Übersichtsarbeiten - OUP 03/2022

Osteoporose aus rehabilitativer Sicht

Hartmut Bork

Zusammenfassung:
Rehabilitationsmaßnahmen haben bei Patienten mit einer Osteoporose insbesondere im Rahmen eines Frakturereignisses einen wichtigen Stellenwert. Sie können helfen, Schmerzen zu reduzieren, beeinträchtigte Funktionen zu verbessern, Folgeschäden zu limitieren und Lebensqualität sowie soziale Teilhabe der Betroffenen zu erhalten. Gerade ältere Menschen zeigen nach einem Frakturereignis aufgrund oftmals bestehender multipler Vorerkrankungen eine reduzierte psychophysische Kompensationsfähigkeit und bedürfen eines ganzheitlichen Therapieansatzes zur Rekonvaleszenz. Zudem können den weiteren Verlauf beeinflussende Risikofaktoren im Rahmen der Rehabilitation identifiziert und durch den interdisziplinären Therapieansatz positiv beeinflusst werden. Durch Aufklärung und Schulung lässt sich hier mitunter die Compliance für notwendige Therapien stärken und das Ernährungs- und Bewegungsverhalten modulieren. Rehabilitation kann daher zu verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Schwerpunkten zum Erhalt der funktionalen Gesundheit, Vermeidung von Pflegebedürftigkeit und dem Erhalt der Erwerbstätigkeit bei Patienten mit einer Osteoporose beitragen.

Schlüsselwörter:
Osteoporose, Sturz, Sturzangst, Osteoporose bedingte Fraktur, Bewegungstherapie

Zitierweise:
Bork H: Osteoporose aus rehabilitativer Sicht
OUP 2022; 11: 0116–0121
DOI 10.53180/oup.2022.0116-0121

Summary: Rehabilitation measures have an important significance for patients with osteoporosis, especially in the context of a fracture event. They can help to reduce pain, improve impaired functions, limit consequential damage and maintain the quality of life and social participation of those affected. Older people in particular show a reduced psychophysical compensatory capacity after a fracture event due to often existing multiple pre-existing diseases and require a holistic therapy approach for convalescence. In addition, risk factors that influence the further course of the disease can be identified during rehabilitation and positively influenced by the interdisciplinary therapy approach. Through education and training, compliance with necessary therapies can be strengthened and dietary and exercise behaviour can be modulated. Rehabilitation can therefore contribute to the preservation of functional health, avoidance of the need for care and the preservation of employment in patients with osteoporosis at different points in time with different focuses.

Keywords: Osteoporosis, falls, fear of falling, osteoporosis induced fracture, exercise

Citation: Bork H: Osteoporosis from a rehabilitative point of view.
OUP 2022; 11: 0116–0121. DOI 10.53180/oup.2022.0116-0121

Hintergrund

Die Osteoporose als systemische Skeletterkrankung zählt vor allem aufgrund ihrer Folgeprobleme mit Wirbelkörper- und hüftnahen Frakturen zu einer für das Gesundheitssystem ökonomisch bedeutsamen Erkrankung in Deutschland. Ihre Relevanz wird in den nächsten Jahren infolge der demografischen Entwicklung noch um ein Vielfaches zunehmen, da Inzidenz und Prävalenz der Osteoporose und insbesondere hierdurch bedingte Frakturen stark altersassoziiert sind. Zur Prävalenz der altersassoziierten Osteoporose gibt es für Deutschland leider nur wenige Daten. In der EPOS Studie stieg diese von etwa 15 % bei postmenopausalen Frauen auf 45 % im Alter von mehr als 70 Jahren und bei Männern (bezogen auf eine erniedrigte Knochendichte am Schenkelhals) von 2,4 % im Alter von 50–60 Jahren auf 17 % bei über 70-Jährigen [42].

Schwerwiegendste Komplikation ist mithin die Osteoporose bedingte Fraktur, die im Alter eine der Hauptursachen für funktionelle Einschränkungen, Behinderung, chronische Schmerzsyndrome sowie eine erhöhte Morbidität und Mortalität darstellt [6, 26]. Sie trägt entscheidend zum Verlust an Lebensqualität und Autonomie älterer Menschen bei und erfordert neben einer oft notwendigen operativen Versorgung im Weiteren einen zeitnahen multidisziplinären und multimodalen rehabilitativen Therapieansatz, zumal eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren das Krankheitsgeschehen und ihren Verlauf beeinflusst.

Zielsetzung rehabilitativer Maßnahmen

Rehabilitationsmaßnahmen können helfen, nicht nur verlorene Funktionen wiederherzustellen bzw. noch vorhandene Funktionen zu bewahren, sondern auch durch Aufklärung die Compliance für eine notwendige medikamentöse Therapie zu stärken und das Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu modulieren. Zudem können Risikofaktoren, die zu der Erkrankung/Verletzung beigetragen haben identifiziert und möglicherweise beeinflusst werden. Gerade nach Wirbelkörper- und Hüftfrakturen ist daher die Einleitung einer zeitnahen rehabilitativen Behandlung ambulant oder stationär sinnvoll, um bei älteren Menschen eine Pflegebedürftigkeit zu vermeiden und jüngere Patienten im Erwerbsleben zu halten. Faktoren, die eher für eine stationäre Rehabilitation sprechen, sind u.a. mangelnde Mobilität und Sturzgefahr, Komplikationen nach einem operativen Eingriff, höheres Lebensalter mit reduziertem Allgemeinzustand, rehabilitationsrelevante Multimorbidität und vorbestehende Pflegebedürftigkeit, keine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Probleme in der häuslichen Versorgung (alleinstehend, Pflegeperson im Haushalt) und psychosoziale Belastungsfaktoren.

Die Rehabilitations-/Therapiezielsetzung ist immer ein dynamischer Prozess. Aufgrund des individuellen Behandlungsfortschrittes können sich daher Zielsetzungen während der Rehabilitation auch verändern. Abweichungen vom normalen Heilverlauf sollten zeitgerecht erkannt und entsprechend notwendige Therapieschritte eingeleitet werden, um das Ziel der Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens und die soziale Reintegration zu gewährleisten [8].

Neben der medikamentösen Therapie haben im Rehabilitationskonzept vor allem physikalische, edukative und oftmals auch psychologische Interventionen einen hohen Stellenwert, um negative Auswirkungen der Erkrankung bzw. Verletzung auf den Alltag und Beruf mit möglichen psychosozialen Folgen zu verhindern. Um das individuelle Rehabilitationspotential bzw. die Rehabilitationsprognose besser abschätzen zu können, ist insbesondere bei geriatrischen Patienten zur Erfassung der medizinischen, psychosozialen und funktionellen Beeinträchtigungen ein standardisiertes und interdisziplinäres Aufnahmeassessment in den Bereichen Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion und soziale Versorgung notwendig [40].

Im Weiteren soll daher ein Überblick über das interdisziplinäre Therapiekonzept in der Rehabilitation gegeben werden.

Medikamentöse Therapie

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