Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Chondroide Knochentumoren
Diagnostik und TherapiealgorithmenDiagnostic and therapy algorithm

Bei Tumorlokalisationen außerhalb der Röhrenknochen der Extremitäten empfehlen wir generell zunächst die Durchführung einer Inzisionsbiopsie. Im Gegensatz zu den Röhrenknochen ist insbesondere bei Beckenlokalisation ein intraläsionales Vorgehen selbst bei einem atypischen chondrogenen Tumor nicht indiziert. Intraläsionale Resektionen gehen hier mit einem bis zu 100-%igem Lokalrezidivrisiko einher [21]. An diesen Lokalisationen muss daher zunächst durch die Biopsie der Dignitätsgrad verifiziert und basierend hierauf das weitere Vorgehen geplant werden. Aufgrund der teilweise erheblichen funktionalen Ausfälle, die mit einer adäquaten Tumorresektion z.B. bei Beckentumoren oder Tumoren der Wirbelkörper einhergehen, ist hier eine sehr differenzierte Aufklärung des Patienten zwingend. Die Notwendigkeit der vollständigen Tumorresektion trotz Vorliegens eines Low-grade-Tumors, mit 5-Jahres-Überlebensraten von über 90 % [21, 22], ist häufig schwierig zu vermitteln. Rezidivoperationen sind jedoch mit einem signifikant höheren perioperativem Komplikationsrisiko behaftet. Auch die Tatsache, dass in bis zu 23 % der Rezidive ein Tumor-Switch hin zu einem höhergradig malignem Chondrosarkom zu beobachten ist, muss in diesem Kontext berücksichtigt werden [24]. Hervorzuheben ist an dieser Stelle nochmals die Tatsache, dass ein intraläsionales Vorgehen einzig beim atypischen chondroiden Tumor eine Therapieoption darstellt. Dies ist bei den malignen Knochentumoren eine absolute Ausnahmesituation. Bereits beim Klarzellchondrosarkom ist, trotz seines Low-grade-Charakters, an jedweder Lokalisation eine weite Tumorresektion nach Enneking seitens der Lokaltherapie indiziert. Hier ist ein intraläsionales Vorgehen selbst an den Röhrenknochen obsolet. Lokalrezidivraten von bis zu 60 % und eine Metastasierungsrate von bis zu 33 % werden nach inadäquater Lokaltherapie beschrieben [25].

Für alle Chondrosarkome ab einem histologisch verifizierten Dignitätsgrad II gilt, dass diese mit einer weiten Segmentresektion therapiert werden. Ein inadäquater Resektionsrand ist bei allen High-grade-Varianten mit einem signifikant erhöhten Lokalrezidivrisiko verbunden. Das Lokalrezidiv wiederum ist ein negativer Prognosefaktor hinsichtlich des Gesamtüberlebens [26, 27].

Ab einem Malignitätsgrad III, welcher sowohl für das klassische Chondrosarkom, das dedifferenzierte Chondrosarkom als auch das mesenchymale Chondrosarkom zutrifft, ist eine additive systemische Chemotherapie optionaler Bestandteil der Behandlung. Die verwendeten Chemotherapien weisen jedoch eine große Varianz auf. So existiert kein einheitliches Chemotherapieprotokoll für das Chondrosarkom generell oder einzeln für die jeweiligen Subentitäten. Die mesenchymale Chondrosarkome, die eher bei jungen Patienten auftreten, werden gehäuft analog dem Ewing-Sarkom-Protokoll behandelt. Basierend auf den guten Ergebnissen der EMSOS- Studie (European Musculo-Skeletal Oncology Society) hinsichtlich einer signifikant besseren Überlebensprognose in der Chemotherapiegruppe im Vergleich zur Beobachtungsgruppe empfehlen Frezza et al. bei kurativer Indikation eine Chemotherapie mit Doxorubicin in Kombination mit Ifosfamid oder Cisplatin [28]. Das klassische G-III-Chondrosarkom und das dedifferenzierte Chondrosarkom werden regelhaft gemäß dem Euro-Boos-Protokoll therapiert. Insgesamt zeigen vor allem die letzten beiden Chondrosarkome jedoch eine schlechte Chemotherapiesensitivität im Vergleich zum Osteosarkom oder dem Ewing-Sarkom. Auch wenn einzelne kleinere Studien einen positiven Effekt einer Chemotherapie in Subgruppen aufzeigen, konnte ein entscheidender Durchbruch mit den aktuellen Chemotherapeutika bisher nicht erzielt werden [27, 29, 30]. Subkollektive der einzelnen Studien zeigen jedoch teilweise ein zufriedenstellendes histologisches Therapieansprechen, sodass die Chemotherapieoption nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollte, sondern individuell in einem interdisziplinären Kontext (Tumorkonferenzbeschluss) diskutiert werden muss. Jüngere Patienten zeigen insgesamt eine bessere Prognose und scheinen von einer Chemotherapie besser zu profitieren. Insgesamt jedoch sind die high-grade Chondrosarkome mit einer hohen Metastasierungsrate und somit mit einer schlechten Gesamtprognose (5-Jahres-Überleben: 50–20 %) assoziiert [29]. Die dedifferenzierten Chondrosarkome haben hierbei die schlechteste Gesamtprognose mit einem 5-Jahres-Überleben (5JÜ) von unter 20 % [30]. Besser ist die Prognose der Mesenchymalen Chondrosarkome mit 5JÜ-Raten von bis zu 79 % [28] bei initial lokalisierter Erkrankung.

Die chirurgische Therapie (Erreichen eines weiten/adäquaten Resektionsrands) ist daher weiterhin die wirkungsvollste Therapiemaßnahme und der Therapiestandard. Trotz adäquater Resektion besteht jedoch im Vergleich zu den anderen primären Knochensarkomen, die ein verbessertes Ansprechen auf eine Chemotherapie zeigen, eine deutlich erhöhte Lokalrezidivrate von bis zu 30 % [31–33].

Analog der low-grade Chondrosarkome ist bei den lokal aggressiven Tumoren, dem Chondroblastom und dem Chondromyxoidfibrom, ein intraläsionales Vorgehen durch eine sorgfältige Kürettage und Auffüllung des Defekts mit einem Knochenersatzstoff (z.B. Tricalciumphosphat) Therapie der Wahl. Im Gegensatz zu den low-grade Chondrosarkomen verzichten wir hierbei jedoch mittlerweile auf die Verwendung von Knochenzement. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Applikation von PMMA keinen Vorteil hinsichtlich der Reduktion der Lokalrezidivrate ergibt und wir bei den teils jungen Patienten hingegen sehr gute Ausheilungsergebnisse mit den Knochenersatzstoffen sehen (Abb 2a–c). Diese Ergebnisse werden auch anhand der vorliegenden Literatur bestätigt. Je nach Zentrum und Erfahrung wird auf unterschiedliche intraläsionale Verfahren zurückgegriffen, ohne dass sich jedoch ein Verfahren hinsichtlich der Lokalkontrolle als überlegen herausgestellt hat [2, 13, 31]. Insgesamt besteht durch das intraläsionale Vorgehen immer die Gefahr des Lokalrezidivs, welches studienübergreifend mit bis zu 15 % angegeben wird.

Je nach Ausdehnung und Lokalisation kann bei den Chondromyxoidfibromen auch eine marginale Resektion des Tumors indiziert sein (Abb. 3a–c). Dies gilt insbesondere für Tumoren an platten Knochen wie der Scapula oder der Christa ilica, an denen eine suffiziente Kürettage insgesamt technisch sehr schwierig ist und eine Teilresektion kaum negative funktionale Auswirkungen hat.

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