Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Regulation und Erstattung zellbasierter Therapien
Innovationsbremse oder Qualitätsförderung?Innovation brake or improvement of quality?

Im Krankenhausbereich gilt der gesetzliche Grundsatz der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, d.h., im Krankenhaus dürfen Methoden grundsätzlich gemäß § 137c Abs. 3 SGB V erbracht werden, solange deren Erbringung nicht durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verboten wurde. Methoden dürfen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen eingesetzt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten.

Es ist somit durch den im Jahr 2015 eingeführten § 137c Abs. 3 SGB V einerseits klargestellt, dass auch im stationären Bereich vor dem Verbot einer Methode durch den G-BA gemäß § 137c Abs. 1 SGB V nicht „alles erlaubt ist“, da nur Methoden eingesetzt werden dürfen, die über das entsprechende Potenzial verfügen. Andererseits ist auch geklärt, welcher Qualitätsmaßstab anzulegen ist. Ein Ausschluss einer Methode kann daher nur erfolgen, wenn sie nicht einmal das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative aufweist. Hierin ist eine Modifikation des allgemeinen Qualitätsgebots § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V zu sehen. Es ist somit im Sinne der gesetzlich vorgesehenen Innovationsförderung sogar ein niedrigerer Maßstab anzulegen als die Forderung nach bereits allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse.

Im Gegensatz zu vielen anderen Methoden hat sich der G-BA schon frühzeitig und mehrfach mit der ACI und ACI-M sowohl für den ambulanten als auch den stationären Bereich beschäftigt und zur Beschlussfassung umfassende Erkenntnisquellen herangezogen. Er qualifiziert die ACI als „Methode“ i.S.d. §§ 135, 137c SGB V. Der G-BA hat das Verfahren gemäß § 137c SGB V in Bezug auf die Anwendung am Kniegelenk im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ausgesetzt und zusätzlich einen Beschluss über Maßnahmen zur Qualitätssicherung erlassen, in dem festgelegt wurde, unter welchen Bedingungen die ACI-M während der im Aussetzungsbeschluss festgelegten Frist zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden darf. Die Beschlüsse gelten bis zum 31.12.2019.

In Bezug auf die Anwendung der ACI-M im Knie (oder auch Hüftgelenk) gibt es folglich keinen negativen, die Anwendung ausschließenden Beschluss, sondern mit dem Aussetzungsbeschluss und dem Beschluss über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei ACI-M am Kniegelenk 2 Beschlüsse, die die Anwendbarkeit der ACI-M am Kniegelenk zulasten der GKV ausdrücklich positiv bewerten. Eine nach § 4b AMG genehmigte ACI-M erfüllt daher alle grundsätzlichen Voraussetzungen des § 137c SGB V, weshalb eine Anwendung im Krankenhaus auf Kosten der GKV erfolgen kann.

Selbst wenn man für nach § 4b genehmigte ACI-M-Produkte den Maßstab des allgemeinen Qualitätsgebots gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V anlegen würde, was angesichts § 137c Abs. 3 SGB V nicht der richtige Prüfmaßstab ist, käme man zu dem Ergebnis, dass sie erstattungsfähig sind, da sie nach den Grundsätzen der evidenzbasierten
Medizin und unter Berücksichtigung der vom BSG entwickelten Anforderungen bereits jetzt dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gem. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprechen, da die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode
befürwortet und daher über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht.

Zudem stellt die ACI-M i.S.d. § 137c Abs. 3 SGB V eine im Versorgungalltag wichtige und erforderliche Behandlungsalternative dar, da z.B. auch Unterschiede zu herkömmlichen Behandlungsverfahren mit klinischer Relevanz bestehen.

Aufgrund der gesetzlichen Systematik des Grundsatzes der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt gemäß § 137c Abs. 1 SGB V und der vom Gesetzgeber beabsichtigten Innovationsförderung obliegt die abschließende Prüfung dem G-BA, ob eine im Krankenhaus angewandte NUB-Methode die vom Gesetz geforderten Qualitätsstandards erfüllt. Durch den Richtlinienerlass setzt der G-BA – vergleichbar einem Normgeber – verbindlich Recht gegenüber allen an der Gesundheitsversorgung Beteiligten. Die Richtlinien und Beschlüsse des G-BA, so auch der Aussetzungsbeschluss in Bezug auf die Anwendung der ACI-M am Kniegelenk sowie die sich daraus ergebende Rechtsfolge, dass die ACI-M am Kniegelenk im Rahmen der Beschlüsse erstattungsfähig ist, sind daher von allen Beteiligten und damit auch vom MDK und den Krankenassen zu beachten.

Ähnliches gilt für die ACI-M im Hüftgelenk, da hierzu kein negativer, die Anwendung ausschließender Beschluss des G-BA besteht. Es steht dem MDK nicht zu, eine generelle Methodenbewertung vorzunehmen oder gegen wirksame G-BA-Beschlüsse der ACI-M die Erstattungsfähigkeit abzusprechen. Die Prüfkompetenz des MDK beschränkt sich im Rahmen des § 137c Abs. 3 SGB V bei bereits vorliegenden Beschlüssen des G-BA auf die Prüfung der patienten- und leistungserbringerbezogenen Voraussetzungen im konkreten Einzelfall.

Gesetzlich Versicherte haben daher, wenn der Einsatz der ACI-M im Rahmen einer Krankenhausbehandlung in ihrem individuellen Behandlungsfall aus ärztlicher Sicht medizinisch notwendig und indiziert ist, einen Anspruch auf den Einsatz der ACI-M, sofern eine verkehrsfähige Form Anwendung findet und die Methode gemäß § 137c Abs. 3 SGB V i.V.m. den genannten Beschlüssen des G-BA aktuell zum regulären Leistungsspektrum der GKV gehört. Entsprechend haben Krankenhäuser, die die ACI-M unter Beachtung aller Anforderungen des §137c Abs. 3 SGB V sowie unter Beachtung der vom G-BA festgesetzten Qualitätskriterien einsetzen, einen Anspruch auf Bezahlung der durchgeführten Behandlung gegenüber den Krankenkassen. Die hier vorgestellten Bewertungen wurden aus einem Rechtsgutachten der Kanzlei Voelker und Partner in Reutlingen zusammengefasst. Zu gleicher Rechtsauffassung kommen z.B. auch die Landeskrankenhausgesellschaften von Berlin (260/2018), Brandenburg (235/2018), Schleswig Holstein (173/2018) und Bayern (32/2018).

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