Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Patellainstabilität bei Trochleadysplasie
Diagnostik und BehandlungsmöglichkeitenDiagnostics and treatment options

Lars Victor von Engelhardt1, 2, Jörg Jerosch1

Zusammenfassung: Die Rekonstruktion des medialen
patellofemoralen Ligaments (MPFL) trotz zugrunde liegender Trochleadysplasie zeigt ein vergleichsweise schlechtes klinisches Outcome und birgt ein erhöhtes Risiko für Rezidivluxationen. Somit sollte eine höhergradige Trochleadysplasie bei entsprechenden klinischen Befunden auch adressiert werden. Hierzu werden die heutzutage gängigen Methoden einer Trochleaplastik vorgestellt. Bereits nach der Erstluxation reißt das MPFL in über 90 % der Fälle. Zudem liegt die Patella im Rahmen einer Trochleaplastik in einer veränderten mechanischen Position nach dorsomedial verlagert. Die logische Konsequenz ist, dass bei einer Trochleaplastik eine MPFL-Plastik nicht nur aufgrund der Ruptur, sondern auch im Sinne einer medialen Weichteilbalancierung bzw. Alignementanpassung notwendig wird. Gerade in solchen Fällen ist unsere Methode der MPFL-Plastik besonders geeignet, die sich durch einfache Möglichkeiten auszeichnet, die Graftspannung intraoperativ zu optimieren.

Schlüsselwörter: Trochleadysplasie, mediales patellofemorales
Ligament, patellofemorale Instabilität, vorderer Knieschmerz

Zitierweise
von Engelhardt LV, Jerosch J. Patellainstabilität bei Trochleadysplasie. Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten.
OUP 2015; 6: 308–314 DOI 10.3238/oup.2015.0308–0314

Summary: An isolated medial patellofemoral ligament (MPFL) reconstruction in the presence of a severe dysplasia of the trochlea shows a relatively poor clinical outcome and leads to an increased risk for recurrent patella dislocation. Therefore, a severe dysplasia of the trochlea should be addressed when corresponding clinical findings are present. Current surgical procedures of a trochleoplasty are presented in this report. Following first patellar dislocation, the MPFL is torn in more than 90 % of the cases. During a throchleoplasty, the patella is moved to a more medial and dorsal mechanical position. As a logical consequence, an MPFL plastic is necessary in regard to the torn ligament as well as in regard to a balancing and alignment of the medial soft tissue restraints. Especially in these cases, our MPFL plastic technique, which allows a simple intra-operative testing and adjustment of the graft tensioning, is very convenient.

Keywords: trochlea dysplasia, medial patellofemoral ligament, patellofemoral instability, anterior knee pain

Citation
von Engelhardt LV, Jerosch J. Patella instability in dysplasia of the trochlea. Diagnostics and treatment options.
OUP 2015; 6: 308–314 DOI 10.3238/oup.2015.0308–0314

Einleitung

Um zu verstehen, dass das Thema Trochleadysplasie bei der Therapie der Patellainstabilität nicht von der Hand zu weisen ist, sind u.a. 3 Zahlen von Bedeutung: Dejour zeigte bei Patienten mit wiederholten Luxationen, dass in bis zu 85 % Prozent im Röntgen oder im CT Zeichen einer Trochleadysplasie zu finden sind [1]. Die zweite Zahl beschreibt das Ergebnis einer MPFL-Naht bzw. eines Re-Attachements trotz zugrunde liegender Trochleadysplasie. In diesen Fällen führt eine solche Operation nach einem mittleren Follow-up von etwas mehr als 3 Jahren in bis zu 46 % der Fälle zu Rezidivluxationen [2]. Bis dahin sind viele Patienten aber auch nicht gerade glücklich. So zeigt eine Metaanalyse zu 25 Studien zum isolierten MPFL-Ersatz, dass unter den Patienten mit Komplikationen mit einer Häufigkeit von 32 % anhaltende Instabilitätsbeschwerden mit einem entsprechend positiven Apprehensionstest bestehen. In dieser Analyse schlussfolgerte der Autor, dass diesem Beschwerdebild häufig nicht adressierte Trochleadysplasien zugrunde lagen bzw. als Risikofaktor zu werten waren [3]. Dies zeigt recht deutlich, dass wir uns bei einer Instabilität der Patella mit einer zugrunde liegenden Trochleadysplasie beschäftigen müssen und sie abhängig von den klinischen und bildgebenden Befunden auch adressieren sollten. Neben diesen Daten zu anhaltenden Instabilitäten ist auch an die Gefahr fortschreitender degenerativer Gelenkschäden zu denken. Liegt bei einer Instabilität eine auf einer geraden oder konvex geformten Trochlea reitende Patella vor, besteht bei einer reinen MPFL-Plastik das Risiko, dass eine erfolgreiche Stabilisierung nur durch eine straffe Fesselung der Patella erkauft werden kann. Somit sind die Untersuchungsergebnisse, wonach Patienten nach isolierter MPFL-Plastik trotz zugrunde liegender, höhergradiger Trochleadysplasie ein vergleichsweise schlechtes klinisches Outcome zeigen [29], nicht unbedingt erstaunlich. Auch wenn weitere evidenzbasierte Daten hierzu fehlen, ist davon auszugehen, dass eine mangelhaft adressierte Operation letztlich einen nicht unwesentlichen Risikofaktor für degenerative Gelenkschäden und zunehmende retropatellare Schmerzen darstellt.

Bildgebende Diagnostik

Die gebräuchlichste Einteilung der Trochleadysplasie geht auf Dejour zurück und unterteilt die Schweregrade A bis D. Diese Graduierung der Trochleadysplasie ist am besten auf transversalen MRT- oder CT-Schichten erkennbar (Abb. 1a-b). Sie können aber auch auf einer seitlich eingestellten Röntgenaufnahme, auf der die dorsalen Anteile der medialen und lateralen Femurkondyle genau übereinander liegen, als sog. Crossing Sign, als supratrochleärer Sporn und/oder als Doppelkontur erkannt werden [1]. Die leichte Form, der Grad A, ist in der Schnittbildgebung durch einen erhaltenen, aber abgeflachten Sulkuswinkel > 145° und in der seitlichen Röntgenaufnahme durch ein sog. „Crossing Sign“ gekennzeichnet. Der Grad B zeigt eine flache oder beginnend konvexe Trochlea in der Schnittbildgebung und einen supratrochleären Sporn im Röntgen. Bei den Graden C und D besteht zusätzlich eine Asymmetrie und zunehmende Hypoplasie der medialen zur lateralen Trochleafacette. Beim Grad C besteht eine prominente Konvexizität der lateralen Femurkondyle, die als Doppelkontur im Röntgen zu sehen ist. Beim Grad D zeigt sich neben der Doppelkontur ein supratrochleärer Sporn. An dieser Stelle bildet die vergleichsweise kräftige laterale Kondyle gegenüber dem medialen Anteil eine regelrechte Klippe aus.

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