Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Die instabile Hüftendoprothese
Ursachen, Diagnostik, BehandlungsoptionenCauses, diagnostics, treatment options

Ursache: zu geringe Anteversion oder Retroversion der Pfanne, Gelenkhyperlaxizität, primäres oder sekundäres Impingement

Luxationsmechanismus: Luxation bei Innenrotation und Adduktion des gebeugten Hüftgelenks oder bei tiefer Beugung

Anteriore Luxation

Ursache: zu große kombinierte Antetorsion von Schaft und Pfanne, Gelenkhyperlaxizität, primäres oder sekundäres Impingement

Luxationsmechanismus: Außenrotation und Adduktion des gestreckten Hüftgelenks

Eine sinnvolle ursachenorientierte Einteilung der rezidivierenden Luxation stellt die Klassifikation von Dorr et al. [20, 21, 22] dar:

  • 1. Positionsbedingte Dislokation ohne Nachweis von Komponentenmalalignment oder Weichteilimbalance,
  • 2. Fehlpositionierung von Pfanne und/oder Schaft,
  • 3. Weichteilimbalance,
  • 4. Kombination von Malalignment und Weichteilimbalance.

Morrey [29, 30] ergänzt diese Einteilung noch um eine zeitliche Zuordnung:

früh postoperativ: eher weichteilbedingte Dislokation,

2 Monate bis 2 Jahre: Komponentenmalalignment,

mehr als 2 Jahre: eher verschleißbedingte Änderung der Prothesenpassform.

Risikofaktoren für eine Hüft-TEP-Luxation

Patientenabhängige Faktoren

Eine schlechte muskuläre oder kapsuläre Führung des Hüftgelenks stellt einen deutlichen Risikofaktor dar. Dieses zeigt sich insbesondere bei Patienten mit neuromuskulären Vorerkrankungen wie Zerebralparese, Muskeldystrophie und Demenz oder auch Morbus Parkinson. Diese Gruppen haben eine deutlich erhöhte Inzidenz für Luxationen mit bis zu 5–8 % pro Jahr [13, 31, 32]. Bei den Patienten von über 80 Jahren ist aufgrund der Sarkopenie, des Verlusts der Tiefensensibilität (Propiozeption) oder auch durch eine vermehrte Sturzgefahr ein erhöhtes Luxationsrisiko beschrieben. Gleiches gilt für Patienten mit einer verminderten Compliance, die die Hüfte in luxationsbegünstigende Positionen bringen, wie die tiefe Beugung oder die starke Innenrotation des gebeugten Hüftgelenks. Im schottischen Endoprothesenregister zeigten Frauen kein höheres Luxationsrisiko [14, 32]. Ein besonderes Risiko stellen anatomische Formvarianten dar, wie sie beispielsweise bei der kongenitalen Hüftdysplasie, aber auch bei metabolischen Knochenerkrankungen oder rasch progredienten, entzündlichen Arthropathien oder bei der Hüftkopfnekrose vorliegen [33].

Vorausgegangene Frakturen oder operative Eingriffe am Hüftgelenk erhöhen das Luxationsrisiko signifikant [30], wobei sich dies in anderen Studien lediglich für vorausgegangene Alloarthroplastiken bestätigte. Patienten mit anderen Operationen am Hüftgelenk, wie korrigierende Osteotomien, wiesen kein höheres Luxationsrisiko auf [34].

Es werden jedoch bis zu 50 % Luxationen nach vorausgegangener Schenkelhalsfraktur angegeben [13]. Revisionsoperationen am Hüftgelenk nach vorausgegangener Operation, periprothetischen Frakturen oder septischen/aseptischen Lockerungen zeigen ebenfalls ein erhöhtes Luxationsrisiko aufgrund des Weichteiltraumas und der ausgedehnten Vernarbung. Azetabulärer oder femoraler Knochenverlust erhöht das Risiko bis auf 28 %.

Es zeigt sich jedoch auch, dass Alkoholmissbrauch ebenso ein relevanter Faktor sein kann [29, 35].

Operationsabhängige Faktoren

Operationsspezifische Risikofaktoren für die Hüft-TEP-Luxation lassen sich differenzieren in:

den operativen Zugangsweg,

die Positionierung der azetabulären und femoralen Komponente,

die Weichteilspannung,

die Erfahrung des Operateurs.

OP-Zugang: Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass der posteriore Zugang prinzipiell aufgrund der Ablösung der Außenrotatoren und der Eröffnung der dorsalen Kapsel, verglichen mit dem lateralen und anterolateralen oder anterioren Zugang, ein erhöhtes Luxationsrisiko aufweist. Auch Morrey [30] wies in seinem Kollektiv nach, dass der posteriore Zugang luxationsgefährdet ist. Dies wird von anderen Autoren in multivariaten Analysen nicht so eindeutig bestätigt [23, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42].

Bei einer Metaanalyse zeigte sich jedoch bei einem Nachuntersuchungszeitraum von mindestens 12 Monaten für den posterioren Zugang eine Luxationsrate von 3,23 %, für den lateralen transglutealen Zugang von nur 0,55 % und den anterolateralen Zugang von 2,18 % [43]. Eine Reduktion der Luxationsrate für den posterioren Zugang auf 0,7 % konnte durch eine anatomische Rekonstruktion der hinteren Kapsel und die Reinsertion der Außenrotatoren sowie durch eine vermehrte Anteversion der Pfannenkomponente erreicht werden [43, 44]. Der laterale Zugang zum Hüftgelenk birgt durch die Teilablösung des Musculus glutaeus medius oder wegen einer Fraktur des Trochanter major ein gering erhöhtes Luxationsrisiko durch die Schwächung der Abduktorenfunktion [28].

Komponentenpositionierung: Die Ausrichtung der Implantate hat für die endoprothetische Versorgung des Kunstgelenks eine besondere Bedeutung. Diese gilt sowohl für die pfannenseitige als auch für die schaftseitige Ausrichtung. Hier wird international nach wie vor die Studie von Lewinnek als Referenz angegeben. Nach Lewinnek [45] wird eine sichere Zone mit anzustrebender luxationsstabiler Pfannenpositionierung mit einer Inklination von 40°, ±10°, und einer Anteversion von 10–20° (Abb. 4) angenommen. Wines et al. [46] ließen erfahrene Hüftchirurgen intraoperativ die Ausrichtung der azetabulären und femoralen Komponente schätzen und verglichen diese Schätzung mit den postoperativen Messungen anhand einer CT-Dokumentation. Hierbei zeigte sich, dass bei einer durch die Chirurgen intraoperativ angenommenen Pfannenanteversion von 10–30° sich nur 45 % der Komponenten innerhalb dieses Zielbereichs positionierten. Im Bereich des Femurschafts schätzen die Chirurgen die Anteversion intraoperativ in 33 % der Fälle zwischen 15° und 20°, während mithilfe der Computertomografie eine Streubreite von 15° Retrotorsion bis 45° Antetorsion gemessen wurde und etwa 71 % der Prothesenschäfte im Zielbereich lagen.

Eine Fehlpositionierung wird begünstigt durch die intraoperative Lagerung, aber auch durch patientenspezifische Faktoren wie periartikuläre Kontrakturen, Fehlstellung des lumbosakralen Übergangs oder auch Adipositas.

Weichteilspannung: Hüften mit Trochantermigration luxierten 7-mal häufiger als das Vergleichskollektiv [47, 7, 30]. Als Ursache für eine inadäquate Weichteilvorspannung ist neben der Trochantermigration auch der Versuch eines Beinlängenausgleichs mit Verkürzung des operierten Beins zu sehen.

Erfahrung des Operateurs: Der Ausbildungsstandard des Operateurs ist für die Prognose einer primären Hüftalloarthroplastik bezüglich einer Luxation nicht unerheblich. So fand Hedlundh [48] eine 100 % höhere Luxationsrate bei unerfahrenen Operateuren, die sich nach einer Lernkurve von etwa 30 Operationen den Werten von erfahrenen Operateuren annäherte.

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