Wissenschaft - OUP 06/2018

Radiuskopfendoprothetik

Kay Schmidt-Horlohé1, Alexander Klug2

Zusammenfassung: Frakturen des Radiuskopfs gehören zu den häufigsten Verletzungen des adulten Skeletts. Während nicht dislozierte Frakturen eindeutig konservativ und gering dislozierte Frakturen mit guten Ergebnissen durch eine offene Reposition und Osteosynthese behandelt werden können, ist die Therapie komplexer Radiuskopffrakturen mit osteoligamentären Begleitverletzung ausgesprochen anspruchsvoll. Der endoprothetische Ersatz des Radiuskopfs stellt hierbei einen Teilaspekt des möglichen therapeutischen Spektrums dar. Im Folgenden werden die anatomischen und biomechanischen Grundlagen vermittelt und die Indikationsstellung sowie die operative Technik dargestellt.

Schlüsselwörter: Radiuskopffraktur, Radiuskopfprothese,
Overstuffing, Instabilität, Radiuskopfresektion

Zitierweise
Schmidt-Horlohé K, Klug A: Radiuskopfendoprothetik.
OUP 2018; 7: 305–310 DOI 10.3238/oup.2018.0305–0310

Summary: Fractures of the radial head are common in adult trauma. Simple fractures without dislocation and fractures with simple articular involvement can be treated easily non-surgical or with open reduction and osteosynthesis. However, the treatment of comminuted fractures with associated osseus and ligamentous lesions is still on debate. Radial head arthroplasty is considered to be a good treatment option, since clinical results are mostly good and predictable. This article highlights the anatomic and biomechanical backgrounds and discusses indications and the surgical technique.

Keywords: radial head fracture, radial head prosthesis,
overstuffing, instability, radial head resection



Citation
Schmidt-Horlohé K, Klug A: Radial head arthroplasty.
OUP 2018; 7: 305–310 DOI 10.3238/oup.2018.0305–0310

1 Orthopaedicum Wiesbaden, Praxis für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Zentrum für Ellenbogenchirurgie, Wiesbaden

2 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik, Zentrum für Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, Frankfurt am Main

Einleitung

Die Radiuskopffraktur ist mit einer Inzidenz von 1,7–5,4 % eine der häufigsten Frakturen überhaupt [19]. Circa ein Drittel aller knöchernen Verletzungen des Ellenbogengelenks betreffen auch den Radiuskopf. Die Radiuskopffraktur betrifft typischerweise Erwachsene zwischen dem 2. und 6. Lebensjahrzent. Bei den unter 50-Jährigen ist das männliche Geschlecht häufiger betroffen, bei den über 50-Jährigen das weibliche Geschlecht. Die Frakturhäufigkeit über Geschlecht und Alter weist typische Verteilungsmerkmale einer Osteoporose-assoziierten Fraktur auf.

Einfache Frakturen des Radiuskopfs kommen in der Regel isoliert vor. Bei dislozierten und komplexen Frakturformen liegen in bis zu 80 % der Fälle Begleitverletzungen vor. Diese finden sich überwiegend in Form ligamentärer Pathologien. Die Begleitverletzungen betreffen überwiegend direkt das Ellenbogengelenk, obwohl auch Verletzungen im Bereich des Unterarms, des Handgelenks und der Handwurzel vorkommen.

Daneben tritt die Radiuskopffraktur bei 10–15 % der Patienten im Rahmen einer Ellenbogengelenkluxation auf. In diesem Kollektiv sind begleitende Frakturen des Proc. coronoideus sowie ligamentäre Verletzungen besonders häufig anzutreffen. Diese Verletzungen sind meist mit einer relevanten klinischen Instabilität vergesellschaftet.

Während nicht dislozierte Frakturen (Mason Typ I) unter konservativer Therapie in der Regel nahezu folgenlos ausheilen, werden einfache, aber dislozierte Frakturen (Mason II) nach offener Reposition durch eine Osteosynthese stabilisiert. Auch in diesen Fällen sind gute funktionelle Ergebnisse die Regel.

Bei der Therapie mehrfragmentärer Radiuskopffrakturen (Mason Typ III) kommen die Radiuskopfresektion, die Rekonstruktion mit Osteosynthese sowie der endoprothetische Ersatz in Betracht.

Da bei begleitenden Pathologien am Proc. coronoideus sowie dem medialen oder lateralen Bandapparat die Radiuskopfresektion zu einer erheblichen Alteration der Kinematik und Stabilität führt, gilt diese in diesem Fall als obsolet [2, 3].

Vielmehr wird mit anatomisch präformierten und winkelstabilen Plattensystemen auch bei komplexen Frakturformen ein Erhalt des Radiuskopfs angestrebt. Die Ergebnisse sind jedoch variabel und die Komplikationsfrequenzen teils hoch [9, 17, 20, 29].

In den letzten Jahrzenten hat sich die Rationale und Technik des Radiuskopfersatzes kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Radiuskopfprothese erfüllt bei der Therapie der komplexen Radiuskopffraktur verschiedene Aufgaben. Erstens dient sie in der akuten Phase der Stabilisierung des Gelenks und ermöglicht so eine suffiziente Ausheilung der ligamentären und ossären Begleitverletzungen. Durch die erzielte Gelenkstabilität ist eine frühfunktionelle Nachbehandlung möglich, welche das Risiko einer posttraumatischen Gelenkeinsteifung reduziert. Zweitens simuliert die Prothese die native Anatomie und ermöglicht so die Kraftübertragung vom Unterarm auf den Oberarm über das humeroradiale Gelenk. Dies verhindert eine humeroulnare Überlastung, beugt einer Insuffizienz des medialen Kollateralbands vor und verhindert die Entstehung eines Cubitus valgus [2, 18].

Bisherige klinische Nachuntersuchungen konnten in 68–97 % der Patienten gute und sehr gute Ergebnisse feststellen [1, 5, 9, 15, 21, 23, 28, 30]. Allerdings können in bis zu 40 % der Fälle auch Komplikationen nach primärer Radiuskopfendoprothetik gefunden werden, wobei operative Revisionen bei bis zu 26 % der Patienten notwendig werden [12, 13, 16, 24]. Dennoch findet sich eine Zunahme der Prothesenimplantationen um 53 % von 2006 bis 2013.

Anatomie und Biomechanik

Das Ellenbogengelenk stellt kinematisch ein hochkomplexes Gelenk dar. Der Radiuskopf ist eine biomechanisch wichtige Struktur, dessen Bedeutung mit zunehmender ossärer und ligamentärer Verletzungsschwere zunimmt. Die Radiuskopf-Prothesenimplantation verfolgt das Ziel einer stabilen Rekonstruktion der radialen Säule, um die Anatomie und Biomechanik möglichst exakt wiederherzustellen.

Sechzig Prozent der am Handgelenk eingeleiteten Kräfte werden über den Radiuskopf auf den Oberarm übertragen. Extensionsnah sowie in Pronation des Unterarms sind die Kräfte am größten, sie können bis zu 90 % des Körpergewichts betragen. Das ulnohumerale Gelenk wird nach Resektion des Radiuskopfs mit bis zum 9-fachen des Körpergewichts vermehrt belastet. Der anterolaterale Radiuskopf stellt zudem neben dem Proc. coronoideus einen relevanten Stabilisator gegen eine posteriore Luxation des Ellenbogengelenks dar. Des Weiteren ist er ein primärer Stabilisator für die longitudinale Unterarmstabilität.

Das Lig. collaterale mediale ist der primäre Stabilisator gegen Valgusstress. Bei Insuffizienz übernimmt der Radiuskopf die valgusstabilisierende Funktion. Der Radiuskopf kann somit als der sekundäre Stabilisator gegen Valgusbelastung bezeichnet werden. Die Kombination aus Ruptur des medialen Seitenbandkomplexes und Radiuskopfresektion resultiert in einer hochgradig instabilen Situation. Ebenso kommt es nach Resektion des Radiuskopfs – bedingt durch die verminderte Spannung des lateralen ulnaren Collateralbandes (LUCL) – zu einer posterolateralen Instabilität.

Daneben muss außerdem die enge anatomische Beziehung zu den neurovaskulären Strukturen beachtet werden. Insbesondere der unter dem M. brachioradialis verlaufende N. radialis ist bei Nutzung eines lateralen Zugangs in unmittelbarer Nähe des operativen Situs.

Zur sicheren Schonung des R. profundus muss eine weit nach distal des Lig. anulare radii verlängerte Inzision und die Retraktion der Gewebe nach distal vermieden werden. Bei Pronation des Unterarms wird der N. radialis ramus profundus vom operativen Situs weggedreht und kann so sicher geschont werden.

Historie und
Prothesenmodelle

Mit dem Ziel der Vermeidung von Ossifikationen im Bereich des resezierten Radiuskopfs wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht rekonstruierbare Frakturen des Radiuskopfs durch eine Metallkappe ersetzt. Im weiteren Verlauf stellte Carr fest, dass diese Metallkappe die Stabilität des Gelenks verbessert. Somit wurde die Prothese nun mit dem Ziel einer besseren Stabilisierung des Gelenks implantiert.

Im Verlauf des letzten Jahrhunderts zeigte sich ein reger Wechsel verschiedener Prothesendesigns und Materialien. Die ehemals weit verbreiteten Swanson-Silastik-Prothesen sowie Modelle aus Acrylharz sind heute dabei weitgehend vom Markt verschwunden, da diese weder den biologischen (Biounverträglichkeit mit Synovialitis) noch den biomechanischen (Bruch der Prothese) Anforderungen genügen. Nahezu alle aktuell verfügbaren Prothesen weisen einen runden Kopf auf und spiegeln somit nicht die anatomischen Gegebenheiten des nativ elliptischen Kopfes wider.

Formal lassen sich Radiuskopfprothesen nach verschiedenen Charakteristika unterscheiden.

Zum einen hinsichtlich der Größenanpassung in Monoblock und modulare Prothesen: Während bei Monoblockprothesen eine Einheit aus Kopf und Schaft besteht, sind die modularen Prothesen durch variable Schaft-Hals-Kopf-Kombinationen individuell der Anatomie anpassbar.

Zum anderen durch die Art der Fixierung des Kopfs mit dem Schaft: Monopolare Prothesen weisen eine Verbindung mit fixer Angulation des Kopfs gegenüber dem Schaft auf. Bipolare Prothesen ermöglichen eine limitierte Bewegung des Kopfs gegen den Schaft (ca. 15° Achsabweichung) und können sich dadurch dynamisch auf das Capitulum zentrieren. Biomechanisch hat das monopolare Prothesendesign eine höhere Stabilität gegenüber einer posterioren Translation des Capitulums.

Entsprechend der Verankerungstechnik kann in stabil verankerte Schäfte (press-fit oder zementiert) oder „intentionally loose“ Implantate differenziert werden. Bei osteointegrativen Prothesen sollte, um eine hohe Primärstabilität des im Radius fixierten Schafts zu erreichen, der größtmögliche Schaft-Durchmesser verwendet werden. Die Schaftform und -länge spielen entsprechend biomechanischer Studien eine eher untergeordnete Rolle.

Der capituloradiale Gelenkersatz hat sich bisher auch in der Revisionschirurgie kaum etabliert. Erste Studien mit kleinen Fallzahlen zeigen jedoch im kurzen Nachuntersuchungszeitraum gute Ergebnisse mit akzeptablen Komplikationsraten.

Im Vergleich zum traumatologischen endoprothetischen Ersatz an anderen Gelenken wie Hüfte oder Schulter ist die Implantation einer Radiuskopfprothese bei nicht rekonstruierbaren Frakturen ein seltener Eingriff. Die Verwendungshäufigkeit zeigt jedoch in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der Implantationszahlen.

Indikationen

Prinzipiell sollte das primäre Behandlungsziel in einer Rekonstruktion des Gelenks und seiner Funktion liegen [26]. Dies gilt insbesondere bei jungen Patienten, bei denen im Falle einer Radiuskopfprothesenimplantation mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Komplikationen im Langzeitverlauf gerechnet werden muss. Ein Erhaltungsversuch ist auch bei komplexen Frakturen in diesem Kollektiv indiziert. In diesem Fall kann auch eine passagere Ruhigstellung zum Schutz der Osteosynthese und das Akzeptieren einer Bewegungseinschränkung gerechtfertigt sein. Eine sekundäre Arthrolyse bei konsolidierter Fraktur kann dann erforderlich
werden.

Ob die Implantation einer Radiuskopfprothese indiziert ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab: Frakturmorphologie, Knochenqualität, ossäre und ligamentäre Begleitverletzungen und letztendlich auch vom funktionellen Anspruch des Patienten.

Beim Versuch, den Radiuskopf zu erhalten, ist eine absolut anatomische Reposition der Fraktur sowie eine stabile Osteosynthese obligat. Eine stabile Rekonstruktion ist allerdings bei Frakturen mit mehr als 3 artikulären Fragmenten und insbesondere bei einer metaphysären Defektzone kaum zu erreichen. So finden sich nach Osteosynthese von Mason-II-Frakturen sehr gute und gute Ergebnisse bei 100 % der Patienten, bei Mason-III-Frakturen allerdings nur bei 33 % [25, 29, 42]. Inwieweit bei Mason-III- und IV-Frakturen die funktionellen Ergebnisse durch die Nutzung neuer, anatomisch vorgeformter winkelstabiler Implantate positiv beeinflusst werden können, bleibt abzuwarten. Erste Publikationen zeigen vielversprechende Ergebnisse [10].

Beim Vergleich von Osteosynthesen mit Radiuskopfprothesen bei komplexen Radiuskopffrakturen konnte ein signifikant besserer Broberg/Morrey-elbow-score aufzeigt werden, eine höhere Anzahl an sehr guten Ergebnissen und weniger Komplikationen bei Verwendung von Prothesen [9].

Die Radiuskopfresektion ist bei isolierten mehrfragmentären Frakturen ohne Begleitverletzungen zu erwägen, die nicht rekonstruierbar sind. Da jedoch Mason-III- und IV-Frakturen fast immer mit Begleitverletzungen vergesellschaftet sind, ist die Radiuskopfresektion in diesen Fällen obsolet. Insbesondere muss die funktionelle Integrität des medialen Kollateralbands sichergestellt sein. Ohne diese ist eine Radiuskopfresektion sogar als Behandlungsfehler zu werten. Durch seine Bedeutung bei der posterolateralen Stabilisierung ist die Radiuskopfresektion auch bei Begleitverletzungen des lateralen Kollateralbands und des Proc. Coronoideus kontraindiziert [33] (Abb. 1a und 1b). Durch die Bedeutung in der longitudinalen Stabilisierung des Unterarms gilt Gleiches auch bei Verletzungen der Membrana interossei sowie bei Läsionen des distalen radioulnaren Gelenks [18].

Ist bei der intraoperativen Stabilitätsprüfung des Gelenks nach Resektion des Kopfs eine laterale, mediale oder longitudinale Instabilität (Essex-Lopresti) nachweisbar, besteht zur Stabilisierung der radialen Säule somit die eindeutige Indikation zum endoprothetischen Ersatz des Radiuskopfs.

Daneben spricht bei komplexen Radiuskopffrakturen mit begleitender Instabilität das Risiko eines Osteosyntheseversagens mit Destruktion des Radiuskopfs sowie ein Malunion gegen die Osteosynthese. In diesen Fällen ist ebenso eine Prothesenimplantation angezeigt.

Allerdings können Frakturfragmente, die einer Osteosynthese nicht zugänglich sind, reseziert werden, sofern weniger als 25 % der Gelenkfläche betroffen sind. Bei größeren Defekten dagegen ist mit einer relevanten Destabilisierung des Gelenks zu rechnen.

Als Kontraindikation zur Prothesenimplantation werden floride Infekte sowie ausgeprägte chondrale Veränderungen am Capitulum angesehen.

Technik

Die Radiuskopfprothese wird üblicherweise über einen lateralen Zugang zum Gelenk implantiert. Alternativ kann bei begleitenden Frakturen der proximalen Ulna auch der Zugang durch die Fraktur gewählt werden.

Die tiefe laterale Präparation richtet sich auch nach dem begleitenden Weichgewebeschaden und dem ligamentärem Verletzungsmuster. Oftmals liegen großflächige Ablösungen der Extensoren und der posterolateralen Gelenkkapsel vor (Abb. 1c und d). Dieser traumatische Schaden wird dann für den Zugang genutzt. Bei intaktem radialen Bandapparat kann die Prothesenimplantation über einen Extensor-Split-Zugang erfolgen. Da jedoch in der Regel eine laterale Bandverletzung vorliegt und diese über den Kocher-Zugang am Besten adressiert werden kann, wird dieser am häufigsten verwendet. Nach Eröffnung der Faszie wird der feine Fettstreifen zwischen dem M. anconeus und dem Extensor carpi ulnaris identifiziert und stumpf auseinander gedrängt. Man gelangt so direkt auf die laterale Kapsel, die dann ventral des lateralen ulnaren Kollateralbands (LUCL) zusammen mit dem Lig. anulare inzidiert wird. Sofern nicht traumatisch abgelöst, wird zur besseren Exposition der Extensorenursprung am Epikondylus radialis partiell abgelöst. Sollte das LUCL intakt sein, wird dieses im Verlauf geschont. Liegt eine nicht rekonstruierbare Fraktursituation vor, werden die Kopffragmente zunächst entfernt und asserviert. Ex situ wird zur Kopfgrößenbestimmung eine Rekonstruktion angestrebt. Ein Oversizing der Prothese sollte konsequent vermieden werden. Nach Débridement des Gelenks kann im Folgenden die Therapie assoziierter Verletzungen des Proc. coronoideus von lateral erfolgen (Abb. 1c und d) [22]. Bei Defektsituationen kann ein Radiuskopffragment zum Coronoidaufbau verwendet werden.

Abhängig von dem verwendeten Prothesenmodell erfolgt die weitere Präparation am Radiusschaft mit entsprechenden Resektionslehren. Bei Verwendung von Haken am Radiushals muss der Verlauf des Ramus profundus des N. radialis bedacht werden. Nach Vorbereitung des Radiusschafts wird eine Probeprothese eingebracht. Dies ist in Extension und Supination in der Regel am einfachsten, da in dieser Stellung bei insuffizientem lateralem Bandapparat leicht eine Subluxation oder Luxation des instabilen Gelenks gelingt. Besondere Aufmerksamkeit muss der Höhenreferenzierung zur Vermeidung eines Overstuffing geschenkt werden. Eine gute anatomische Landmarke zur Prothesenhöhenbestimmung ist die dorsal gut einsehbare Kante der Incisura radialis ulnae (Abb 1d, weißer Pfeil). Die Prothese sollte mit dem proximalen Gelenkrand abschließen oder diesen maximal 1–2 mm überragen [11, 39]. Die „gefühlte“ Stabilisierung durch das Implantat darf nicht als Maßstab herangezogen werden, da durch die insuffizienten Bänder eine Aufweitung der lateralen Artikulation möglich ist. Eine radiologische Referenzierung ist ebenfalls ungenau und sollte nicht als Maßstab herangezogen werden. Nach definitiver Prothesenimplantation wird das Lig. anulare wieder verschlossen. Insbesondere bei hochgradigen longitudinalen Instabilitäten muss anschließend die Stellung des distalen Radioulnargelenks vor und nach Prothesenimplantation im Seitenvergleich kontrolliert werden. Die Refixation des in der Regel humeral traumatisch abgelösten lateralen Bandapparats erfolgt am lateralen Epikondylus radialis mittels Fadenanker oder transossär, ebenso die oftmals beobachtete, dorsal der Gelenkfläche des Capitulum gelegene Deperiostierung des Humerus. Die Extensoren werden zuletzt gegen den Epikondylus fixiert und die Faszie verschlossen. Wenn durch Osteosynthese oder Prothese der radiale Pfeiler des Ellenbogengelenks stabil rekonstruiert werden kann und keine Luxationsneigung besteht, muss der ulnare Bandapparat nicht zwingend adressiert werden [25, 41]. Der endopothetische
Ersatz des Radiuskopfs ist aber meist nur ein Einzelaspekt im Behandlungskonzept der komplexen Ellenbogengelenkverletzung [31].

Nachbehandlung

Um Spannungsblasen durch Pflasterverbände zu vermeiden, sollte der postoperative Verband lediglich mit Watte angewickelt werden. Ein Cast in 90° Flexion stellt das Gelenk ruhig und schützt vor einer akzidentiellen Belastung. Das zur physiotherapeutischen Beübung erlaubte Bewegungsausmaß hängt von dem intraoperativ bestimmten stabilen Bewegungsausmaß ab. Prinzipiell sollte nach einer operativen Therapie eine Übungsstabilität vorliegen. Generell ist frühzeitig eine aktive Physiotherapie sinnvoll, da hierdurch die dynamischen Stabilisatoren (Extensoren und Flexoren des Ellenbogengelenks) zusätzlich zur Zentrierung des Gelenks beitragen. Moderne Nachbehandlungsprotokolle wie das „overhead protocol“ sollten konsequent angewandt werden [35].

Die Nachbehandlung mit einer Bewegungsorthese dient weniger der Stabilisierung gegen Varus-Valgus-Belastungen als vielmehr einer Limitation der endgradigen Bewegungsausschläge. Mit dem Ziel einer knöchernen Integration des Prothesenschafts und suffizienter Heilung der ligamentären Strukturen ist für 6 Wochen nach Prothesenimplantation eine funktionelle Behandlung ohne Belastung einzuhalten.

Ergebnisse und
Komplikationen

Aktuelle klinische Nachuntersuchungen konnten in 68–97 % der Patienten gute und sehr gute Ergebnisse feststellen [1, 5, 9, 15, 21, 23, 28, 30]. Ein relevanter Unterschied zwischen den verschiedenen Prothesenmodellen und Verankerungsphilosophien konnte in den bisherigen Studien (mit kleineren Fallzahlen) allerdings nicht nachgewiesen werden. Dabei müssen jedoch neben den kleinen Fallzahlen auch die kurzen Nachuntersuchungszeiträume bis maximal 10 Jahre angemerkt werden. Komplikationen im Langzeitverlauf lassen sich somit kaum abschätzen. Endgradige Bewegungseinschränkungen (10–15° Extensions- und Flexionsdefizit) werden nahezu regelhaft vorgefunden und sollten nicht als Komplikation betrachtet werden. In kurz- bis mittelfristigen Nachuntersuchungen finden sich Komplikationen nach primärer Radiuskopfendoprothetik in bis zu 40 % der Fälle, wobei operative Revisionen bei bis zu 26 % der Patienten beschrieben [12, 13, 16, 24, 32] werden.

Oversizing und Overstuffing stellen die häufigsten und vermeidbaren Komplikationen nach Radiuskopfersatz dar (Abb. 2a). Durch inhomogene Druckverteilung und die veränderte Gelenkkinematik kann dies zu Capitulumarrosionen, einer frühzeitigen Arthroseentwicklung, Bewegungseinschränkungen sowie höherem Risiko für prothesenassoziierte mechanische Komplikationen wie Lockerung oder Prothesendissoziation führen [4, 27, 34, 36, 37, 38, 40]. Van Riet detektierte in 24 % der Fälle ein Overstuffing als Grund für eine Prothesenkomplikation. In 36 % dieser Fälle kam es dabei zu signifikanten Arrosionen des Capitulums [38].

Heterotope Ossifikationen werden in bis zu 41 % der Patienten beobachtet, wobei diese bei lediglich 15 % der Fälle bewegungslimitierend waren [27].

Eine Dissoziation des Kopf-Schaft-Anteils oder ein Bruch der Prothese wird in bis zu 6 % beschrieben [30, 38]. Da eine persistiernde posterolaterale Instabilität zu einer exzentrischen Krafteinleitung auf die Prothese führt und eine Dislokation begünstigt, muss eine stabile Ligamentrekonstruktion zwingend erfolgen [6, 8].

Periprothetische Lysesäume, Lockerungen und Knochenresorption am proximalen Prothesenkragen werden in einem hohen Prozentsatz von bis zu 72 % beobachtet [12, 15, 27]. Die klinische Relevanz ist allerdings fraglich, da nicht zwingend eine klinische Beschwerdesymptomatik vorliegt [5, 12, 14, 27]. Die Resorptionszonen am Prothesenkragen werden einem Stress-Shielding zugeschrieben [7]. Diese sind in der Regel ebenfalls klinisch inapparent, können jedoch den Prothesenschaft inhomogenen Belastungen aussetzten, was in der Folge zu Prothesenbrüchen führen kann (Abb. 2b).

Zusammenfassung

Nicht rekonstruierbare Frakturen des Radiuskopfs sind regelhaft mit destabilisierenden Begleitverletzungen vergesellschaftet. Chronische Instabilitäten und eine rapide Progression in eine humeroulnare Arthrose machen die Radiuskopfresektion bei akutem Trauma daher nahezu obsolet. Demgegenüber ermöglicht der endoprothetische Ersatz des Radiuskopfs mit hoher Sicherheit eine gute Wiederherstellung einer stabilen und schmerzfreien Gelenkfunktion. Eine lebenslange Belastungslimitation ist im Gegensatz zur Totalendoprothese des Ellenbogens nicht zwingend erforderlich, sodass der Radiuskopfersatz auch für den jüngeren Patienten infrage kommt, wenn auch unter einer strikten Indikationsstellung. Um ein gutes Langzeitergebnis zu erzielen, ist insbesondere ein Overstuffing zu vermeiden und eine exakte ligamentäre Rekonstruktion zwingend durchzuführen.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Kay Schmidt-Horlohé

Praxis für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Zentrum für Ellenbogenchirurgie

Friedrichstraße 29

65185 Wiesbaden

schmidt-horlohe@orthopaedicum-
wiesbaden.de

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