Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Ein Arthrosemanagement ist nur multimodal und interdisziplinär vollständig

Klinisch wird die Diagnose anhand der Parameter Beweglichkeit, Krepitus, Deformität, Patientenalter, Druck- Ruhe- und Bewegungsschmerz gestellt; ein Beispiel einer Klassifikation der Gonarthrose sind die Kriterien des American College of Rheumatology (Tab. 1). Die makroskopische Einteilung von Knochenschäden erfolgt u.a. nach Outerbridge. In Erweiterung der 4-stufigen Outerbridge-Klassifikation von 1961 wurde 2003 durch die International Cartilage Research Society das ICRS Hyaline Cartilage Lesion Classification System veröffentlicht (Tab. 3). Klassifiziert wird die Arthrose radiologisch international nach wie vor nach Kellgren und Lawrence [42] (Tab. 4, Abb. 1).

Diagnostik des
Knorpelschadens

Grundlagen der Arthrosediagnostik sind eine sorgfältige Anamnese und die klinische Untersuchung (Tab. 5). Ruhe- und vor allem Belastungsschmerzen sind ebenso typisch wie der morgendliche Anlaufschmerz. Bei der Frage nach den Schmerzen bei einer Coxarthrose, ist das C-Zeichen typisch (Abb. 2). Die nasskalte Witterung im deutschen Winter vertragen die Patienten in der Regel schlechter als das milde Klima auf Mallorca. Klinisch finden sich Schwellungen der betroffenen Gelenke ebenso wie Bewegungseinschränkungen mit weichem Anschlag. An den distalen Fingergelenken beklagten die Patienten (meist Frauen) deutliche Schwellungen mit leichten Verformungen. An den Zehen sind die Fehlstellungen meistens noch deutlich ausgeprägter.

Hinsichtlich der bildgebenden Diagnostik bleibt auch in der aktuellen AWMF-Leitlinie Gonarthrose die primäre Diagnostik nach wie vor die Röntgenaufnahme. Beim Kniegelenk ist zur besseren Verwertbarkeit der Frontalaufnahme diese im belasteten Zustand durchzuführen. Weitere bildgebende Verfahren, insbesondere auch die morphologische Kernspintomographie bleiben nur bestimmten Fragestellungen vorbehalten. So wird die Kernspintomographie auch von der Leitlinie nur empfohlen bei Meniskuszeichen, Kreuzband-Instabilität, Synovialitis wie ansonsten unklarer Beschwerdesymptomatik.

Im Rahmen der kontinuierlichen Begleitung von individuellen Patienten mit einer Arthrose ist ebenso von Interesse, wie die Arthrose dieses Patienten voraussichtlich im Laufe der Zeit voranschreiten wird. Generell ist hier zu bedenken, dass je früher ein Knorpelverschleiß diagnostiziert wird, desto besser die Behandlungsoptionen sind. Auch kleinere Knorpelschäden führen im Weiteren unweigerlich zu einer Progression des Knorpelschadens [43, 47, 53]. Hier sind die üblichen diagnostischen Verfahren wie Anamnese, klinische Untersuchung, Röntgen sowie das morphologisches Kernspin bisher nur bedingt hilfreich.

Eine neue interessante Möglichkeit bildet der Early Osteoarthritis Questionnaire (EOAQ), welche von der ISIAT (International Symposium Intra Articular Treatment) erstellt wurde [45]. Ziel ist es, mit diesem validierten Fragebogen Knorpelveränderungen im frühen Stadium zu detektieren und im weiteren therapeutischen Verlauf zu monitoren, sodass ein Längsschnittverlauf der therapeutischen Bemühungen bei frühen Knorpelschäden dokumentiert werden kann.

Eine weitere Möglichkeit würde hier das sog. funktionelle Kernspin geben, mit welchem Stoffwechselprozesse im Gelenkknorpel sehr frühzeitig dargestellt werden. Eine andere Möglichkeit stellen sogenannte Biomarker dar, die Abbauprodukte des Gelenkknorpels im Serum oder Urin darstellen. Hierzu zählt beispielsweise CTX-II im Urin, COMP im Serum und andere. Im grundlagenwissenschaftlichen Bereich gibt es hierzu eine Vielzahl von Literatur. Interessant wäre es, derartige Biomarker-Messungen auch in der Breite verfügbar zu machen. Ein nahezu fertiges Produkt hierzu hat jedoch den letzten Schritt in den Markt aufgrund von Umstrukturierungen in einer großen Pharmafirma nicht mehr geschafft. Mit einem solchen Produkt wäre ein individuelles Monitoring des Patienten auch über Jahre mit überschaubaren finanziellem und organisatorischem Aufwand möglich gewesen. Man hätte hiermit die Therapie auch individuell gestalten können.

Therapeutische Ansätze bei Knorpelschaden

Aufgrund der oben dargestellten multiplen Ursachen empfiehlt es sich, bei Diagnostik und Therapie im Rahmen des Arthrose-Managements einen multimodalen und interdisziplinären Ansatz zu wählen. Dieses gilt insbesondere bereits bei der Auswahl medikamentöser Therapieansätze. Die Literatur zeigt, dass die Arthrose in der Regel keine isolierte Erkrankung darstellt [20, 22, 32, 38, 39, 49, 57].

Der typische Patient ist älter als 45 Jahre, hat mehr als eine Komorbidität, nimmt in der Regel multiple Medikationen und hat darüber hinaus noch andere altersbedingte muskuloskelettale Veränderungen. Vom Grundsatz gelten nach wie vor die EULAR-Richtlinien, wie sie bereits im Jahr 2005 aufgestellt wurden. Diese sind nach wie vor vergleichbar in den aktuellen AWMF-Leitlinien enthalten. Vom Grundsatz her sind im konservativen Bereich des Arthrosemanagements eine nicht medikamentöse Basisbehandlung sowie die medikamentöse Therapie zu berücksichtigen.

Nicht medikamentöse
Basisbehandlung und Selbstmanagement des Patienten

Patienteninformation und

Patientenschulung

Patienten sollen über die Erkrankung, Vorbeugung der Krankheitsprogression, Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität aufgeklärt werden. Dieses beinhaltet vor allen Dingen eine intensive Beratung hinsichtlich der Modifikation der Aktivitäten des täglichen Lebens (motivationale Beratung).

Gewichtsabnahme bei

übergewichtigen Patienten

Bei einer Gewichtsreduktion von wenigstens 5 % innerhalb von 6 Monaten ist eine messbare Verbesserung der klinischen Symptomatik und der Gelenkfunktion zu erwarten. Bei einem Gewichtsverlust von 10 % zeigt sich eine signifikante Verbesserung der klinischen Symptome. Ebenso finden sich eine Verbesserung der Qualität und der Dicke des medialen femoralen Gelenkkompartiment-Knorpels. Konsequenterweise muss eine ökotrophologische Beratung mit in das Arthrose-Management eingebaut werden.

Übungsprogramme/

sportliche Aktivität

Patientenschulung soll insbesondere über Übungsprogramme sowie sportliche Aktivität informieren [18]. Beides hat in unterschiedlichen Modellen (individuell, Gruppentraining, Home Exercises) einen positiven Effekt auf Schmerz und Funktion. Die meisten Autoren empfehlen ein gemischtes Programm, das Muskelkräftigung, Verbesserung der aeroben Kapazität sowie Verbesserung der Flexibilität und der Beweglichkeit beinhaltet [18]. Auch für Tai Chi gibt es eine positive Empfehlung [41]. Sport- und physiotherapeutische Ansätze sind mit zu integrieren. Einen positiven Aspekt hat insbesondere auch die Bewegungs- und Sporttherapie. Hier ist neben Dehnung und Koordination vor allem aber auch die Muskelkräftigung hervorzuheben. Verschiedene Studien zeigen, dass insbesondere Muskel kräftigende Konzepte zu einer Reduktion des Schmerzempfindens der betroffenen Gelenke führt [3].

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