Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Patellainstabilität bei Trochleadysplasie
Diagnostik und BehandlungsmöglichkeitenDiagnostics and treatment options

Somit wurde diese Technik bei Instabilitäten und Patienten mit einem vorderen Knieschmerz angewendet. Um den lateralen Knorpel-Knochen-Block angepresst zu halten, werden von schräg lateral 2 Herbertschrauben versenkt [16–18]. 1994 präsentierte Bereiter die „Thin-flap“-Technik, bei der im ersten Schritt ein ca. 3–5 mm dünner Knorpel-Knochen-Lappen abgehoben wird [19]. Im nächsten Schritt wird die Trochlea mit Fräsen vertieft und geformt. Der osteochondrale Lappen ist flexibel und wird dann mittels Vicrylfäden und Ankern auf den vertieften Knochen aufge-steppt. Prima vista ist dies eine logische Technik, da hierdurch die normale Anatomie wiederhergestellt wird, ohne den Druck hinter der Kniescheibe zu erhöhen.

Trochleaplastik nach Bereiter in Kombination mit unserer Methode einer Implantat-
freien MPFL-Plastik

Unsere Technik erfolgt sowohl bei der Rekonstruktion des MPFL als auch bei der Trochleaplastik nach Bereiter ohne Verwendung von Knochenankern. Der Hautschnitt erfolgt hinsichtlich evtl. Folgeoperationen wie bspw. einem Retropatellarersatz als gerade Inzision über der Kniescheibe. Neben einem geraden Hautschnitt über der Kniescheibe bis zum Pes anserinus, erfolgt je nach Fall auch ein hälftiger Schnitt im oberen Bereich und eine zusätzliche kleine Inzision über dem Pes. Nach der Sehnenentnahme und der Darstellung der Trochlea erfolgt, ausgehend von der Knorpel-Knochen-Grenze, die Ablösung der osteochondralen Lamelle bis weit distal in die Trochlea mit einem Meißel (Abb. 3).

Die Dicke des noch vorhandenen subachondralen Knochens sollte hier annäherungsweise bei 2 mm liegen. Um einen genügend flexiblen osteochondralen Lappen zu erhalten, ist an einigen Stellen des Lappens eine Ausdünnung des subchondralen Knochens mit einer hochtourigen Diamantfräse nötig. Um den Knorpel hierbei nicht zu schädigen, erfolgt dies unter sanftem Anheben des Lappens unter Sicht von kranial. Eine ständige Spülung soll ein Überhitzen der Fräse vermeiden (Abb. 4). Ein spezielles Führungsinstrument ist hierbei unserer Meinung nach nicht unbedingt erforderlich; vielmehr erscheint es uns am ehesten sicher, den subchondralen Knochen an den erforderlichen Stellen mit sanft touchierenden Bewegungen auszudünnen.

Anschließend erfolgt die vertiefende Knochenabtragung, wobei der ostechondrale Lappen zur Einsicht wiederum ein wenig angehoben wird. Insbesondere in Fällen mit einem grenzwertigen oder auch geringfügig erweiterten TT-TG (15–20 mm) erfolgt die Abtragung ein wenig nach lateral hin, um die Gleitrinne etwas zu lateralisieren. Hierunter erhoffen wir uns, das Gleiten und den Anpressdruck zu verbessern. Im nächsten Schritt erfolgt dann die Schaffung der Passagelöcher für das Vicrylband mit einem feinen Pfriem.

Für die distale Passage durch den Knorpel ist es wichtig, ausreichend weit distal und lateral einzugehen, da der Verlauf des Bands später der neuen, leicht lateralisierten Geitrinne entsprechen soll. Proximal erfolgt das Eingehen mit dem Pfriem genau auf Höhe der Knorpel-Knochen-Grenze (Abb. 5). Über eine ausreichend feste, große Ösennadel erfolgt dann die Passage beider Bandenden nach kranial und kraniolateral. Anschließend erfolgt das Einpressen des osteochondralen Lappens in den vertieften Knochen und die Fixierung in der Tiefe über den vorgelegten und an der Femuraußenseite straff verknoteten Vicrylfaden (Abb. 6). Zur MPFL-Plastik erfolgt zunächst die Darstellung der medialen Patellakante. Hier wird ein 2 cm langer, V-förmiger Knochenkanal gebohrt. Hierbei wird einmal vom superomedialen Pol und einmal von der Mitte der medialen Facette möglichst vertikal aufeinander zugebohrt.

Nachdem gezeigt wurde, dass horizontal angelegte Knochenbohrungen bei den über die Patellar- und Quadrizepssehne in Längsrichtung wirkenden Zugkräften zu den meist querverlaufenden Patellafrakturen prädisponieren [33], erscheinen solche nahezu vertikal verlaufenden Knochentunnel sinnvoll. Nach der Graftpassage durch die Patella (Abb. 7) wird der Weg zwischen den beiden Kapselblättern zum femoralen Insertionspunkt präpariert (Abb. 8). Der femorale Insertionspunkt nach Schöttle [25] wird unter seitlicher Bildwandlerkontrolle unter deckungsgleich eingestellten posterioren Kondylen aufgesucht. Nach Einbringen eines Kirschner-Drahts zur Führung (Abb. 7), erfolgt das Aufbohren eines blind endenden Knochenkanals. Über das blinde Ende dieses Tunnels erfolgt die Passage zweier divergierender Ösendrähte durch den lateralen Femurkortex (Abb. 9).

Die beiden freien Enden des Gracilis-transplantats werden zum anatomischen femoralen Insertionspunkt geführt und jeweils in die Fadenösen eingeführt. Durch Zug am lateralen Ende der Ösendrähte werden die beiden Graftenden in den Knochenkanal eingeführt und im Weiteren die Armierungen durch den lateralen Femurkortex durchgezogen. Im letzten Schritt werden die Fadenpaare auf dem lateralen Kortex zusammengeführt und in der 30°-Flexionsstellung, in der die Anspannung des MPFL am größten ist [26], mit einem Nadelhalter temporär fixiert. Hiermit kann das Gleiten der Patella in Funktion, der Quadrantentest und die Transplantatspannung in unterschiedlichen Beugegraden beurteilt und ggf. eingestellt werden. Abschließend erfolgt die dauerhafte Verknüpfung. Hierdurch gelingt unserer Meinung nach eine individuelle, recht einfache Alignementanpassung mit einer hohen Chance eine Überspannung mit vorderen Knieschmerzen oder gar Beugedefiziten zu vermeiden [27].

Diskussion

Nach isolierter MPFL-Plastik trotz zugrunde liegender Trochleadysplasie zeigten Wagner et al. ein vergleichsweise schlechtes klinisches Outcome [29]. Somit sollte eine höhergradige Trochleadysplasie bei entsprechenden klinischen Befunden neben der MPFL-Plastik auch adressiert werden. Viele Kollegen stehen der Trochleaplastik dennoch eher kritisch gegenüber, da sie durch die Abhebung eines osteochondralen Lappens und die Vicrylbandfixierung Schäden wie Nekrosen an den Gelenkflächen erwarten. Mehrfache eigene arthroskopische Nachuntersuchungen und Publikation von Blønd et al. [23] und Schöttle et al. [24] zeigten, dass sich das Vicrylband vollständig resorbiert und v.a. keine Knorpelschäden im Bereich der versetzten und plastisch verformten Gelenkflächen auftreten. Zur histologischen Beurteilung konnten Schöttle et al. 2 osteochondrale Biopsien 6 und 9 Monate nach Trochleaplastik entnehmen. Neben einer histologischen Untersuchung zur Beurteilung der Knorpel-Knochen-Qualität erfolgte eine Konfokalmikroskopie zur Beurteilung der Lebens- und Funktionsfähigkeit der Knorpelzellen. Trotz der Osteotomie, die ca. 2 mm unterhalb des Knorpels durchgeführt wird, zeigte sich ein normaler histologischer Knorpel-Knochen-Befund mit einer entsprechenden Knochenneubildung in der Osteotomiezone. Insbesondere Knorpel- oder Knochennekrosen zeigten sich nicht [24].

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