Übersichtsarbeiten - OUP 09/2018

Chancen der Telemedizin für O&U

Das Projekt TeleQualy-I evaluiert seit 12/2014 das Teleradiologiesystem TKmed. Diese gemeinsame Studie der AUC und der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg beinhaltet eine kontinuierliche Anwenderevaluation und Userbefragung. Anschließend werden die jeweiligen Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet. Im Zuge der ständigen technischen Weiterentwicklung werden nicht nur die technischen, objektiven Daten und Transferzahlen überprüft: Durch die Evaluation mit TeleQualy werden darüber hinaus auch aktiv die Wünsche und Anregungen der Anwender abgefragt und berücksichtigt, gemäß dem Motto „von Ärzten für Ärzte“ [2]. Dieses wichtige Feedback, basierend auf den Erfahrungen der klinischen Anwender, führt zu sinnvollen und zeitnahen technischen Modifizierungen. Auch derzeit wird wieder eine aktuelle Umfrage zur Nutzung und zum Nutzen radiologischer Systeme in den Unikliniken Deutschlands – Fachbereiche O&U – durchgeführt.

Künftig soll durch die Studie TeleQualy-II auch das Zusatzmodul TKmed-Direkt vor allem hinsichtlich der Patientensicherheit und Patientenzufriedenheit wissenschaftlich evaluiert und ausgewertet werden, also die unmittelbare Kommunikation zwischen stationären Einrichtungen und dem Patienten oder niedergelassenen Facharzt. Besonders bei dieser neuen, unmittelbaren Anbindung von Patienten und Facharztpraxen ist es notwendig, die Anwendung gründlich zu evaluieren, Feedback von dieser Anwendergruppe einzuholen und umfassend wissenschaftlich auszuwerten, um das System ständig an die Gegebenheiten anzupassen und immer weiter zu optimieren.

Postklinisch:
Nachbehandlung, Reha,
Praxen/Niedergelassene

Der Grundgedanke telemedizinischer Modelle ist die Überwindung räumlicher Distanzen. Die Chancen der Digitalisierung für die Bildübertragung zu nutzen, wurde international dort zuerst erkannt und genutzt, wo mangels Humanressourcen die medizinische Versorgung unzureichend war. Die ersten Schritte der eHealth am Universitätsklinikum Regensburg orientierten sich daher ins Ausland, um per Videoübertragung die Expertise eines deutschen Universitätsklinikums in die medizinisch oft unterversorgten Entwicklungs- und Schwellenländer zu tragen. Bereits seit 1998 arbeitet das Universitätsklinikum Regensburg an einem Projekt der G8-Staaten mit. Die Projektgruppe entwickelte im Jahr 2002 Empfehlungen zur Telekonsultation im klinischen Praxisbetrieb [5]. Die darin verankerten Empfehlungen stellten einen ersten Schritt zur Entwicklung einer allgemeinen Leitlinie für die Praxis der Telemedizin/Telekonsultation dar. Die Regensburger Forscher waren bereits damals sehr erfahren im Bereich der Telemedizin und daher von Beginn an federführend beteiligt an der International Society for Telemedicine & eHealth (ISfTeH). Sie konnten ihre Erfahrungen mit eHealth und Telemedizin gewinnbringend einsetzen, die ISfTeH sinnvoll umstrukturieren von einer Individualmitgliedschaft hin zu einer Ländermitgliedschaft, sodass die Gesellschaft nun als einflussreiche internationale Dachgesellschaft mit Verlinkung zur WHO die ihr immanenten Ziele weltweit wahrnehmen kann. Ziel dieser internationalen Vereinigung ist es, Wissen und Erfahrung in Telemedizin und eHealth weltweit zu verbreiten und den Zugang zu anerkannten Experten auf diesem Gebiet zu erleichtern. Die Telemedizin und eHealth in Deutschland konnte u.a. durch diese gesellschaftliche Verortung eine hohe Akzeptanz in der Ärzteschaft erwirken und bereits damals einen ersten Aufschwung verzeichnen [6].

Erste internationale Gehversuche der Telemedizin waren also durchaus erfolgreich und somit entwickelte sich rasch die Idee, Telemedizin auch im vermeintlich medizinisch gut versorgten Deutschland zu nutzen. Bei näherer Betrachtung gab es nämlich durchaus Defizite, z.B. bei der Anbindung an ein überregionales Krankenhaus, vor allem in Flächenstaaten wie beispielsweise Ostbayern, oder bei älteren bzw. immobilen Patienten, die Probleme mit der Überwindung weiterer Strecken haben. Diverse prä- und interklinische eHealth-Strukturen entwickelten sich seitdem rapide.

Im Bereich O&U publizierten Eberl et al. 2005 die Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten Studie der BG Kliniken Bergmannsheil Bochum zur Nachbehandlung von Patienten nach Ellenbogengelenkarthrolyse per Televisite [1]. Es wurden keine signifikanten Unterschiede im Outcome zur herkömmlichen Nachsorge festgestellt, aber die Patienten zeigten große Zufriedenheit mit der Handhabung der Televisite. Zudem ist die Zeitersparnis sowohl auf Patientenseite (Anfahrtswege fallen weg) als auch beim Arzt als positiv zu verzeichnen. „Insgesamt ergeben sich für den Patienten subjektive Verbesserungen wie eine frühere Rückkehr in die häuslich-familiäre Umgebung, die damit verbundene kürzere Rekonvaleszenz und eine raschere Wiedereingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess bei entsprechender persönlicher und umweltabhängiger struktureller Voraussetzung. Insgesamt ist über das Medium der Televisite unter Ausnutzung der heute vorhandenen technischen Möglichkeiten ein sinnvoller Einsatz im medizinischen Bereich realisierbar und damit einhergehend eine Optimierung der Partnerschaft Arzt – Patient unter Einbeziehung von subsidiären Kollateralstrukturen wirksam möglich und eine Erweiterung des Einsatzgebietes vorstellbar“ [1].

Im Projekt INTERLIFE aus dem Jahr 2004 arbeiteten die Universität Regensburg (ICT Regensburg) und die Aristotelian University of Thessaloniki (Medical School & Lab of Medical Informatics) gemeinsam an der Umsetzung eines bereits entwickelten, innovativen Home-care-Systems, welches frühzeitige Entlassungen aus Krankenhäusern und eine auf elektronischer Kommunikation basierende, intensive Nachsorge des Patienten zu Hause anstrebte. Schwerpunkt dieses EU-Projekts war die Umsetzung eines Prototyps für das schnurlose „Home Monitoring“ (im CHS-Vorgängerprojekt entwickelt) hin zu einem vermarktbaren Produkt. Hierfür wurde Marktforschung betrieben, und auch die Kontaktaufnahme mit potenziellen kommerziellen Anbietern und Zielgruppen gehörte zum Umfang des Projekts. Abgerundet wird das genannte Unterfangen mit einer Studie, deren Patientenbeteiligung die Vorteile des Systems belegen soll [3].

Televisite, Homecare und
Videosprechstunde

Ärztemangel – vor allem in ländlichen Regionen – kann mit telemedizinischen Projekten teilweise aufgefangen werden. Dort wurden die Chancen der Telemedizin gut genutzt und sie werden nach und nach ausgebaut und weiterentwickelt. Ein aktuelles und preisgekröntes eHealth-Konzept ist der Tele-Arzt [20]. Dieses Modell richtet seinen Fokus hauptsächlich auf den hausärztlichen Bereich. Der Arzt wählt vorab geeignete Patienten aus und delegiert einige Aufgaben wie beispielsweise die Aufnahme der Vitalparameter etc. auf besonders ausgebildete Tele-MFA (medizinische Fachangestellte), die den Patienten vor Ort betreuen und die Daten auf elektronischem Wege zurück in die Praxis übertragen. Der Arzt befundet in seiner Praxis die übertragenen Daten und schaltet sich bei Bedarf via Videotelefonie ein. Dies spart für den Arzt Zeit und Ressourcen, und dennoch wird der Patient zu Hause betreut und dem Arzt werden aktuelle Gesundheitsdaten zur Verfügung gestellt. Unterstützt wird dieses Konzept durch die Kooperation einiger Krankenkassen. Dieses funktionierende und damit zukunftsträchtige Konzept konnte den Telematik-Award 2017 für sich gewinnen. Die Fachbereiche Orthopädie und Unfallchirurgie könnten sich im klinischen Alltag dieses Modell zunutze machen, indem es bei geeigneten Nachsorge-Patienten angewendet wird, die zur Sprechstunde für die klinische Nachuntersuchung weite Wege auf sich nehmen müssen.

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