Originalarbeiten - OUP 03/2012

Das FIT™ -Konzept (Funktionelle Interdisziplinäre Therapie)
als perioperatives Management nach alloplastischem Gelenkersatz
The FIT-Concept (functional interdisciplinary therapy) – postoperative management after alloplastic j

J. Jerosch1, J. Heisel2

Zusammenfassung: In der letzten Dekade hat sich das perioperative Management bei einer Vielzahl von Patienten mit unterschiedlichen Diagnosen deutlich verändert: Dieses beginnt bei der präoperativen Vorbereitung. Viele Patienten haben sich bereits im Vorfeld über den Eingriff selbst sowie über die notwendige Nachbehandlung informiert; dennoch können standardisierte Patientenschulungen das klinische Ergebnis verbessern und den Klinikablauf optimieren. Im Bereich der perioperativen Schmerztherapie sollte der Operateur nicht alleine auf den anästhesiologischen Partner zurückgreifen, sondern bereits intraoperativ die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wahrnehmen. Der postoperative Belastungsaufbau ist deutlich progressiver als früher. Nach primärer Implantation einer Hüft- oder Knie-TEP spricht beispielsweise nichts gegen eine frühe schmerzadaptierte Vollbelastung, sofern keine individuellen patientenspezifischen Besonderheiten vorliegen.

Auch die Sportfähigkeit wird heutzutage positiver bewertet. In der Regel kann der Patient die meisten Sportarten wieder ausüben, sofern er diese auch vorher vom Bewegungsablauf beherrschte; dies gilt z.B. auch für das Skifahren.

Schlüsselwörter: perioperatives Management, Schmerztherapie, Belastungsaufbau, Sportfähigkeit, FIT-Konzept

Abstract: During the last decade there have been significant changes in the postoperative management. This process begins in the preoperative phase: Many patients are much better informed; standardized preoperative programs may improve patients outcome and optimize the clinical pathways. Concerning the techniques of perioperative pain management, the surgeon should not only rely on the anaesthesiologist, he should also use the options, he has during surgery. Nowadays, postoperative weight bearing is handled in a much more progressive way: In standard THR and TKR pain adopted full weight bearing is allowed, if there are no patient specific problems.

There is also a shift in the postoperative capability of performing athletic and recreational activities. In general, the patient may perform all activities, he used to do before surgery. This also includes downhill skiing.

Keywords: perioperative management, pain treatment, weight bearing, athletic activities, FIT-concept

Einleitende Vorbemerkungen

In den letzten 10 Jahren haben sich unsere Behandlungsstrategien im Bereich der elektiven Hüft- und Knieendoprothetik erheblich gewandelt. Viele der Veränderungen werden hier den minimal-invasiven Zugängen zugeschrieben. In diesem Zusammenhang wird jedoch in der Regel nicht beachtet, dass sich auch das Patientenmanagement selbst sowohl vor, während, als auch nach dem Eingriff deutlich geändert hat; hier sind verschiedene Disziplinen mit involviert. Zu diesen zählen neben den Operateuren die Anästhesisten, die Physiotherapeuten, das Stations- und Operationspflegepersonal, die Sozialarbeiter, die nachbehandelnden Institutionen und gelegentlich sogar bereits die Zuweiser. In der Gesamtheit stellt dieses eine funktionelle interdisziplinäre Therapie (FIT™ ) dar. Dieses Konzept soll die Hauptprobleme der Patienten vor elektiven Eingriffen reduzieren helfen; Trousdale et al. [1] zeigten bereits, dass diese Hauptängste der Patienten vor allem den postoperativen Schmerz und die lange Rehabilitationsphase betreffen.

 

Die Inhalte von FIT™ sind:

gute präoperative Patienteninformationen, z.B. durch die Endoprothesenschule [2], durch die Integration dieser Informationen in Clinical Pathways unter Miteinbeziehung der Zuweiser;

eine suffiziente präemptive (präventive) Schmerztherapie im Team mit der Anästhesie, z.B. durch Oberflächenanästhesien, Operationsfeldanästhesien, lokale Blockaden;

die Änderung des operativen Vorgehens, z.B. durch minimal invasive Operationszugänge, Verzicht auf den Einsatz von Redondrainagen und Blutsperren;

die Änderung in der postoperativen Phase, z.B. durch die schmerzadaptierte Vollbelastung nach endoprothetischer Hüft- bzw. Kniegelenksversorgung;

die spezielle Ausbildung von Physiotherapeuten und Pflegepersonal sowie

die individuelle Aufbelastung des Patienten bis hin zur Sportfähigkeit

In der Gesamtheit stellt dies somit ein Paket dar, in welchem das gesamte betreuende Team integriert werden sollte.

Präoperative Patienteninformation

Bereits die präoperativen Aspekte der Endoprothesenschule beinhalten einen multidisziplinären Ansatz, in den idealerweise der zuweisende Arztkollege genauso integriert wird wie der Operateur, die Physio- und Sporttherapeuten, Sozialarbeiter und Ergotherapeuten in der Akutklinik sowie die nachbehandelnden Ärzte. Hier steht die detaillierte präoperative Patienteninformation und -aufklärung im Vordergrund: Idealerweise erfolgen vor dem operativen Eingriff mehrere Unterrichtseinheiten, die in Vortragsblöcke und praktische Übungen zur Vorbereitung auf die postoperative Phase aufgeteilt sind. Die Schulung beginnt bereits im prästationären Bereich, wird dann konsequent stationär fortgeführt und endet in der späten Rehabilitationsphase (Tab. 1, Tab. 2).

Wang et al. [3] konnten darstellen, dass die präoperative Schulung in Kombination mit gezielten physiotherapeutischen Maßnahmen das funktionelle postoperative Ergebnis verbessern hilft. Es zeigte sich, dass die Therapiegruppe sowohl hinsichtlich der zurücklegbaren Gehstrecke als auch der Schritte pro Minute ein signifikant besseres Ergebnis erreichte als die Kontrollgruppe.

Idealerweise sollte die Patientenschulung in den „Clinical Pathway“ in den Klinikablauf integriert werden. So hat es sich beispielsweise bewährt, alle Gelenkersatz-Patienten etwa eine Woche vor der Operation an einem Tag in die Klinik einzuladen (soweit dies vom Einzugsbereich her geht). Über einen Zeitraum von etwa 4 Stunden werden Vorträge von Physiotherapeuten, Operateuren, Anästhesisten, Stationsschwestern und dem Sozialdienst angeboten. Am gleichen Tag erfolgen dann auch die präoperativen Röntgen- und Laboruntersuchungen sowie eine gezielte Patientenaufklärung durch den Operateur und den Anästhesisten. Dieses Vorgehen bindet an diesem Tag zwar viel Krankenhauspersonal, führt jedoch zu einer Zufriedenheit der Patienten und ist unter dem Strich effektiver als lediglich der 1:1-Kontakt mit dem Patienten, auch wenn dieser zusätzlich noch notwendig bleibt: Global gesehen wird hiermit eine Win-Win-Situation erreicht: Der Patient ist besser informiert, die Verwaltung hat in der Summe einen geringeren Personalaufwand und der Operateur einen zufriedeneren Patienten.

Präemptive (präventive) Schmerztherapie

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