Übersichtsarbeiten - OUP 12/2018

Regulation und Erstattung zellbasierter Therapien
Innovationsbremse oder Qualitätsförderung?Innovation brake or improvement of quality?

Die ACI-M gilt mittlerweile als Methode, die selbst bei größeren Knorpelschäden und schwierigen Indikationen anhaltend relevante Beschwerdereduktion ermöglicht und die den frühzeitigen Gelenkersatz verhindern oder zumindest deutlich verzögern kann [4, 12, 22, 30]. Im Vergleich zur ersten Generation, bei der noch ein Periostlappen zur Defektabdeckung verwendet wurde, weist die matrixassoziierte ACI besonders bei minimalinvasiver Anwendung geringere Komplikations-, Versagens- und Reoperationsraten, kürzere Rehabilitationszeiten und bessere histologische und klinische Ergebnisse auf [10, 18, 25, 28, 30]. Vom G-BA wurde die ACI-M als Methode eingestuft, die, wie begründet, entsprechend der bestehenden Rechtslage im Krankenhaus zu erstatten ist, sofern die o.g. Anforderungen erfüllt sind, wobei dies auch für ein nach § 4b genehmigtes ACI-M-Produkt gilt.

Wie bereits im Jahr 2006 in einer gemeinsamen Stellungnahme der DGU und DGOOC zum damaligen EU-Kommissionsentwurf „Advanced Therapies“ beschrieben, kommt dem Zugang zu sicheren, verbesserten und finanzierbaren Therapieverfahren eine große Bedeutung in der medizinischen Versorgung zu [14]. Die Durchführung prospektiv randomisierter Studien ist daher zu begrüßen und hat in letzter Zeit in Verbindung mit Langzeitergebnissen zu den unterschiedlichen Methoden der operativen Knorpeldefektsanierung zu einer deutlichen Verbesserung der Evidenzlage geführt, insbesondere auch indikationsabhängig. Insofern haben die Vorgaben der EU-Kommission bei der Versorgung fokaler Knorpelschäden in einer qualitätsfördernden Wirkung resultiert.

Im Gegensatz hierzu ist die in manchen Bereichen bestehende arzneimittelrechtliche Überregulierung wenig hilfreich. Diese hat zu erheblichen bürokratischen Hürden und Kosten geführt, ohne dass hierdurch eine Verbesserung von Qualität oder Sicherheit für Patienten eingetreten ist. Diesbezüglich sind in erster Linie die bereits beschriebenen, unverhältnismäßigen Vorgaben zur Entnahme und Gewinnung von autologem Gewebe zu nennen, deren Problematik und Folgen in der gemeinsamen Stellungnahme von DGU und DGOOC im Jahr 2006 beschrieben und prognostiziert wurden und die auch genauso eingetreten sind. Eine bundesweite Harmonisierung und Entbürokratisierung dieser Vorgaben ist daher dringend zu empfehlen [14].

Die zentrale Genehmigung eines ATMP ist ausschließlich an die in den Zulassungsstudien untersuchten Indikationen gebunden. Für Patienten bedeutet dies, dass unter diesen Bedingungen nur Knorpelschäden des Kniegelenks mit einer ACI-M behandelt werden können, da Zulassungsstudien für andere Gelenke, wie auch der Hüfte, aus verschiedenen Gründen noch nicht existieren.

In der Fachliteratur besteht jedoch Konsens darüber, dass unabhängig vom Gelenk das Ziel einer biologischen Knorpelrekonstruktion die Wiederherstellung eines Knorpelgewebes sein sollte, das in seiner Zusammensetzung, Struktur und Funktion dem gesunden hyalinen Knorpel möglichst nahekommt [15, 16, 25].

So wurde wie erwähnt, nicht nur im Knie-, sondern auch im Hüftgelenk nach MFx im Vergleich zur ACI-M eine höhere Prothesenrate festgestellt. Auch daher ist eine §-4b-Genehmigung für die Versorgungsqualität von großer Bedeutung, da fokale Knorpelschäden des Hüft- oder auch Sprunggelenks ansonsten nicht mehr mit einer ACI-M versorgt werden könnten. Dies wäre zum einen eine Entwicklung, die vom Gesetzgeber explizit nicht gewollt ist, zum anderen wäre sie auch aus ethischen Gründen als äußerst fragwürdig zu beurteilen.

Interessenkonflikt: Christoph Gaissmaier (CG) und Klaus Maleck sind Vorstände der Tetec AG (einem Unternehmen zur Entwicklung und Herstellung von biologischem Gewebeersatz). CG besitzt Aktien der Tetec, und alle vier Autoren beziehen Gehaltszahlungen vom Unternehmen. Die Tetec AG war und ist an Drittmittel-geförderten Projekten zur Entwicklung neuer Verfahren der Knorpel- und Bandscheibenregeneration beteiligt.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Christoph Gaissmaier

Tetec – Tissue Engineering
Technologies AG

Aspenhaustraße 18

72770 Reutlingen

christoph.gaissmaier@tetec-ag.de

Literatur

1. Basad E, Ishaque B, Bachmann G, Stürz H, Steinmeyer J: Matrix-induced autologous chondrocyte implantation versus microfracture in the treatment of cartilage defects of the knee: a 2-year randomised study. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2010; 18: 519–27

2. Bayliss LE, Culliford D, Monk AP et al.: The effect of patient age at intervention on risk of implant revision after total replacement of the hip or knee: a population-based cohort study. Lancet 2017; 389: 1424–30

3. Bentley G, Biant LC, Vijayan S, Macmull S, Skinner JA, Carrington RW: Minimum ten-year results of a prospective randomised study of autologous chondrocyte implantation versus mosaicplasty for symptomatic articular cartilage lesions of the knee. Bone Joint Surg Br 2012; 94: 504–9

4. Biant LC, Bentley G, Vijayan S, Skinner JA, Carrington RW: Long-term results of autologous chondrocyte implantation in the knee for chronic chondral and osteochondral defects. Am J Sports Med 2014; 42: 2178–83

5. Biant LC, McNicholas MJ, Sprowson AP, Spalding T: The surgical management of symptomatic articular cartilage defects of the knee: Consensus statements from United Kingdom knee surgeons. Knee 2015; pii: S0968–0160 (15)00129–5

6. Brittberg M, Lindahl A, Nilsson A, Ohlsson C, Isaksson O, Peterson L: Treatment of deep cartilage defects in the knee with autologous chondrocyte transplantation. N Engl J Med 1994; 331: 889–95

7. Brittberg M, Recker D, Ilgenfritz J, Saris DBF: SUMMIT Extension Study Group. Matrix-applied characterized autologous cultured chondrocytes versus microfracture: Five-year follow-up of a prospective randomized trial. Am J Sports Med 2018; 46: 1343–51

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