Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Ein Arthrosemanagement ist nur multimodal und interdisziplinär vollständig

Der Anteil der Patienten mit erfolgreicher Behandlung betrug bei einer Behandlungszeit von 6–12 Wochen unter Diclophenac 60 % gegenüber 50 % unter Placebo. Unter Ketoprofen erreichten nach 6–12 Wochen 63 % der Patienten den primären Endpunkt und 48 % unter Placebo.

Weitere Hinweise zur Wirksamkeit von topischen NSAR bei Arthrose zeigt auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2018, die sowohl randomisierte, kontrollierte Studien als auch Beobachtungsstudien berücksichtigte [61]. Erfasst wurde hier als primärer Endpunkt die Schmerzlinderung, als sekundärer Endpunkt war die funktionelle Verbesserung in dem WOMAC-Score (Western Ontario and McMaster Universities Arthritis Index). Hier zeigte Diclofenac als Pflaster eine Effektstärke von -0,94, als Gel eine Effektstärke von -0,3. Placebo-kontrollierte Studien zu Ketoprofen ergab einen leichten Wirksamkeitsvorteil gegenüber Placebo. Die Auswertung zu Ibuprofen ergab ebenfalls einen Wirksamkeitsvorteil gegenüber Placebo wie auch die Studien zu Piroxicam.

Die Verträglichkeitsanalyse zur Langzeitanwendung bis 12 Wochen zeigte bei Diclofenac an unerwünschten Ereignissen 14 % gegenüber Placebo 7,8 %. Bei Ketoprofen lagen die unerwünschten Ereignisse bei 15 % im Vergleich zum Placebo bei 13 %. Bei allen NSAR wurden die lokalen unerwünschten Ereignisse als allgemein mild oder nur vorübergehend beschrieben [14]. Die registrierten systemischen unerwünschten Ereignisse wurden allgemein als mild beschrieben. Diese Ergebnisse stehen im Einklang zu der Metaanalyse von Zeng et al [61]. Es ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen NSAR und Placebo hinsichtlich lokaler Hautreaktionen, gastrointestinaler und kardiovaskulärer unerwünschter Ereignisse.

Im direkten Vergleich zwischen topischen und oralen NSAR zeigte eine explorative Analyse von 5 direkten Vergleichsstudien, welche ebenfalls in Zusammenhang des Cochrane-Reviews von Derry et al. [14] durchgeführt wurde, durchaus vergleichbare Therapieerfolge (topische Applikation 55 %, orale Applikation 54 %). Die Inzidenz systemischer unerwünschter Ereignisse war bei der topischen Applikation signifikant geringer (17 % versus 26 %). Diese Daten von nahezu 900 Patienten belegen eindeutig den Vorteil von topischer im Vergleich zu systemischer Applikation von NSAR.

Für die orale Anwendung mit NSAR gibt es unter oben dargestellten Zusammenhängen (Arthrosepatient, üblicherweise älter, mehrfach erkrankt mit großer Anzahl von Begleitmedikation). Diese führt aufgrund der Vorerkrankung oder der Begleitmedikation zu Kontraindikationen von NSAR.

Intraartikuläre Therapie

Insoweit NSAR nicht ausreichend wirksam sind, kontraindiziert sind oder das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöht sind, wird auch nach der AWMF-Gonarthroseleitlinie die Verwendung von Glucosamin oral, Hyaluronsäure intraartikulär oder Corticosteroiden intraartikulär empfohlen. Hierbei ist natürlich zu beachten, dass die Corticosteroide den raschesten Wirkeintritt haben und in der Regel für etwa 3 Monate wirksam sind [7, 36, 55]. Hyaluronsäure-Präparate haben eine längere Wirkdauer von 6–12 Monaten. Die Effektgröße hinsichtlich Schmerz in Metaanalysen liegt zwischen 0,34 (0,22–0,46) und 0,63 (0,36–0,88); die Effektgröße nach 4 Wochen ist besser als bei anderen pharmakologischen Behandlungen (Cox-2, NSAIDs, i.a. Corticoid und Paracetamol) [28]. Insgesamt gibt es mehr als 100 vermarktete HA-Produkte weltweit. Diese differieren erheblich hinsichtlich des Ursprungs (tierische oder bakterielle Fermentation), des Molekulargewichtes (von 0,7 bis 3 MDa), der molekularen Struktur (linear, cross-linked, mixed oder beides), der Methode der cross-link Konzentration (0,8–30 mg/ml), dem rheologischen Verhalten (Gel oder flüssig). Einige sind assoziiert mit anderen Molekülen (Mannitol, Sorbitol, Chondroitin Sulfat) mit unterschiedlichen Konzentrationen. Auf Grund dieser Rahmenbedingungen gibt es keine einzelne Klasse von HA-Produkten. Metaanalysen zeigen jedoch eine Überlegenheit von Hyaluronsäuren mit hohem Molekulargewicht [1, 4, 30, 58] (Abb. 3). Durch eine gute Wahl des Injektionszeitpunktes, Berücksichtigung der Kellgren Lawrence Situation, der Co-Medikation sowie der Co-Therapie wird man den Effekt von Hyaluronsäuren auch optimieren können [11]. Die orale Gabe von Glucosaminen oder vergleichbaren Nahrungsergänzungsmitteln wirkt sehr langsam und zeigen erst nach 4–8 Wochen einen eventuell positiven Effekt [5, 9, 40].

Während die oben genannten Therapieansätze rein als Schmerzreduktion anzusehen sind (SYSADOA), ergeben sich bei hochmolekularen Hyaluronsäuren durchaus auch Hinweise auf eine Beeinflussung der Knorpelstoffwechsel an sich (DMOAD). Insbesondere französische rheumatologische Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass bei der intraartikulären Gabe von hochmolekularen Hyaluronsäuren eine Reduzierung des CTX-II nachweisbar ist und somit der Knorpelstoffwechsel an sich positiv beeinflusst wird [10, 26]. Der DMOAD Effekt wird in der Zukunft zunehmend interessanter werden [27]. Aus den o.g. Gründen sind Hyaluronsäuren zwischenzeitlich in vielen internationalen Arthrose-Leitlinien als positiv bewertet worden (Abb. 4).

Opioide

Die Diskussion um die Opioid-Therapie hat sich in den letzten Jahren insbesondere durch die Opioid-Epidemie in USA aufgrund der Zunahme unkritisch verschriebener Opiate für nicht Tumorschmerz verschärft. Es gab dort jedoch regionale Besonderheiten, indem sogenannte „Pain Doctors“ das stark wirksame Opioid Oxycodon in großem Umfang verschrieben hatten [16]. Erfreulicherweise hat sich eine vergleichbare Entwicklung in Deutschland nicht eingestellt. So konnte die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. in ihrer im Jahr 2020 aktualisierten Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen, nicht-tumorbedingten Schmerzen [16] festhalten, dass es in Deutschland aktuell keine Hinweise auf eine Opioidkrise gebe. Für Patienten mit chronischem Arthroseschmerz sind Opioide gemäß LONTS nur nach dem Versagen nicht-medikamentöser Therapie und/oder der Wirkungslosigkeit bzw. Kontraindikation anderer Analgetika und/oder einem nicht durchführbaren bzw. nicht gewünschten Gelenkersatz indiziert. Allgemein scheint jedoch gerade bei älteren Patienten eine Opioidgabe nur mit geringer analgetischer Wirkung und funktionaler Verbesserung bei gleichzeitig erhöhtem Nebenwirkungsrisiko beim Arthroseschmerz einherzugehen [44].

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