Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Chondroide Knochentumoren
Diagnostik und TherapiealgorithmenDiagnostic and therapy algorithm

Sekundäre Chondrosarkome, die auf dem Boden einer Enchondromatose entstehen, sind dagegen in über 50 % G-II- oder G-III-Sarkome [18]. Die zeitnahe Diagnostik ist hier ein entscheidender Faktor, da diese Tumoren ein wesentlich höheres Risiko der Metastasierung beinhalten. Patienten, bei denen diese Erkrankung vorliegt, müssen dahingehend sensibilisiert werden, dass insbesondere eine neu auftretende Schmerzsymptomatik (Ruhe- und/oder Belastungsschmerz) in einem der betroffenen Knochen oder die Änderung des Schmerzcharakters ein wichtiges Signal darstellen kann, welches auf eine maligne Transformation hindeutet. Auch hier ist eine rasche MRT-Diagnostik und bei Bedarf Biopsie zwingend erforderlich. Hinsichtlich der Vorsorge hat sich aus unserer klinischen Erfahrung die Patientensensibilisierung als wichtigstes Instrument herausgestellt. Eine regelmäßige Röntgenkontrolle ist aufgrund der hohen kumulativen Strahlendosis kein geeignetes Mittel in der letztlich lebenslang notwendigen Vorsorge. Die Durchführung regelmäßiger Ganzkörper-MRT mag hier die Problematik der Strahlenexposition ausblenden, sollte als regelmäßige Kontrolluntersuchung jedoch individuellen Fällen vorbehalten sein. In der Primärdiagnostik bei vorliegendem Verdacht auf eine multiple Exostosenerkrankung oder einen M. Ollier ist die Ganzkörper-MRT jedoch ein hervorragendes Instrument zur Detektion aller vorliegenden Herde und zur Erstellung eines Ausgangsbefunds für sich im Verlauf ergebende Kontrolluntersuchungen.

Therapie/ Behandlungs-empfehlungen und Prognose

Die Behandlungs- und Therapieempfehlungen als auch die Prognose richten sich streng nach der zugrundliegenden Entität und Dignität des jeweiligen Knorpeltumors.

Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Darstellungen der einzelnen Entitäten, der vorliegenden aktuellen Literatur als auch unserer eigenen Erfahrung können die folgenden grundsätzlichen Empfehlungen gegeben werden. Ein hiervon abweichendes Vorgehen kann im Einzelfall gerechtfertigt sein. Dieses sollte dann jedoch, insbesondere bei Vorliegen eines Malignoms, in einem Tumorboard eines spezialisierten Zentrums diskutiert werden. Speziell die Therapie der Chondrosarkome setzt eine große Erfahrung in der Behandlung der Knochentumoren voraus, sodass diese Tumoren bevorzugt in entsprechenden Zentren therapiert werden sollten.

Grundsätzlich bedürfen die meisten benignen Knorpeltumoren keiner chirurgischen Therapie. Das Enchondrom, welches als Zufallsbefund diagnostiziert wird und keine klinische Beschwerdesymptomatik und keine Malignitätskriterien in der Bildgebung aufweist, ist als „leave me alone lesion“ zu betrachten. Selbiges gilt für das solitäre klinisch und bildgebend unauffällige Osteochondrom. Zu beachten sind bei der Erstdiagnose hingegen die gründliche Anamneseerhebung (Familienanamnese) und die klinische Untersuchung des Patienten zum Ausschluss des Vorliegens einer generalisierten Erkrankung. Das Vorliegen multipler Osteochondrome oder die Diagnose eines M. Olliers oder eines Maffucchi-Syndroms darf hierbei nicht übersehen werden.

Die prophylaktische Abtragung eines Osteochondroms sollte insbesondere dann in Erwägung gezogen werden, wenn es sich um einen sehr jungen Patienten handelt und das Osteochondrom an ungünstiger Stelle lokalisiert ist, sodass bei Wachstum des Osteochondroms mechanische Probleme zu erwarten sind. Diese Probleme können einerseits Bewegungseinschränkungen durch die Lokalisation in Gelenknähe, Gefäß-/Nervenkompressionen oder auch knöcherne Deformierungen (Abb. 1) sein. Auch die kosmetische Beeinträchtigung wirft häufig den Wunsch nach Abtragung des Osteochondroms auf. Bei der Resektion des Osteochondroms ist darauf zu achten, dass dieses im Bereich der knöchernen Basis abgetragen wird und die Knorpelkappe vollständig mitentfernt wird. Bei Verbleib von Knorpelanteilen ist insbesondere beim noch wachsenden Patienten von einem hohen Lokalrezidivrisiko auszugehen.

Bei neudiagnostizierten Enchondromen stellt sich die Frage, insbesondere bei Vorliegen einer klinischen Beschwerdesymptomatik, ob und in welcher Art und Weise eine chirurgische Therapie notwendig ist. Bei fehlenden Malignitätskriterien in der Bildgebung, aber bestehender klinischer Beschwerdesymptomatik, empfehlen wir zunächst die Durchführung einer 3-Monats-Verlaufskontrolle. Durch dieses Vorgehen kann eine Einschätzung hinsichtlich der biologischen Aktivität der Läsion erfolgen. Die Durchführung einer Skelettszintigrafie hilft bei dieser Fragestellung erfahrungsgemäß kaum weiter, da auch unauffällige Enchondrome ein zum Teil deutliches Enhancement aufweisen und hierdurch keine weitergehende Differenzierung erfolgen kann.

Bei Vorliegen von Malignitätskriterien in der Bildgebung und/oder einer eindeutig auf den Tumor zurückzuführenden klinischen Beschwerdesymptomatik ist eine offene Biopsie indiziert. Die Art der Biopsie muss dem jeweiligen Befund angepasst werden. So kann bei kleinen Läsionen ohne Vorliegen einer extraskelettalen Tumorkomponente eine vollständige Kürettage und Auffüllung des Defekts im Sinne einer Resektionsbiopsie indiziert sein (Abb. 5a–c). Bei diesem Vorgehen muss jedoch eine Kontamination der umliegenden Weichteile vermieden und somit ein möglichst kleiner Operationszugang gewählt werden. Sollte sich dann seitens der histologischen Aufarbeitung des Materials kein Anhalt für ein höhergradig malignes Chondrosarkom ergeben, ist eine weitergehende chirurgische Therapie zunächst nicht notwendig. Die Therapie der Wahl beim atypischen chondroiden Tumor (G-I-Chondrosarkom) ist, zumindest an den langen Röhrenknochen, die intraläsionale Kürettage und Defekt-Auffüllung mit Knochenzement [21, 22]. Die Verwendung von zusätzlichen Adjuvanzien wie die Kryotherapie oder die Phenolapplikation nach Kürettage wird in der Literatur beschrieben und kann in ausgewählten Fällen zur Senkung der Lokalrezidivrate beitragen, bei jedoch erhöhtem perioperativem Komplikationsrisiko (z.B. Knochenfraktur durch Kryotherapie) [23]. Dieses Vorgehen erspart dem Patienten einerseits einen zweiten Eingriff und andererseits kann durch die Vollständigkeit des Tumorgewebes ein „sampling error“ (fehlerhafte Dignitätseinschätzung aufgrund nicht repräsentativen Materials) ausgeschlossen werden.

Bei größeren Tumoren oder dem Vorhandensein einer parossalen Tumormanifestation sollte zunächst eine offene Biopsie mit Entnahme repräsentativen Gewebes erfolgen. Das Gewebe muss an der Stelle entnommen werden, an der in der MRT-Bildgebung ersichtliche Auffälligkeiten wie eine kortikale Arrosion, ein kortikaler Durchbruch oder eine erhöhte Zelldichte vorliegen (Abb. 4). Hierdurch wird das Risiko des sampling errors der Probe minimiert. Alleinige Stanzbiopsien können wir aufgrund der hierbei gewonnenen geringen Gewebemenge bei diesen Tumoren nicht empfehlen.

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