Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Chondroide Knochentumoren
Diagnostik und TherapiealgorithmenDiagnostic and therapy algorithm

Abzugrenzen von diesen Entitäten sind die malignen Varianten der Knorpeltumoren. Das klassische Chondrosarkom ist der häufigste Vertreter dieser Gruppe. Der Erkrankungsgipfel liegt im 5. bis 6. Lebensjahrzehnt und ist mit einer Inzidenz von ca. 3/100.000 Einwohnern/Jahr der zweithäufigste primär maligne Knochentumor. Prädelektionsstellen sind das Femur, der Schultergürtel (proximaler Humerus/Scapula) und das Beckenskelett [1]. Die Chondrosarkome zeigen, wie die gesamte Gruppe der Knorpeltumoren, ein sehr heterogenes Erscheinungsbild seitens der Klinik, der Bildgebung und der Histologie. Anhand histopathologischer Kriterien (Mitoserate, Proliferationsindex, Zellmorphologie) und dem hiermit einhergehenden biologischen Verhalten des jeweiligen Tumors werden 3 Malignitätsgrade (G 1–3) unterteilt. Das sogenannte Scallopping (endostale Kortikalisarrosion) wird bei jedwedem Malignitätsgrad beobachtet (Abb. 4). Abhängig von der Proliferationsaktivität überwiegen bei den High-grade-Tumoren die osteolytischen Komponenten mit kleineren amorphen Matrixverkalkungen. Die low-grade Chondrosarkome weisen aufgrund des zellarmen, sehr matrixreichen Aufbaus ein homogenes Bild in der MRT auf [3]. Die höhergradig malignen Tumoren gehen mit einem prozentual höheren soliden Tumorzellanteil sowie Nekrosearealen einher und präsentieren sich daher deutlich inhomogener [14]. Die diagnostische Abklärung erfolgt zumeist aufgrund einer progredienten Schmerzsymptomatik. Neben dem Belastungsschmerz, basierend auf der knöchernen Destruktion und der hiermit einhergehenden Instabilität, ist die Ruheschmerzsymptomatik charakteristisch für Knochensarkome. Der Ruheschmerz ist vermutlich bedingt durch einen Periostdehnungsschmerz, welcher hervorgerufen wird durch das schnelle expansive Tumorwachstum. Die Patienten können den Tumor in der Regel gut mit einem Fingerzeig lokalisieren. Selbst die niedrig malignen atypischen chondroiden Tumoren gehen, trotz des langsamen Wachstums, erfahrungsgemäß, mit einer signifikanten Ruheschmerzsymptomatik einher. Die palpable Weichteilraumforderung bei kortikalem Durchbruch oder auch die pathologische Fraktur sind ebenfalls wichtige klinische Malignitätskriterien. Das Auftreten einer pathologischen Fraktur wird mit einem Anteil von bis zu 8 % in größeren Serien angegeben [15].

Im klinischen Alltag sind die G-II- und G-III-Chondrosarkome anhand der histologischen Kriterien gut abgrenzbar gegenüber den geringer malignen Varianten. Probleme bereitet hier vielmehr die Differenzierung zwischen einem benignem Enchondrom und einem atypischen chondrogenen Tumor (Synonym: G1-Chondrosarkom). Diese für die weitere Therapie wichtige Unterscheidung kann seitens der Pathologie aufgrund der geringen Anzahl an Zellatypien und geringen Proliferationsrate selten alleinig erfolgen. Bei dieser Frage ist die Synopsis aus der Histologie, der Bildgebung und der Klinik entscheidend. Für die Diagnose eines atypischen chondroiden Tumors muss seitens der Klinik eine entsprechende Schmerzsymptomatik vorliegen. Die Bildgebung muss zumindest eine kortikale Arrosion (Scallopping) oder einen kortikalen Durchbruch aufweisen. Verbunden ist dies häufig mit einem perifokalen Ödem in den STIR-Sequenzen des MRT, welches als indirektes Zeichen einer erhöhten biologischen Aktivität der Läsion gedeutet werden kann. Liegen diese Kriterien vor, muss in der Gesamtkonstellation von einem atypischen chondroiden Tumor ausgegangen werden. Dies gilt auch in dem Fall, indem im histopathologischen Befund keine eindeutigen Malignitätskriterien zur Darstellung kommen. Ohne die o.g. radiologischen Malignitätskriterien ist weiterhin von einem Enchondrom auszugehen.

Als Sonderform des klassischen Chondrosarkoms ist das dedifferenzierte Chondrosarkom von diesem abzugrenzen. Analog zu den klassischen Chondrosarkomen zeigt dieser Tumor ein ähnliches Verteilungsmuster im Skelettsystem, tritt mit einem Erkrankungsgipfel im 6. bis 7. Lebensjahrzehnt jedoch etwas später auf. Die Besonderheit und gleichzeitig sein Charakteristikum ist der histomorphologische Aufbau dieses Tumors. Er ist gekennzeichnet durch eine große low-grade Tumorkomponente sowie eine meist kleinere dedifferenzierte high-grade Spindelzell-Komponente. Der histologische Subtyp der High-grade-Komponente reicht von Fibrosarkomanteilen bis hin zu Osteosarkomzellanteilen mit pathologischer Osteoidbildung [16]. Der zweigeteilte Aufbau ist insbesondere in der MRT gut abzugrenzen. Der zelldichtere High-grade-Anteil präsentiert sich meist als eine von dem lobulierten Low-grade-Anteil gut zu differenzierende Läsion mit kräftiger, häufig inhomogener Kontrastmittelaufnahme.

Das seltene Klarzellchondrosarkom (1,6–5 % aller Chondrosarkome) ist in der Gruppe der low-grade Chondrosarkome einzuordnen. Durch die relativ geringe Proliferationsrate präsentiert es sich in der Röntgenbildgebung häufig als eine expansive, teils randsklerosierte, glattberandete Osteolyse. Die Abgrenzung zu benignen Knochentumoren wie dem Osteoblastom ist anhand der Bildgebung aufgrund des wenig aggressiv wirkenden Wachstumsmuster häufig schwierig. Eine extraskelettale Komponente liegt selten vor. Histologisch zeigt es ebenfalls einen zweigeteilten Aufbau. Neben klassischen Chondrosarkomzellen liegen geschwollene Chondrozyten mit einem klaren Zytoplasma vor, wodurch die Abgrenzung zu den anderen Chondrosarkomen erleichtert wird. Als charakteristischer Tumormarker wird eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase, welche durch die Tumorzellen produziert wird, in verschiedenen Studien beschrieben [17].

Das mesenchymale Chondrosarkom (< 9 % aller Chondrosarkome) ist als high-grade Sarkom einzuordnen. Im Gegensatz zu den anderen high-grade Chondrosarkomen sind hier bevorzugt jüngeren Patienten (2. bis 3. Lebensdekade) betroffen. Das axiale Skelett und eine extraskelettale Lokalisation in den Weichteilen sind die häufigsten Lokalisationen. Seitens der Histologie zeigt sich ein zellreicher Tumor mit kleinen spindelzellartigen Tumorzellen neben Zellnestern aus reifzelligem Knorpel. Insbesondere die Abgrenzung gegenüber einem Ewing-Sarkom kann sich histologisch schwierig gestalten [1].

Die Gruppe der sekundären Chondrosarkome spielt in der alltäglichen Praxis eine wichtige Rolle. Diese Tumoren entstehen zumeist auf dem Boden eines gutartigen Knorpeltumors wie dem Enchondrom oder dem Osteochondrom. Das allgemeine Entartungsrisiko für solitär auftretende Enchondrome oder Osteochondrome ist als sehr gering einzuschätzen und liegt bei unter 1 %. Bei Vorliegen einer multiplen Exostosenerkrankung oder auch einer Enchondromatose beim Morbus Ollier steigt das Risiko hingegen deutlich an. Beim M. Ollier wird das Risiko der malignen Transformation eines der Enchondromherde mit bis zu 40 % angegeben [18]. Bei Vorliegen einer multiplen Exostosenerkrankung wird dieses Risiko mit bis zu 5 % beziffert. Im Gegensatz zu den klassischen Chondrosarkomen treten die sekundären Chondrosarkome bei deutlich jüngeren Patienten auf (Altersdurchschnitt um das 30. Lebensjahr). Die sekundären Chondrosarkome, welche auf dem Boden eines Osteochondroms entstehen, sind zumeist (> 90 %) G-I-low-grade oder seltener G-II-Tumoren und entstehen nahezu ausschließlich im Bereich der Knorpelkappe. Stammnahe Osteochondrome sind hinsichtlich einer sekundären Entartung besonders gefährdet [19]. Es ist daher wichtig, die Patienten darauf hinzuweisen, dass diejenigen Osteochondrome zeitnah einer Diagnostik zugeführt werden müssen, die nach Abschluss des Längenwachstums eine Größenprogredienz aufweisen. Die klinische Eigenkontrolle des Patienten ist hier ein wesentlicher Bestandteil der frühzeitigen Diagnosefindung. Ein MRT in knorpelspezifischen Sequenzen (D3W, FL2D) zur Beurteilung der Knorpelkappe ist dann die Bildgebung der Wahl. Sowohl die Knorpelkappendicke (cave: > 2 cm) als auch die Konfiguration der Knorpelmatrix (cave: Nekrosen, erhöhte Zelldichte) ist hierbei zu berücksichtigen. Bei auffälligen Befunden sollte eine zeitnahe Biopsie aus der suspekten Stelle der Knorpelkappe gewonnen werden, um den Befund histopathologisch zu bewerten [20].

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