Auch zystische Läsionen des Knochens führen nicht selten zu Verunsicherungen des auf dem Gebiet der Knochenläsionen nicht erfahrenen Kollegen. Ähnlich wie beim NOF ist auch hier das Nativröntgenbild in 2 Ebenen oft schon sehr informativ und es bedarf in aller Regel keiner weiteren Schnittbildgebung, insbesondere einer CT Untersuchung. Die solitäre Knochenzyste bildet das klassische Bild einer Lodwick-1A-Läsion: eine geografische Osteolyse mit sklerotischem Randsaum. Die solitäre oder juvenile Knochenzyste wird oft als einkammerig beschrieben, aber selbst bei radiologisch nachweisbarer sklerotischer Lamelle, die eine Doppel- oder Mehrkammerigkeit zeigen könnte, ist eine solitäre Zyste damit nicht ausgeschlossen, denn diese Knochenverdichtungen sind oft nur sklerotische Leisten oder Septen innerhalb der Läsion. Prädilektionsstellen sind das proximale Femur (25 %) – hier ist die Diagnose einer zystischen Läsion auch oft mit einer Frakturgefahr assoziiert – und der proximale Humerus (50–70 %, Abb. 5). Aber auch andere Knochen wie Becken oder Scapula können eine solitäre Zyste ausbilden. Die Calcaneuszyste wird üblicherweise nicht den solitären Knochenzysten zugerechnet, sondern stellt eine eigene Entität dar. Die Ätiologie der solitären Knochenzysten ist nach wie vor unklar. Es werden in der Zystenflüssigkeit zwar offensichtlich vermehrt Osteoklasten gefunden, aber die Rolle der Osteoblasten ist nach wie vor ungeklärt. Enzyme wie IL und PGE-2 sprechen für eine reduzierte Osteoblastenaktivität und für die dadurch resultierende Osteolyse. Ob eine intracavitäre Druckerhöhung tatsächlich mitursächlich ist, konnte bisher nicht bewiesen werden.

Klinisch ist die solitäre Knochenzyste oft lange stumm und nicht selten wird die Diagnose erstmals durch eine pathologische Fraktur erkannt. Dabei hat dann die Zyste oft schon einen Durchmesser von mehreren Zentimetern, was zeigt, wie lange sie klinisch absolut asymptomatisch ist. Ist die Zyste klein und per Zufall entdeckt worden und befindet sie sich initial in der Nähe der Wachstumsfuge und gibt somit Anlass zur Befürchtung, bei Überschreiten der Fuge oder bei Fraktur ein Fehlwachstum zu induzieren, so sieht man bei weiteren Kontrollen, dass sie sich mit der Zeit immer mehr von der Epiphysenfuge zu entfernen scheint. Die Fuge schiebt also durch Wachstum die Zyste immer weiter gen Diaphyse.

Differenzialdiagnostisch kommen auch die aneurysmatische Knochenzyste, eine fibröse Dysplasie und der Riesenzelltumor und weitere osteolytische Tumoren in Betracht.

Die Therapie der solitären oder juvenilen Knochenzyste ist mannigfaltig. Die Mannigfaltigkeit der Therapie ist in aller Regel ein Indiz dafür, dass keine der dargestellten Therapieformen sicher zum Erfolg führt, sprich zu einer knöchernen Konsolidierung der Zyste. Kommt es zur Fraktur, so ist es sicher im Bereich des Humerus möglich, mit einer Ruhigstellung des Arms abzuwarten, ob es zu einer spontanen Abheilung der Zyste kommt. In etwa 25 % [1] beobachtet man bereits nach wenigen Wochen einen kompletten Durchbau der Läsion. Wir selber haben mit abwartender Haltung nach intramedullärer Schienung durch die erstbehandelnde Klinik gute Erfahrungen gemacht.

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