Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Die instabile Hüftendoprothese
Ursachen, Diagnostik, BehandlungsoptionenCauses, diagnostics, treatment options

Jörg Jerosch1

Zusammenfassung: Der Beitrag gibt Übersicht über die Probleme bei Vorliegen einer Hüft-TEP-Luxation. Neben einer Darstellung der Ursachen finden sich Empfehlungen zur notwendigen Diagnostik sowie für die daraus
abzuleitenden Therapien.

Schlüsselwörter: Hüftendoprothese, Luxation, Diagnostik,
Therapie

Zitierweise
Jerosch J: Die instabile Hüftendoprothese. Ursachen, Diagnostik,
Behandlungsoptionen.
OUP 2016; 6: 324–333 DOI 10.3238/oup.2016.0324–0333

Summary: The presented review is dealing with the problems of dislocation after total hip replacement. After presenting the reasons for the dislocation, the necessary diagnostic steps are presented. Based on these causes for the
instability the treatment options are described.

Keywords: total hip replacement, dislocation, diagnostic
modalities, treatment

Citation
Jerosch J: Dislocation after total hip replacement. Causes,
diagnostics, treatment options.
OUP 2016; 6: 324–333 DOI 10.3238/oup.2016.0324–0333

Die Komplikationsraten der primären Hüftendoprothetik liegen zwischen 2 und 10 % und umfassen [14]:

aseptische Lockerung: 36,5 %,

Infektion: 15,3 %,

Luxation der Teilendoprothese: 17,7 %.

Inzidenz von Hüftluxationen nach Gelenkersatz

Die Dislokation stellt neben der Infektion eine der postoperativen Hauptkomplikationen nach Alloarthroplastik des Hüftgelenks dar. Verzögerte Mobilisation, verlängerte Rehabilitationszeit oder, falls rezidivierend, sogar Revisionseingriffe sind die Folge [1] (Abb. 1). Dabei treten nicht unerhebliche Belastungen sowohl für den Patienten als auch für den behandelnden Arzt auf [2]. Die Prävalenz beträgt 1,5–4 % aller hüftendoprothetischen Erstversorgungen [3, 4], wobei diese Zahl bei Revisionseingriffen auf bis zu 26 % ansteigen kann [5, 6, 7] und somit erhebliche sozioökonomische und psychologische Konsequenzen haben kann.

Auch die Registerdaten zeigen, dass die Luxation nach einer Hüft-TEP eine der Hauptursachen für die Revisionsoperation darstellt [8]. Derzeit sind jährlich etwa 8–12 % der operativen Eingriffe Hüftgelenkrevisionsoperationen, hiervon erfolgen 11–24 % aufgrund einer Luxation [8, 9, 10]. Internationale Register und Literaturangaben variieren hinsichtlich der Angaben der jährlichen Inzidenz von Hüft-TEP-Luxationen zwischen 0,2 % und 10 % nach primärer Hüft-TEP-Implantation [11, 12]. Das schottische Endoprothesenregister mit 143.014 Prothesen zwischen 1996 und 2004 zeigt eine Luxationsrate von 1,9 %. Dies ist aufgrund der modernen Implantationstechniken und Berücksichtigung der biomechanischen Grundlagen durchaus realistisch [13]. Nach Revisions- und Wechseloperationen des künstlichen Hüftgelenks steigen Luxationsraten bis auf einen Wert von 28 % [14, 15]. In einer Serie von 10.500 primären Prothesen zeigen Daten der Mayo-Klinik [16], dass sich 59 % der Luxationen innerhalb der ersten 3 Monate und insgesamt 77 % innerhalb des ersten Jahres ereignen. Andere Literaturstellen zeigen [17], dass 32 % der Luxationen als Spätluxationen mehr als 5 Jahre postoperativ eintreten. Hiervon erleiden wiederum 55 % eine Reluxation. Das kumulative Risiko für eine Luxation innerhalb des ersten postoperativen Monats liegt bei 1 % und beträgt innerhalb des ersten Jahres etwa 2 % [8, 18]. Hiernach erhöht sich das kumulative Risiko konstant um etwa 1 % pro 5-Jahres-Zeitraum und beträgt nach 25 Jahren etwa 7 % [18].

Die Patienten haben darüber hinaus eine behindernde Einschränkung der Lebensqualität und leben in einer steten Angst und in Erwartung der nächsten Luxation [2, 19].

Prognose

Die Prognose einer postoperativen Luxation ist besser, je frühzeitiger sie auftritt oder wenn ein zugrunde liegender Faktor nachgewiesen werden kann [1]. Rezidivierende Luxationen belasten den Patienten und Therapeuten nicht nur seelisch, sondern es kann aufgrund der wiederholten Muskelüberdehnungen zu einer Gangbildänderung kommen.

Die rezidivierende Gelenkluxation nach Alloarthroplastik kann verschiedene Ursachen haben, sodass zur erfolgreichen Behandlung zunächst die zugrunde liegende Pathologie abgeklärt werden muss, damit ein geeignetes Behandlungsverfahren ausgewählt werden kann.

Nicht immer ist ein technisch-operativer Fehler oder ein Fehlverhalten des Patienten als kausale Ursache einer Hüftluxation heranzuziehen [1]. Gerade in solchen Fällen ist die Prognose, unabhängig vom ausgewählten Behandlungsverfahren, nicht sicher vorhersagbar [1, 20, 21, 22, 23, 24, 25].

Prophylaxe

Zur Prophylaxe einer Hüftgelenkluxation ist es wichtig, eine gute anatomische Rekonstruktion durchzuführen. Hierzu zählen die Pfanneninklination und Pfannenanteversion, die Antetorsion des Schafts, der CCD-Winkel (Abb. 2) sowie insbesondere die Wiederherstellung des Rotationszentrums des Hüftgelenks sowie das femorale Offset (Abb. 3) und die Beinlänge. Einen Teilaspekt stellen heutzutage muskelschonende Operationsmethoden dar. Ein Abweichen von den oben genannten Parametern kann zu einer Luxation führen.

Klassifikation

Bei der Luxation ist zu differenzieren, ob es sich bei dem Ereignis um ein adäquates Trauma oder um eine alltägliche kontrollierte Bewegung handelt. Letzteres lässt auf eine nicht ausreichende Gewebespannung oder eine Komponentenfehlposition schließen. In der Relation zum Implantationszeitpunkt lassen sich Frühluxationen, intermediäre Luxationen (innerhalb der ersten 6 Monate) sowie Spätluxationen differenzieren. Bei Letzteren ist häufig Materialversagen wie Polyethylenabrieb die Ursache. Grundsätzlich sind verschiedene Mechanismen oder eine Kombination unterschiedlicher Mechanismen die Ursachen für eine Luxation (Tab. 1).

Luxationsrichtung

Grundsätzlich können 3 Luxationsrichtungen vorkommen, die eine gewisse Korrelation zur mechanischen Ursache haben können. Luxationsrichtung und Komponentenpositionierung stehen jedoch nicht zwangsläufig in Zusammenhang.

Kraniale Luxation

Ursache: zu große Inklination der Pfanne, Abduktoreninsuffizienz, Polyethylenabrieb

Luxationsmechanismus: Luxation bei Adduktion des gestreckten Hüftgelenks

Dorsale Luxation

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