Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018
Moderne bildgebende Diagnostik der Arthrose im Allgemeinen und der großen Gelenke der unteren Extremität
Beim patellofemoralen Schmerzsyndrom kann das Nativröntgen des Kniegelenks in 3 Ebenen (a.p. im Stand, streng seitlich und tangential) nicht mehr als Standarddiagnostik angesehen werden, und der MRT ist hier bei klinisch spezifischer Symptomatik der Vorzug bei der Abklärung des FPG zu geben. Die MRT-Untersuchung kann die Röntgendiagnostik unterstützen oder ergänzen [137]. Chondrale Läsionen und ossäre Reaktionen sind gut darstellbar. Weichteilige Veränderungen wie Plicae (Abb. 4) oder Hoffareizungen (Abb. 10) und eine Ergussbildung (Abb. 9 und 11) können exakt abgebildet werden [87, 114]. Die Ergebnisse der klinischen Untersuchung steuern die notwendige und sinnvolle Bildgebung zur Bestätigung und Quantifizierung der Befunde mit Graduierung oder Typisierung einzelner Komponenten. Zusätzlich können pathologische Veränderungen des FPG entdeckt und beurteilt werden. Je weniger strukturelle Veränderungen festgestellt werden können, umso wahrscheinlicher sind funktionelle Aspekte Auslöser der Problematik.
Knie-MR-Technik
Bereits 2004 haben Dunn et al. [25] beobachtet, dass die intrachondrale FTG T2-Relaxationszeit (T2-Map) mit der Schwere der OA (WOMAC) ansteigt. Die Wertigkeit des Knorpelmappings in der Einschätzung degenerativer Veränderung des Kniegelenkknorpels hat sich über die Jahre bestätigt und das Verfahren ist im wissenschaftlichen Bereich etabliert. So zeigt eine innermethodische Analyse asymtomatischer Erwachsener hinsichtlich der Korrelation von T2-Signalcharakteristik und arthrosespezifischen morphologischen Kniebinnenveränderungen bzw. Abnormalitäten (Entitäten sind oben beschrieben) eine signifikante Korrelation im FTG-Kompartiment [88]. Diese Ergebnisse zeigen, dass sich das T2-Mapping der Gelenkknorpel in longitudinaler Anwendung als eine prophylaktische Methodik zur Früherkennung arthrosegefährdeter Individuen etablieren kann, bevor ein relevanter Knorpelschaden entsteht. In der Forschung ist dieses Verfahren bereits etabliert (Abb. 12), [111, 110].
MRT vs. Klinik
Wurde bereits vor über einer Dekade in der Literatur für die Gonarthrose und MRT-Diagnostik die Diskrepanz zwischen positiven MR-Gelenkbefunden und dem klinischen Befund (z.B. WOMAC) aufgezeigt bezüglich bestimmter präarthrotischer oder arthrosebegleitender MRT-Befunde (Knorpelläsion, Synovialisläsion, intraossäre Signalveränderungen, Meniskus- und Bandläsionen) [65], so heißt das aber nicht, dass nur als direkt mit Gonalgie assoziierbare MRT-Befunde [57] wie der erhöhte Gelenkerguss als Zeichen einer aktivierten Gonarthrose, sondern auch die vermehrte Osteophytenbildung als Zeichen der fortgeschrittenen OA, als (prä-)arthrotische MR-Entitäten gewertet werden dürfen. Es zeigt, dass man sich heute dieser Diskrepanz zwischen radiologischer Bildgebung und klinischem Bild (Abb. 13) bewusst ist und gelernt hat, die spezifizierte bildgebende Befundlage kritisch zu bewerten, um sie in ihrer Wertigkeit korrekt in den klinischen Arthroseprozess bzw. die klinische Fragestellung einzuordnen, was wiederum einen spezifischen Dialog zwischen Kliniker (Orthopäde und Unfallchirurg) und dem radiologischen MRT-Befunder voraussetzt.
Zusammenfassung
Die Projektionsradiografie bleibt in der Regel bei den großen Gelenken die Methode der Wahl bei der Primär- bzw. Standarddiagnostik der OA sowie zur Beurteilung deren Schweregrads der OA. Neben den Möglichkeiten, den Schweregrad der Arthrose zu erheben, sind insbesondere Belastungs- und Spezialaufnahmen (z.B. Rosenberg) geeignet, um einhergehende höhergradige Knorpelschäden mit einem Verlust der Gelenkspaltweite ausfindig zu machen.
Die CT spielt aufgrund der Strahlenbelastung bei der Diagnostik der OA eine untergeordnete Rolle und sollte nur in ausgewählten Fällen, bei Kontraindikation für eine MRT und zur präoperativen Beurteilung von Knochensubstanz und anatomischen Verhältnisse bei gelenknahen Deformierungen zum additiven Einsatz kommen. Sie wird in Zukunft aufgrund der besseren Ökonomie und geringeren Strahlenbelastung von der DVT Konkurrenz im Praxisbetrieb bekommen.
Die MRT kommt aufgrund ihrer mannigfaltigen Vorteile und weiter progredienten technischen Innovationen in vielen Fällen bereits additiv zur Röntgenuntersuchung zum Einsatz (Nachweis von Frühformen der OA, spezifische morphologische und biochemische Gelenkknorpeldiagnostik, Detektion röntgenologisch inapparenter gelenkbezogener morphologischer Begleitpathologien bzw. Detektion von Präarthrosen) und wird nach Meinung des Autors daher in naher Zukunft auch aufgrund der weiter zunehmenden verlaufs- und gelenkspezifischen Differenzierung der oft gelenkerhaltenden konservativen und operativen Behandlungsformen der OA (z.B. FAI und Dysplasie der Hüfte) immer mehr als primäres bildgebendes diagnostisches Verfahren zum Einsatz kommen. Dabei ist die Qualität der MR-Bildgebung entscheidend, um eine entitätsgerechte Beurteilung des Gelenkstatus zu erreichen: Hochfeld-MRT (1,5T, 3T) mit optimaler Protokoll- bzw. Sequenz- (PD-fs, T1, PD/T2, GRE und KM-Sequenz: mind. 5, regelhaft 6–8 Sequenzen) und Spulenauswahl (Knie-, Hand-, Fuß-, Schulter-Spulen) sowie gelenkkonforme Projektionen (z.B. radiäre Hüft-MRT, semicoronar und semisagittale Schulter-MRT) und qualifizierte MR-Befundung (radiologischer Facharztstandard mit muskuloskelettaler Spezialisierung). Additive MR-Spezialuntersuchungen sind im Einzelfall zur gezielten Abklärung von OA-Frühsituationen zu erwägen (z.B. direkte MR-Arthrografie, dGEMRIC, T2/T2*-Mapping). Dies gelingt nur, wenn sich der Befunder der Einschränkungen der MR-Bildgebung und „pitfalls“ der muskuloskelettalen Bildgebung bewusst ist, speziell der Knorpelbildgebung, wie dies im Übrigen auch für die Anwendung der spezifischen Projektionsradiografie gilt.
Somit hat der intraoperative Befund weiter seine Bedeutung. Doch auch die diagnostische Arthroskopie (die v.a. in orthopädisch-traumatologischen Fachkreisen immer noch als Methode der Wahl für die Klassifikation von Knorpelschäden propagiert wird, was mit der Möglichkeit einer direkten Betrachtung gesehen wird) hat bezüglich ihrer Validität ein ganze Reihe von Limitationen: Als rein deskriptive Methode hängt die arthroskopische Evaluation allein vom subjektiven, visuellen und taktilen Eindruck des Operateurs ab, ihr entgeht die subchondrale Gewebetextur bzw. eine eventuelle Pathologie komplett und sie ist bis heute nicht instrumentell standardisiert, womit die Beurteilung der „Erweichung“ oder der „Eindringtiefe“ bei der Knorpelpalpation einer großen Variabilität bzw. Subjektivität unterliegt. Betrachtet man dazu noch den oben beschriebenen technischen Fortschritt v.a. im MRT-Bereich und die Einschätzung in der medizinischen Bildgebung, dass das technisch Mögliche künftig auch in der klinischen Diagnostik verstärkt zum Einsatz kommen wird, wird sich die Relationen sicher weiter hin zur umfassenden bildgebenden OA-Diagnostik verschieben.