Übersichtsarbeiten - OUP 09/2018

Chancen der Telemedizin für O&U

Auf der Basis dieses erfolgreichen, stabil funktionierenden und innovativen bayerischen Pilotprojekts wurde 2012 die AUC von der DGU beauftragt, das radiologische Datenübertragungssystem TKmed [23] zu entwickeln, das bundesweit in den medizinischen Alltag bzw. in die TraumaNetzwerke DGU integriert werden konnte, sodass letztendlich das erklärte Ziel umfangreich realisiert werden konnte, durch den Einsatz von Telekommunikation die Patientensicherheit zu erhöhen und das Outcome schwerstverletzter Patienten zu steigern [7]. Nicht zuletzt die Festschreibung funktionierender Teleradiologie durch die DGU im Weißbuch Schwerstverletztenversorgung (Abb. 1) trug zu flächendeckender Implementierung der Telemedizin in deutschen Traumanetzwerken bei. Inzwischen sind über 500 Empfänger aller Versorgungsstufen an das System Telekooperation TNW/TKmed angebunden, darunter zahlreiche Universitäts- und BG-Kliniken [15]. Die AUC stellt federführend dieses schnittstellenkompatible und vor allem datenschutzkonforme teleradiologische System im Auftrag der DGU zur Verfügung, welches initial vom Universitätsklinikum Regensburg mit Projektnamen Exdicomed zwischen 2010 und 2012 entwickelt worden ist [10, 11].

TKmed hat von Anfang an eine eigene Entwicklungsphilosophie verfolgt. Während der Fokus von vielen Anbietern ausschließlich auf die „Technik“ von Telekooperationssystemen gelegt wurde, hat TKmed schon immer den Anwender als entscheidende Komponente im Blick gehabt. Klinische Realität, die durch Technologie unterstützt wird, so lautete die Devise. Daher gilt TKmed bis heute als das Netzwerk „von Ärzten für Ärzte“. Traumazentren der verschiedenen Versorgungsstufen sind auf eine schnelle und funktionierende Kommunikation untereinander angewiesen, insbesondere um wertvolle Zeit bei der Versorgung von Schwerstverletzten zu sparen und um Expertise (Second Opinion) in die kleineren Häuser der Peripherie zu tragen. Hier können wertvolle Zeit eingespart und möglicherweise Patientenverlegungen vermieden werden, sodass die Qualität der Patientenversorgung deutlich ansteigt.

Notfallverlegung

Im Jahr 2008 bildeten sich in Deutschland erste zertifizierte TraumaNetzwerke DGU (TNW). Das sind regionale Klinikzusammenschlüsse von 10–30 Traumazentren mit einem Maximalversorger (meist ein Universitätsklinikum) im Zentrum. Gemäß den Empfehlungen des Weißbuchs zur Schwerverletztenversorgung der DGU sollte gleichzeitig eine sichere, praxisorientierte und stabil funktionierende Kommunikationsplattform innerhalb dieser Traumanetzwerke realisiert werden, um radiologische Bilddaten und Patientendokumente datenschutzkonform zwischen den nunmehr vernetzten Kliniken versenden zu können (Abb. 2). Ziel dieser Implementierung digitaler Kommunikation in Traumanetzwerken war es, die medizinische Prozessqualität und das Outcome bei der (Notfall-)Versorgung schwerstverletzter Patienten zu steigern, die Patientensicherheit durch Verfügbarmachen von Expertise in der Peripherie zu verbessern und den Workflow in Kliniken und Praxen effizienter zu gestalten. Insgesamt sollten die regionalen Qualitätsunterschiede bei der Versorgung von Traumapatienten eliminiert werden, sodass deutschlandweit alle Kliniken einen einheitlich hohen Behandlungsstandard für schwerstverletzte Patienten bieten.

Die teleradiologische Vernetzung von Kliniken eines Traumanetzwerks hat sich vor allem im Bereich der Notfallverlegung bewährt. Oftmals wird ein Schwerstverletzter in einem lokalen oder regionalen Traumazentrum initial versorgt und dann zum Maximalversorger weiterverlegt. Früher wurden die radiologischen Aufnahmen im lokalen Traumazentrum auf CD gebrannt und dem Patiententransport mitgegeben, sodass erst bei Eintreffen des Patienten im größeren Krankenhaus die Bilder in den PC eingespielt und betrachtet werden konnten. Hier hat man wertvolle Minuten bei der Patientenversorgung verloren. Heute können mit Hilfe der Teleradiologie die radiologischen Bilddaten, die im erstversorgenden Haus angefertigt worden sind, in Sekundenschnelle an den Maximalversorger übermittelt werden. Dort können die Bilder noch vor Eintreffen des Patienten betrachtet und entsprechende Maßnahmen zur Patientenbehandlung getroffen werden. Gleichzeitig wird damit auch der klinikinterne Workflow effizienter gestaltet.

Second Opinion

Das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung ist eine wesentliche Komponente der Selbstbestimmtheit des modernen Patienten. Dieser ist oft unsicher, inwiefern einer medizinischen Aussage gefolgt werden kann. Heute raten die meisten Ärzte den Patienten dazu, bei Bedenken die Zweitmeinung eines Kollegen einzuholen. Hier öffnen sich Entscheidungsspielräume bzw. es werden Unsicherheiten durch 2 identische Aussagen eliminiert. Einige Fachärzte bieten hierfür bereits Tele-Sprechstunden an, sodass sich die Fahrt in die Praxis oder Klinik für den Patienten erübrigt, was besonders in strukturschwachen Regionen Vorteile hat.

Die Second Opinion (Zweitmeinung) per TKmed bringt hohen Patientennutzen, da Expertise in kleinere, periphere Krankenhäuser des TraumaNetzwerks getragen wird, was u. U. unnötige Verlegungen (strapaziös) oder Doppeluntersuchungen (Strahlenbelastung) vermeidet. Die Bilder werden per Knopfdruck an den Experten beim Maximalversorger geschickt, der diese am Bildschirm befundet und diesen Befund schließlich an die behandelnden Ärzte im anfragenden Krankenhaus rückmeldet (Abb. 3). Die Behandlungskompetenz in kleineren Krankenhäusern verbessert sich durch diese teleradiologische Second Opinion.

Zuweiserbindung und
Patient Empowerment durch TKmed-Direkt

Im Oktober 2015 ist TKmed den nächsten innovativen Entwicklungsschritt mit der Verfügbarkeit des Moduls TKmed-Direkt gegangen. Dieser Schritt bedeutet die gleichberechtigte Teilhabe des Patienten und seiner Angehörigen an einer digitalen Kommunikationslösung, also ein patientenzentriertes, digitales System. Zusammengefasst sehen die Entwicklungsschritte also wie folgt aus: Technikzentriertes System (Vergangenheit) > Arztzentriertes System (Gegenwart) > Patientenzentriertes System (Ziel, Zukunft).

Patienten, niedergelassene Fachärzte und Reha-Einrichtungen sollten nun von jedem internetfähigen PC aus eigene radiologische Bilder über die Kommunikationsplattform an den zuständigen Empfänger senden. Die Kommunikationskompetenz der Patienten als mündige Bürger wird dadurch gefördert und gestärkt, sie können gleichberechtigt und auf Augenhöhe am Behandlungsablauf teilhaben. Eine unmittelbare, umfassende, redundanzfreie Kommunikation für bestmögliche Patientensicherheit und schnelle Behandlungsabläufe wird dadurch ermöglicht. Außerdem verringert sich die Belastung für den Patienten, wenn er radiologische Bilddaten und Patientendokumente direkt online an seinen behandelnden Arzt am Klinikum senden kann: Wartezeiten und unnötige Klinikanfahrten über weite Strecken fallen weg, Doppeluntersuchungen mit unnötiger Strahlenbelastung werden vermieden. Auch der innerklinische Workflow wird erleichtert, was letztendlich den Patienten zugutekommt. Gleichzeitig können die Kosten für das Gesundheitssystem bei verbesserter Versorgungsqualität gesenkt werden.

Qualität der Telekommunikation: TeleQualy

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