Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Die instabile Hüftendoprothese
Ursachen, Diagnostik, BehandlungsoptionenCauses, diagnostics, treatment options

Prothesen-Knochen- oder Prothesen-Fremdkörper-Impingement: Pfannenrandosteophyten können als Hypomochlion den Kopf aus der Pfanne heraushebeln und sollten bei einer Revisionsoperation unbedingt entfernt werden. Überstehende Zementreste aus der Pfannenimplantation folgen dem gleichen Mechanismus und sind ebenfalls zu entfernen [64].

Dysplasieinlay, Constrained-Prothese, Oelerud-Verfahren: Bei rezidivierenden Luxationen mit fester Luxationsrichtung versuchten einige Autoren eine Stabilisierung mittels eines sogenannten Dysplasieinlays oder eines erhöhten Pfannenrands [78, 79, 80, 81, 82, 83] (Abb. 10). Ob ein Dysplasieinlay wirklich zu einer relevanten Stabilisierung bei chronisch instabilen Hüften führt, ist bisher noch nicht abschließend geklärt [83]. Zu bedenken ist zusätzlich der nachgewiesen erhöhte Verschleiß der Inlays bei Fehlpositionierung der Pfanne [84]. So empfehlen Krushell et al. [3] die Verwendung von Dysplasieinlays lediglich bei malpositionierter Pfanne für den Fall, dass die Pfannenexplantation zu nicht akzeptablen Knochensubstanzverlusten führen.

Dies gilt auch für das Verfahren nach Oelerud, bei dem auf die Pfanne Sektoren aus Polyethylen (PE) aufgeschraubt werden (Abb. 11). Durch Verschraubung eines Vollrings aus PE mit dem implantierten Inlay wird aus einer herkömmlichen Hüftalloarthroplastik eine komplett stabilisierte Hüfte. Der erhöhte PE-Abrieb ist auch bei diesem Verfahren vorhanden. Bezüglich der Rezidivluxationen sind das Oelerud-Verfahren und der Wechsel auf Constrained-Systeme erfolgreich [81]. Alle Autoren schränken die Indikation aufgrund des erhöhten Prothesenverschleißes und des eingeschränkten Bewegungsspielraums auf ältere Patienten mit limitierter Aktivität ein. Bei erneuter Luxation ist eine unblutige Reposition zudem kaum möglich.

Trevira-Anbindungsschlauch (Abb. 12): Bei älteren Patienten mit geringem Belastungsanspruch, erheblicher Instabilität aufgrund mangelnder neuromuskulärer Kontrolle oder systemischer neuromuskulärer Dysfunktion ist eine Stabilisierung mittels eines Anbindungsschlauchs prinzipiell möglich. Dabei wird eine Art Strumpf an den Pfannenrand und am Schaft befestigt. Innenliegend kann sich der Kopf frei in der Pfanne bewegen, jedoch nicht mehr seitlich herausgleiten, falls der Schlauch genügend Eigenspannung aufweist [85]. Die Indikation für dieses Verfahren ist jedoch sehr eng zu stellen und nicht für körperlich aktive Patienten geeignet.

Wechsel auf Duokopfprothese, Doppelkonusimplantation: Bei Patienten, die aufgrund anatomischer oder physiologischer Ursachen durch eine komplette Revision und Reimplantation körperlich stark belastet wären und deren Operationserfolg fraglich bliebe, berichten einige Autoren über den Wechsel auf einen Duokopf bei liegendem Schaft. Hierbei entfällt die Problematik einer Interaktion zwischen Schaft und Pfanne. Eine Malrotation des Schafts lässt sich ebenfalls mittels eines solchen bipolaren Kopfs ausgleichen [86, 87, 88]. Bis zu 10° Malrotation können auch durch das Aufstecken eines gewinkelten Doppelkonus ausgeglichen werden. Dieses Vorgehen sollte jedoch nur bei Patienten mit geringer körperlicher Aktivität erfolgen, da es noch keine Daten über das Ausmaß der Abnutzung und die Dauerhaltbarkeit der Prothesenkomponenten in der Literatur gibt. Parvizi und Morrey [86] berichteten über eine signifikante Besserung des Harris-Hip-Scores bei den so versorgten Patienten, das Mittel betrug jedoch lediglich postoperativ 56, und der Autor selber empfiehlt dieses Verfahren eher als Rückzugsmöglichkeit, falls andere Revisionen bisher erfolglos waren.

Revision und Reimplantation: Besteht ein deutliches Malalignment eines oder beider Prothesenteile, ist zunächst die operative Korrektur der Fehlstellung das Mittel der Wahl. Da dies jedoch gerade bei stabilem Prothesenlager ein sehr invasives Vorgehen ist, ist eine Abwägung zu treffen, ob, je nach Anspruch des Patienten, gegebenenfalls eine der oben beschriebenen Lösungen versucht werden sollte.

Bei aktiven Patienten besteht jedoch bei Malalignment die Gefahr einer vorzeitigen Abnutzung und Lockerung aufgrund einer Fehlbelastung der Prothesenkomponenten [84], was den Ausschlag zum invasiven Vorgehen geben sollte.

Muskuläre und koordinative Defizite: Bei muskulären und koordinativen Defiziten können tripolare Pfannensysteme Anwendung finden, bei denen sich eine mobile Polyethylenschale einerseits in der knöchernen fixierten Pfanne und andererseits um den Prothesenkopf bewegt [89, 90]. Tripolare Pfannensysteme bieten einen deutlichen Luxationsschutz, wenngleich das Abriebverhalten und die Möglichkeit der intraprothetischen Dislokation noch ein gewisses Risiko darstellt [91] (Abb. 13).

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Chefarzt Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Johanna-Etienne-Krankenhaus

Am Hasenberg 46

41462 Neuss

j.jerosch@ak-neuss.de

Literatur

1. Daly PJ, Morrey BF: Operative correction of an unstable total hip arthroplasty. J Bone Joint Surg Am 1992; 74: 1334–1343

2. Chandler RW, Dorr LD, Perry J: The functional cost of dislocation following total hip arthroplasty. Clin Orthop 1982; 168: 168–172

3. Krushell RJ, Burke DW, Harris WH: Elevated-rim acetabular components. Effect on range of motion and stability in total hip arthroplasty. J Arthroplasty 1991; 6(Suppl): S53–58

4. Yuan L, Shih C, Blanco Blanco J, Tapia Casado L, Ramos Galea R, Leon Vasquez F: Dislocation after total hip arthroplasty dissociation of a modular acetabular component in an uncemented total hip prosthesis. Effect of the modular design and anti-luxation rim. A case report. Arch Orthop Trauma Surg 1999; 119: 263–266

5. Fraser GA, Wroblewski BM: Revision of the Charnley low-friction arthroplasty for recurrent or irreducible dislocation. J Bone Joint Surg [Br] 1981; 63B: 552–555

6. Kavanagh BF, Fitzgerald RH Jr: Multiple revisions for failed total hip arthroplasty not associated with infection. J Bone Joint Surg 1987; 69-A(Oct): 1144–1149

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