Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Regulation und Erstattung zellbasierter Therapien
Innovationsbremse oder Qualitätsförderung?Innovation brake or improvement of quality?

Christoph Gaissmaier1, Kristin Schindler1, André Roeder1, Klaus Maleck1

Zusammenfassung: Insbesondere größere, nicht oder falsch behandelte fokale artikuläre Knorpelschäden erhöhen signifikant das Arthroserisiko. Die matrixassoziierte autologe Chondrozyten-Implantation (ACI-M) weist in der operativen Behandlung solcher Defekte die derzeit beste Evidenz auf. ACI-M Produkte sind als ATMP klassifiziert und müssen ein zentralisiertes europäisches Genehmigungsverfahren durchlaufen, um die EU-weite Verkehrsfähigkeit zu erlangen. Gleichzeitig sieht der Gesetzgeber auf nationaler Ebene eine Ausnahmeregelung vor, die in der BRD nach § 4b AMG vom Paul-Ehrlich-Institut erteilt wird. §-4b-genehmigte Produkte sind in Deutschland vollumfänglich verkehrsfähig. Vom G-BA wurde die ACI-M als Methode eingestuft, die entsprechend der bestehenden Rechtslage im Krankenhaus zu erstatten ist.

Schlüsselwörter: Knorpelschaden, autologe Chondrozyten-
Implantation, Arthrose, Evidenz, §-4b-Genehmigung,
Kostenerstattung

Zitierweise
Gaissmaier C, Schindler K, Roeder A, Maleck K: Regulation und
Erstattung zellbasierter Therapien. Innovationsbremse oder
Qualitätsförderung?
OUP 2018; 7: 589–603 DOI 10.3238/oup.2018.0589–0603

Summary: Especially larger, untreated or incorrectly treated localized articular cartilage defects significantly increase the risk to develop osteoarthritis. Matrix-assisted autologous chondrocyte implantation (ACI-M) has shown to be the most reliable cartilage repair procedure for these indications based on the best available evidence. From a regulatory point of view, the ACI-M products are classified as an ATMP and must undergo a centralized European approval process in order to gain EU-wide marketability. At the same time, the legislator provides for a derogation at national level. For Germany, there is a § 4b AMG approval, which is issued by the Paul-Ehrlich-Institute and thus makes § 4b-approved products fully accessible to the domestic patients. The G-BA has classified the ACI-M as a method, which has to be reimbursed in accordance with the existing legal situation in the hospitals under the German DRG system.

Keywords: cartilage defect, autologous chondrocyte implantation, osteoarthritis, evidence, hospital exemption,
reimbursement

Citation
Gaissmaier C, Schindler K, Roeder A, Maleck K: Regulation and
reimbursement of cell therapies. Innovation brake or improvement of quality? OUP 2018; 7: 589–603 DOI 10.3238/oup.2018.0589–0603

1 TETEC – Tissue Engineering Technologies AG, Reutlingen

Einleitung

Lokalisierte, artikuläre Knorpel- oder Knorpel-Knochen-Schäden entstehen durch unterschiedliche Ursachen. Die hiermit verbundenen Beschwerden und die Einschränkung der Lebensqualität sind oft ähnlich groß wie bei Patienten mit Arthrose, bei denen ein künstliches Gelenk implantiert werden muss [20]. Auch nimmt das resultierende Arthroserisiko eines zunächst fokalen Knorpelschadens ab einer Größe von 2 cm2 signifikant zu, sofern der Defekt nicht oder falsch behandelt wird [24]. Dies zeigt auch eine größere, kürzlich veröffentlichte klinische Studie zum Kniegelenk, bei der nach 15 Jahren bei 26 % und nach 30 Jahren bei 70 % der Patienten eine Arthrose festgestellt wurde (Ø Alter bei Diagnose des Knorpelschadens: 26,1 Jahre) [26]. Ähnliche Daten existieren für die Hüfte [16].

Aus Untersuchungen ist weiter bekannt, dass bis zu 57 % der Patienten nach Implantation einer Knieprothese nicht vollständig schmerz- und beschwerdefrei werden. Auch ist bei Patienten unter dem 60. Lebensjahr die frühe Versagenswahrscheinlichkeit einer primären Knie- oder Hüftprothese signifikant höher als bei älteren Patienten, weshalb im weiteren Verlauf häufig Wechseloperationen erforderlich werden, die bei jüngeren Patienten dann ebenfalls mit höheren Versagensquoten und allen hiermit zusammenhängenden Risiken und Kosten des großen Revisionseingriffs verbunden sind. Der frühe Einsatz der Endoprothetik wird daher nicht nur aus klinischen Gründen zunehmend kritisch gesehen und sollte soweit wie möglich auch verhindert werden [2, 24].

Gemäß den Ergebnissen neuerer klinischer Studien kann die rechtzeitige biologische Rekonstruktion relevanter Knorpel- oder Knorpel-Knochen-Schäden einen signifikanten Beitrag hierzu leisten [4, 12, 22, 26].

Bestverfügbare Evidenz der autologen Chondrozyten-
Implantation (ACI)
im Knie- und Hüftgelenk

Für das Kniegelenk konnte in klinischen Studien, darunter solche mit höchstem Evidenzniveau, gezeigt werden, dass zwischen den Ergebnissen einer matrixassoziierten Implantation autologer Chondrozyten (ACI-M), den knochenmarkstimulierenden Techniken oder auch dem osteochondralen Transfer, insbesondere bei größeren Defekten und nach längeren Verlaufszeiten, nicht nur statistisch signifikante, sondern auch klinisch relevante Ergebnisunterschiede bestehen [1, 3, 7, 9, 10, 24, 25, 27, 29].

Im Gegensatz zu knochenmarkstimulierenden Techniken wie der Mikrofrakturierung (MFx), entsteht nach ACI-M meist ein Knorpelgewebe, das nach einer gewissen Reifungszeit hyaline Eigenschaften aufweist [8, 13, 24]. In einer Metaanalyse klinischer Studien wurde eine signifikante Korrelation zwischen guten klinischen und histologischen Befunden festgestellt, wobei die schlechtesten histologischen Ergebnisse nach MFx gefunden wurden [13]. Ähnliche Zusammenhänge wurden auch von anderen Autoren und nicht nur für das Kniegelenk beschrieben [11, 21]. In einer erst kürzlich veröffentlichten Untersuchung zu Versorgungsdaten in den USA nach MFx, autologer Chondrozyten-Implantation (ACI) und osteochondralem Transfer wurde nach 2 Jahren eine signifikant höhere Prothesenrate (p < 0,0001) für MFx-behandelte Patienten festgestellt [17].

Aufgrund dessen wird die ACI – vor allem matrixgekoppelt und unter Berücksichtigung bestimmter Ein- und Ausschlusskriterien – mittlerweile von vielen Autoren und Fachgesellschaften ab einer Defektgröße von 2–4 cm2 als primäres Behandlungsverfahren für lokalisiert vollschichtige und klinisch symptomatische Knorpelschäden des Kniegelenks empfohlen [5, 24]. Das bedeutet auch, dass sie für diese Indikationen nicht nur von einzelnen Ärzten, sondern von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute und -kreise als Therapie der Wahl angesehen wird und sie somit auch den Anspruch als geeignetes Behandlungsverfahren gemäß dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse erfüllt.

Ferner sollte noch erwähnt werden, dass die ACI-M für diese Indikationen von verschiedenen Autoren (darunter NICE, National Institute for Health and Care Excellence) nach Evidenzbewertung und Kosten-Wirksamkeits-Analysen auch als wirtschaftlich eingestuft wurde [23, 24], wobei in den Berechnungen der NICE ein Implantatpreis verwendet wurde, der das ca. Dreifache beträgt, was derzeit in der BRD dafür vorgesehen ist.

Im Vergleich zum Kniegelenk ist die Evidenzlage im Hüftgelenk zu den bereits erwähnten Verfahren der Knorpeldefektsanierung bisher weniger gut untersucht. Dennoch existieren zunehmend Hinweise darauf, dass die für das Kniegelenk beschriebenen Defizite der knochenmarkstimulierenden Techniken auch im Hüftgelenk bestehen. So wurden in einer prospektiven Studie zum Vergleich von MFx (n = 16) und ACI-M (n = 21) nach einem Jahr im MOCART-Score signifikant bessere Ergebnisse (p ? 0,001) für Patienten nach ACI-M festgestellt [19]. Im 3-Jahres-Verlauf mussten 4 Patienten nach MFx wegen eines Therapieversagens mit einem künstlichen Hüftgelenk versorgt werden (3 Patienten der MFx-Gruppe stehen für die 3-Jahres-Untersuchung noch aus), in der ACI-M-Gruppe aus diesem Grund bisher noch keiner. Bei umschriebenen und vollschichtigen Knorpelschäden ab 1,5–2 cm2 stellt die ACI-M im Hüftgelenk vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Datenlage das zu bevorzugende Therapieverfahren dar, sofern keine wesentliche Gelenkdegeneration besteht [16].

Die ACI wurde Anfang der 90er-Jahre erstmals in Schweden beim Menschen angewendet [6]. Im Laufe der Zeit wurde sie als knorpelregenerative Methode weiterentwickelt, verbessert und hat sich als Methode der Wahl bei größeren umschriebenen Knorpeldefekten etabliert [5, 24]. Zu Beginn dieser Entwicklung existierten allein in Deutschland mindestens 7 Firmen mit jeweils unterschiedlichen ACI-Produkten, für deren Herstellung und Verkehrsfähigkeit in den meisten EU-Ländern eine Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG erforderlich war.

Regulatorische Vorgaben

Von der Europäischen Kommission wurden die ACI-M-Produkte dann den sogenannten „Arzneimitteln für neuartige Therapien“ (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMPs) zugeordnet, was in der Folge zu erheblichen regulatorischen Auflagen geführt hat, verbunden mit einem hohen finanziellen und personellen Aufwand, selbst für bereits schon im Markt befindliche Chondrozytenpräparate. Viele der anfänglich verfügbaren ACI-M-Produkte sind aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder vom Markt verschwunden.

Um die EU-weite Verkehrsfähigkeit zu erlangen, ist gemäß der zum 01.01.2013 in Kraft getretenen Verordnung 1394/2007/EG ein zentralisiertes europäisches Genehmigungsverfahren durchzuführen. Artikel 28 der Verordnung sieht jedoch eine Ausnahmeregelung vor, auf deren Basis die einzelnen Mitgliedstaaten der EU ein ATMP auch auf nationaler Ebene genehmigen können. Im Rahmen der 15. Novelle des AMG (Arzneimittelgesetz) wurde mit § 4b Abs. 3 AMG eine entsprechende Regelung für Deutschland eingeführt.

Eine §-4b-Genehmigung kann u.a. nur dann erteilt werden, wenn das ATMP dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, die vorgesehene Funktion erfüllt und sein Nutzen-Risiko-Verhältnis günstig ist, d.h., wenn auch die erforderlichen Anforderungen zur Qualität und Sicherheit erfüllt sind. Eine entsprechende Überprüfung dieser Anforderungen im Sinne des öffentlichen Gesundheitsschutzes erfolgt vor Erteilung einer §-4b-Genehmigung durch das Paul-Ehrlich-Institut, der hierfür zuständigen Bundesoberbehörde.

Die auf EU-Ebene auch als „Hospital Exemption“ bezeichnete Ausnahmeregelung wurde dazu geschaffen, um die Entwicklung von Innovationen zu fördern und um diese den Patienten möglichst schnell zur Verfügung stellen zu können. In Deutschland befinden sich nach § 4b genehmigte genauso wie zentral genehmigte ATMPs rechtmäßig in Verkehr. Eine in diesem Zusammenhang manchmal fälschlicherweise vorgenommene Differenzierung, wonach für § 4b AMG genehmigte ACI-M-Produkte „nur“ eine Genehmigung, jedoch keine Zulassung erteilt wurde, führt zu falschen Schlussfolgerungen, da die zentrale europäische Zulassung entsprechend der EU-Verordnung (EG) Nr. 726/2004 dem Gesetzeswortlaut nach auch „nur“ eine Genehmigung ist.

Ferner ist noch anzumerken, dass die meisten der derzeit nach § 4b genehmigten ACI-M-Produkte auch ein zentrales Genehmigungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur mit entsprechenden Zulassungsstudien durchlaufen. So wurde z.B. für das Produkt Novocart 3D die weltweit größte prospektiv randomisierte Zulassungsstudie gegen MFx mit 263 Patienten durchgeführt.

Neben den Vorgaben für das Inverkehrbringen wurden vom Gesetzgeber auch umfangreiche Auflagen für die Gewebeentnahme zur Herstellung eines ATMP gemacht. Hierzu gehören vertragliche Vereinbarungen zwischen Kliniken und Hersteller zur Verantwortungsabgrenzung, Verwendung qualifizierter OP-Säle und Materialien (z.B. OP-Instrumente) sowie validierter Entnahmemethoden.

Auch müssen in den entnehmenden Stellen verantwortliche Ärzte nach TPG (Transplantationsgesetz) benannt werden, Standardarbeitsanweisungen und Hygienepläne zur Gewebeentnahme erstellt werden, Schulungen von Ärzten und assistierendem Personal, GMP-Überwachungen von Kühl- und Gefrierschränken und regelmäßige Audits durch die Hersteller in den Kliniken durchgeführt werden.

Die behördliche Überwachung ist dabei föderal geregelt, d.h., dass hierzu keine einheitlichen Vorgaben von einer Stelle existieren, sondern teils deutlich unterschiedliche Gesetzesinterpretationen von den regional jeweils zuständigen Landesbehörden vorgenommen werden. Insgesamt ist hiermit ein erheblicher personeller, finanzieller und auch bürokratischer Aufwand für die Kliniken und Hersteller verbunden, die einen negativen Einfluss auf die Versorgungssituation betroffener Bevölkerungsteile in Bezug auf neuartige Therapien haben können.

Rechtsgrundlagen
der Kostenerstattung

Seit Ende 2006 wird die ACI zulasten der GKV außerhalb von klinischen Studien erstattet und beschäftigt den G-BA bzw. dessen Vorgängerinstitution schon seit 20 Jahren. Mittlerweile ist die Methode in ihrer matrixassoziierten Form fester Bestandteil des G-DRG-Systems. Anfänglich noch über NUB-Anträge weniger Krankenhäuser ins System gelangt, wurde aus dem erstmals 2007 im Fallpauschalenkatalog des InEK hinterlegten krankenhausindividuellen Zusatzentgelt für die ACI-M (ZE2007-47) im Jahr 2011 ein bewertetes, d.h. bundesweit einheitliches Zusatzentgelt (ZE 126). Dieses ergänzt die über die Fallpauschalen für die Biopsatentnahme und Zellimplantation nicht abbildbaren zusätzlichen Kosten der Produktentwicklung und -herstellung bis dato noch nicht hinlänglich, da z.B. die Kosten der Hersteller für international durchgeführte bzw. laufende multizentrische, randomisierte klinische Prüfungen dabei nicht eingepreist wurden. Dennoch entwickeln sich das ZE 126 und auch die G-DRG-Gesamterlöse mit Ausnahme weniger Plateaus durchweg positiv, sodass Anwender neben dem medizinisch nachgewiesenen Nutzen für ihre Patienten über die Leistung ACI-M auch einen positiven Deckungsbeitrag für ihre Träger erwirtschaften können.

Im Krankenhausbereich gilt der gesetzliche Grundsatz der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, d.h., im Krankenhaus dürfen Methoden grundsätzlich gemäß § 137c Abs. 3 SGB V erbracht werden, solange deren Erbringung nicht durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verboten wurde. Methoden dürfen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen eingesetzt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten.

Es ist somit durch den im Jahr 2015 eingeführten § 137c Abs. 3 SGB V einerseits klargestellt, dass auch im stationären Bereich vor dem Verbot einer Methode durch den G-BA gemäß § 137c Abs. 1 SGB V nicht „alles erlaubt ist“, da nur Methoden eingesetzt werden dürfen, die über das entsprechende Potenzial verfügen. Andererseits ist auch geklärt, welcher Qualitätsmaßstab anzulegen ist. Ein Ausschluss einer Methode kann daher nur erfolgen, wenn sie nicht einmal das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative aufweist. Hierin ist eine Modifikation des allgemeinen Qualitätsgebots § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V zu sehen. Es ist somit im Sinne der gesetzlich vorgesehenen Innovationsförderung sogar ein niedrigerer Maßstab anzulegen als die Forderung nach bereits allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse.

Im Gegensatz zu vielen anderen Methoden hat sich der G-BA schon frühzeitig und mehrfach mit der ACI und ACI-M sowohl für den ambulanten als auch den stationären Bereich beschäftigt und zur Beschlussfassung umfassende Erkenntnisquellen herangezogen. Er qualifiziert die ACI als „Methode“ i.S.d. §§ 135, 137c SGB V. Der G-BA hat das Verfahren gemäß § 137c SGB V in Bezug auf die Anwendung am Kniegelenk im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ausgesetzt und zusätzlich einen Beschluss über Maßnahmen zur Qualitätssicherung erlassen, in dem festgelegt wurde, unter welchen Bedingungen die ACI-M während der im Aussetzungsbeschluss festgelegten Frist zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden darf. Die Beschlüsse gelten bis zum 31.12.2019.

In Bezug auf die Anwendung der ACI-M im Knie (oder auch Hüftgelenk) gibt es folglich keinen negativen, die Anwendung ausschließenden Beschluss, sondern mit dem Aussetzungsbeschluss und dem Beschluss über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei ACI-M am Kniegelenk 2 Beschlüsse, die die Anwendbarkeit der ACI-M am Kniegelenk zulasten der GKV ausdrücklich positiv bewerten. Eine nach § 4b AMG genehmigte ACI-M erfüllt daher alle grundsätzlichen Voraussetzungen des § 137c SGB V, weshalb eine Anwendung im Krankenhaus auf Kosten der GKV erfolgen kann.

Selbst wenn man für nach § 4b genehmigte ACI-M-Produkte den Maßstab des allgemeinen Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V anlegen würde, was angesichts § 137c Abs. 3 SGB V nicht der richtige Prüfmaßstab ist, käme man zu dem Ergebnis, dass sie erstattungsfähig sind, da sie nach den Grundsätzen der evidenzbasierten
Medizin und unter Berücksichtigung der vom BSG entwickelten Anforderungen bereits jetzt dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gem. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprechen, da die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode
befürwortet und daher über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht.

Zudem stellt die ACI-M i.S.d. § 137c Abs. 3 SGB V eine im Versorgungalltag wichtige und erforderliche Behandlungsalternative dar, da z.B. auch Unterschiede zu herkömmlichen Behandlungsverfahren mit klinischer Relevanz bestehen.

Aufgrund der gesetzlichen Systematik des Grundsatzes der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt gemäß § 137c Abs. 1 SGB V und der vom Gesetzgeber beabsichtigten Innovationsförderung obliegt die abschließende Prüfung dem G-BA, ob eine im Krankenhaus angewandte NUB-Methode die vom Gesetz geforderten Qualitätsstandards erfüllt. Durch den Richtlinienerlass setzt der G-BA – vergleichbar einem Normgeber – verbindlich Recht gegenüber allen an der Gesundheitsversorgung Beteiligten. Die Richtlinien und Beschlüsse des G-BA, so auch der Aussetzungsbeschluss in Bezug auf die Anwendung der ACI-M am Kniegelenk sowie die sich daraus ergebende Rechtsfolge, dass die ACI-M am Kniegelenk im Rahmen der Beschlüsse erstattungsfähig ist, sind daher von allen Beteiligten und damit auch vom MDK und den Krankenassen zu beachten.

Ähnliches gilt für die ACI-M im Hüftgelenk, da hierzu kein negativer, die Anwendung ausschließender Beschluss des G-BA besteht. Es steht dem MDK nicht zu, eine generelle Methodenbewertung vorzunehmen oder gegen wirksame G-BA-Beschlüsse der ACI-M die Erstattungsfähigkeit abzusprechen. Die Prüfkompetenz des MDK beschränkt sich im Rahmen des § 137c Abs. 3 SGB V bei bereits vorliegenden Beschlüssen des G-BA auf die Prüfung der patienten- und leistungserbringerbezogenen Voraussetzungen im konkreten Einzelfall.

Gesetzlich Versicherte haben daher, wenn der Einsatz der ACI-M im Rahmen einer Krankenhausbehandlung in ihrem individuellen Behandlungsfall aus ärztlicher Sicht medizinisch notwendig und indiziert ist, einen Anspruch auf den Einsatz der ACI-M, sofern eine verkehrsfähige Form Anwendung findet und die Methode gemäß § 137c Abs. 3 SGB V i.V.m. den genannten Beschlüssen des G-BA aktuell zum regulären Leistungsspektrum der GKV gehört. Entsprechend haben Krankenhäuser, die die ACI-M unter Beachtung aller Anforderungen des §137c Abs. 3 SGB V sowie unter Beachtung der vom G-BA festgesetzten Qualitätskriterien einsetzen, einen Anspruch auf Bezahlung der durchgeführten Behandlung gegenüber den Krankenkassen. Die hier vorgestellten Bewertungen wurden aus einem Rechtsgutachten der Kanzlei Voelker und Partner in Reutlingen zusammengefasst. Zu gleicher Rechtsauffassung kommen z.B. auch die Landeskrankenhausgesellschaften von Berlin (260/2018), Brandenburg (235/2018), Schleswig Holstein (173/2018) und Bayern (32/2018).

Diskussion

Die ACI-M gilt mittlerweile als Methode, die selbst bei größeren Knorpelschäden und schwierigen Indikationen anhaltend relevante Beschwerdereduktion ermöglicht und die den frühzeitigen Gelenkersatz verhindern oder zumindest deutlich verzögern kann [4, 12, 22, 30]. Im Vergleich zur ersten Generation, bei der noch ein Periostlappen zur Defektabdeckung verwendet wurde, weist die matrixassoziierte ACI besonders bei minimalinvasiver Anwendung geringere Komplikations-, Versagens- und Reoperationsraten, kürzere Rehabilitationszeiten und bessere histologische und klinische Ergebnisse auf [10, 18, 25, 28, 30]. Vom G-BA wurde die ACI-M als Methode eingestuft, die, wie begründet, entsprechend der bestehenden Rechtslage im Krankenhaus zu erstatten ist, sofern die o.g. Anforderungen erfüllt sind, wobei dies auch für ein nach § 4b genehmigtes ACI-M-Produkt gilt.

Wie bereits im Jahr 2006 in einer gemeinsamen Stellungnahme der DGU und DGOOC zum damaligen EU-Kommissionsentwurf „Advanced Therapies“ beschrieben, kommt dem Zugang zu sicheren, verbesserten und finanzierbaren Therapieverfahren eine große Bedeutung in der medizinischen Versorgung zu [14]. Die Durchführung prospektiv randomisierter Studien ist daher zu begrüßen und hat in letzter Zeit in Verbindung mit Langzeitergebnissen zu den unterschiedlichen Methoden der operativen Knorpeldefektsanierung zu einer deutlichen Verbesserung der Evidenzlage geführt, insbesondere auch indikationsabhängig. Insofern haben die Vorgaben der EU-Kommission bei der Versorgung fokaler Knorpelschäden in einer qualitätsfördernden Wirkung resultiert.

Im Gegensatz hierzu ist die in manchen Bereichen bestehende arzneimittelrechtliche Überregulierung wenig hilfreich. Diese hat zu erheblichen bürokratischen Hürden und Kosten geführt, ohne dass hierdurch eine Verbesserung von Qualität oder Sicherheit für Patienten eingetreten ist. Diesbezüglich sind in erster Linie die bereits beschriebenen, unverhältnismäßigen Vorgaben zur Entnahme und Gewinnung von autologem Gewebe zu nennen, deren Problematik und Folgen in der gemeinsamen Stellungnahme von DGU und DGOOC im Jahr 2006 beschrieben und prognostiziert wurden und die auch genauso eingetreten sind. Eine bundesweite Harmonisierung und Entbürokratisierung dieser Vorgaben ist daher dringend zu empfehlen [14].

Die zentrale Genehmigung eines ATMP ist ausschließlich an die in den Zulassungsstudien untersuchten Indikationen gebunden. Für Patienten bedeutet dies, dass unter diesen Bedingungen nur Knorpelschäden des Kniegelenks mit einer ACI-M behandelt werden können, da Zulassungsstudien für andere Gelenke, wie auch der Hüfte, aus verschiedenen Gründen noch nicht existieren.

In der Fachliteratur besteht jedoch Konsens darüber, dass unabhängig vom Gelenk das Ziel einer biologischen Knorpelrekonstruktion die Wiederherstellung eines Knorpelgewebes sein sollte, das in seiner Zusammensetzung, Struktur und Funktion dem gesunden hyalinen Knorpel möglichst nahekommt [15, 16, 25].

So wurde wie erwähnt, nicht nur im Knie-, sondern auch im Hüftgelenk nach MFx im Vergleich zur ACI-M eine höhere Prothesenrate festgestellt. Auch daher ist eine §-4b-Genehmigung für die Versorgungsqualität von großer Bedeutung, da fokale Knorpelschäden des Hüft- oder auch Sprunggelenks ansonsten nicht mehr mit einer ACI-M versorgt werden könnten. Dies wäre zum einen eine Entwicklung, die vom Gesetzgeber explizit nicht gewollt ist, zum anderen wäre sie auch aus ethischen Gründen als äußerst fragwürdig zu beurteilen.

Interessenkonflikt: Christoph Gaissmaier (CG) und Klaus Maleck sind Vorstände der Tetec AG (einem Unternehmen zur Entwicklung und Herstellung von biologischem Gewebeersatz). CG besitzt Aktien der Tetec, und alle vier Autoren beziehen Gehaltszahlungen vom Unternehmen. Die Tetec AG war und ist an Drittmittel-geförderten Projekten zur Entwicklung neuer Verfahren der Knorpel- und Bandscheibenregeneration beteiligt.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Christoph Gaissmaier

Tetec – Tissue Engineering
Technologies AG

Aspenhaustraße 18

72770 Reutlingen

christoph.gaissmaier@tetec-ag.de

Literatur

1. Basad E, Ishaque B, Bachmann G, Stürz H, Steinmeyer J: Matrix-induced autologous chondrocyte implantation versus microfracture in the treatment of cartilage defects of the knee: a 2-year randomised study. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2010; 18: 519–27

2. Bayliss LE, Culliford D, Monk AP et al.: The effect of patient age at intervention on risk of implant revision after total replacement of the hip or knee: a population-based cohort study. Lancet 2017; 389: 1424–30

3. Bentley G, Biant LC, Vijayan S, Macmull S, Skinner JA, Carrington RW: Minimum ten-year results of a prospective randomised study of autologous chondrocyte implantation versus mosaicplasty for symptomatic articular cartilage lesions of the knee. Bone Joint Surg Br 2012; 94: 504–9

4. Biant LC, Bentley G, Vijayan S, Skinner JA, Carrington RW: Long-term results of autologous chondrocyte implantation in the knee for chronic chondral and osteochondral defects. Am J Sports Med 2014; 42: 2178–83

5. Biant LC, McNicholas MJ, Sprowson AP, Spalding T: The surgical management of symptomatic articular cartilage defects of the knee: Consensus statements from United Kingdom knee surgeons. Knee 2015; pii: S0968–0160 (15)00129–5

6. Brittberg M, Lindahl A, Nilsson A, Ohlsson C, Isaksson O, Peterson L: Treatment of deep cartilage defects in the knee with autologous chondrocyte transplantation. N Engl J Med 1994; 331: 889–95

7. Brittberg M, Recker D, Ilgenfritz J, Saris DBF: SUMMIT Extension Study Group. Matrix-applied characterized autologous cultured chondrocytes versus microfracture: Five-year follow-up of a prospective randomized trial. Am J Sports Med 2018; 46: 1343–51

8. Brun P, Dickinson SC, Zavan B, Cortivo R, Hollander AP, Abatangelo G: Characteristics of repair tissue in second-look and third-look biopsies from patients treated with engineered cartilage: relationship to symptomatology and time after implantation. Arthritis Res Ther 2008; 10: R132

9. Crawford DC, DeBerardino TM, Williams RJ 3rd: NeoCart, an autologous cartilage tissue implant, compared with microfracture for treatment of distal femoral cartilage lesions: an FDA phase-II prospective, randomized clinical trial after two years. J Bone Joint Surg Am 2012; 94: 979–89

10. Deng Z, Jin J, Zhao J, Xu H: Cartilage defect treatments: with or without cells? Mesenchymal stem cells or chondrocytes? Traditional or matrix-assisted? A systematic review and meta-analyses. Stem Cells Int 2016; 2016: 9201492

11. Desando G, Bartolotti I, Vannini F et al.: Repair potential of matrix-induced bone marrow aspirate concentrate and matrix-induced autologous chondrocyte implantation for talar osteochondral repair: patterns of some catabolic, inflammatory, and pain mediators. Cartilage 2017; 8: 50–60

12. de Windt TS, Vonk LA, Brittberg M, Saris DB: Treatment and prevention of (early) osteoarthritis using articular cartilage repair-fact or fiction? A systematic review. Cartilage 2013; 4 (3 Suppl): 5S–12S

13. DiBartola AC, Everhart JS, Magnussen RA et al.: Correlation between histological outcome and surgical cartilage repair technique in the knee: A meta-analysis. Knee 2016; 23: 344–9

14. EU-Kommissionsentwurf „Advanced Therapies“. Gemeinsame Stellungnahme der DGU und DGOOC. Orthopädie Mitteilungen 2006; 4: 323–6

15. Feldman MD: Editorial Commentary: All that glitters is not gold. Arthroscopy 2016; 32: 348–9

16. Fickert S, Aurich M, Albrecht D et al.: Biologische Rekonstruktion lokalisiert vollschichtiger Knorpelschäden des Hüftgelenks: Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Geweberegeneration“ der DGOU und des Hüftkomitees der AGA. Z Orthop Unfall 2017; 155: 670–82

17. Frank RM, McCormick F, Rosas S et al.: Reoperation rates after cartilage restoration procedures in the knee: analysis of a large US commercial database. Am J Orthop (Belle Mead NJ) 2018; 47

18. Harris JD, Siston RA, Brophy RH, Lattermann C, Carey JL, Flanigan DC: Failures, re-operations, and complications after autologous chondrocyte implantation – a systematic review. Osteoarthritis Cartilage 2011; 19: 779–91

19. Haubold H, Theysohn J, Geis C et al.: 3T-MRT zur Verlaufsbeurteilung nach hüftgelenkserhaltender Knorpeltherapie – Vergleich zwischen autologer Chondrozytentransplantation und Mikrofrakturierung. Fortschr Röntgenstr 2017; 189: S1–S124

20. Heir S, Nerhus TK, Røtterud JH et al.: Focal cartilage defects in the knee impair quality of life as much as severe osteoarthritis. Am J Sports Med 2010; 38: 231–7

21. Henderson I, Lavigne P, Valenzuela H, Oakes B: Autologous chondrocyte implantation: superior biologic properties of hyaline cartilage repairs. Clin Orthop Relat Res 2007; 455: 253–61

22. Minas T, Ogura T, Headrick J, Bryant T: Autologous chondrocyte implantation “sandwich“ technique compared with autologous bone grafting for deep osteochondral lesions in the knee. Am J Sports Med 2018; 46: 322–32

23. Mistry H, Connock M, Pink J et al.: Autologous chondrocyte implantation in the knee: systematic review and economic evaluation. Health Technol Assess 2017; 21: 1–294

24. Niemeyer P, Albrecht D, Andereya S et al.: Autologous chondrocyte implantation (ACI) for cartilage defects of the knee: a guideline by the working group “clinical tissue regeneration“ of the german society of orthopaedics and trauma (DGOU). Knee 2016; 23: 426–35

25. Riboh JC, Cvetanovich GL, Cole BJ, Yanke AB: Comparative efficacy of cartilage repair procedures in the knee: a network meta-analysis. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017; 25: 3786–99

26. Sanders TL, Pareek A, Obey MR et al.: High rate of osteoarthritis after osteochondritis dissecans fragment excision compared with surgical restoration at a mean 16-year follow-up. Am J Sports Med 2017; 45: 1799–805

27. Saris D, Price A, Widuchowski W et al.: SUMMIT study group. Matrix-applied characterized autologous cultured chondrocytes versus microfracture: two-year follow-up of a prospective randomized trial. Am J Sports Med 2014; 42: 1384–94

28. Welch T, Mandelbaum B, Tom M: Autologous chondrocyte implantation: past, present, and future. Sports Med Arthrosc 2016; 24: 85–91

29. Wylie JD, Hartley MK, Kapron AL, Aoki SK, Maak TG: What is the effect of matrices on cartilage repair? A systematic review. Clin Orthop Relat Res 2015; 473: 1673–82

30. Zhang C, Cai YZ, Lin XJ: Autologous chondrocyte implantation: Is it likely to become a saviour of large-sized and full-thickness cartilage defect in young adult knee? Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2016; 24: 1643–50

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5